Streuobst: Wichtige Infos auf einen Blick
Alles was man über Streuobst wissen sollte
Baden-Württemberg besitzt mit geschätzten 89.000 bis 111.000 Hektar (Quelle LUBW) die größten zusammenhängenden Streuobstflächen in ganz Europa. Auf dieser Seite erläutern wir, warum Streuobstwiesen so wichtig sind, dass wir uns vor Ort engagieren und auch rettend vor Streuobstbäume stellen, wie wir uns außerdem für Streuobstwiesen einsetzen und welche Probleme es beim Schutz von Streuobstwiesen gibt.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema Streuobst:
Warum sind Streuobstwiesen so wichtig?
Streuobstwiesen sind Hotspots der biologischen Artenvielfalt und ein besonderes Kulturgut Baden-Württembergs. Der Südwesten trägt eine große Verantwortung für diese Kulturlandschaft, die einmalig ist in Europa. Zentral für die ökologische Bedeutung der Streuobstwiesen ist ihre seit Jahrhunderten bestehende Bewirtschaftung. Der Streuobstanbau ist deshalb seit 2021 im bundesweiten Verzeichnis der deutschen UNESCO-Kommission als Immaterielles Kulturerbe gelistet. Der NABU hat die Initiative mit unterstützt.
Naturverträglich genutzte Streuobstbestände sind als Lebensraum für Pflanzen und Tiere von großem Wert und zählen zu den artenreichsten Lebensräumen und Landnutzungsformen Mitteleuropas So können Streuobstwiesen unzählige Tier- Pflanzen- und Pilzarten beheimaten. Darunter viele Insektenarten, die von der Pflanzenvielfalt in den Streuobstwiesen leben und wiederum die Nahrungsgrundlage der verschiedenen Vogelarten wie Steinkauz, Wendehals oder Rotkopfwürger sind.
Warum werden die Streuobstbestände immer weniger?
Trotz intensiver Bemühungen für den Erhalt der Streuobstbestände sind schon seit Jahrzehnten Überalterung und ein Rückgang der Bestände zu beobachten. Seit 1965 gingen die Baumzahlen um ca. 60 % zurück. Im Jahr 2020 wurde noch ein Bestand von ca. 7,1 Mio. Streuobstbäumen ermittelt. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Rodungen für neue Baugebiete stellen die größte direkte Gefahr für Streuobstbestände in Baden-Württemberg dar. Streuobstgürtel um Gemeinden und Städte fielen in erheblichem Umfang neuen Wohn- und Gewerbegebieten, dem Straßenbau oder der Flurbereinigung zum Opfer.
Wie setzen wir uns für den Erhalt der Streuobstwiesen ein?
- Aufpreisvermarktung: Wer seine Streuobstwiesen entsprechend bewirtschaftet, bekommt für das abgelieferte Obst, aus dem in der Regel Saft gepresst wird, über die Aktivitäten von Aufpreis-Initiativen einen Mehrpreis auf den üblichen Marktpreis bezahlt. Bei biozertifiziertem Streuobst ist es nochmal etwas mehr. Für die Kundin und den Kunden ist dieser Saft an der Ladentheke gegenüber anderem Obstsaft ein bisschen teurer. Dennoch bleibt der Preis im Rahmen während die Bewirtschaftenden der Streuobstwiesen deutlich mehr Geld erhalten. Wir haben mit finanzieller Förderung des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) zwei Leitfäden erstellt. Der veröffentlichte „Leitfaden für die Gründung und Organisation eines Streuobst-Aufpreisprojektes“ erklärt Schritt für Schritt, was nötig ist, um eine Aufpreis-Initiative zu gründen und aufzubauen. Der zweite „Leitfaden für für die Bio-Zertifizierung eines Streuobst-Aufpreisprojektes“ gibt weitere Tipps. Ziel ist es, über höhere Preise für Obst die Bewirtschaftung rentabel zu machen und so diesen einmaligen Lebensraum für Tausende von Tier- und Pflanzenarten langfristig zu erhalten.
- NABU-Gruppen: Viele NABU-Gruppen pflegen und bewahren Streuobstwiesen, damit Steinkauz, Wiedehopf und Co. weiterhin Brutmöglichkeiten haben.
- Transparenz: Wir wollen wissen, wie viele Streuobstwiesen jedes Jahr für ein neues Baugebiet weichen müssen. Nachdem wir seit 2021 regelmäßig bei den Landratsämtern nachgefragt haben, welche Anträge für die Umwandlung von Streuobstbeständen gestellt und genehmigt wurden, haben wir erreicht, dass wir ab April 2023 automatisch immer informiert werden, wenn ein Antrag bei einem Landratsamt eingeht. Wir haben dann die Gelegenheit, Stellung zu nehmen und können sicher sein, dass uns die Informationen rechtzeitig erreichen, bevor eine Genehmigung erteilt oder sogar schon mit der Rodung begonnen wird. Weiterhin dokumentieren wir alle Fälle und die Genehmigungspraxis der Behörden.
- Klagen: Wir legen Widerspruch gegen gesetzeswidrige Rodungen von Streuobstbeständen ein und ziehen im Zweifel auch vor Gericht, um Streuobstbestände zu retten.
Warum werden Streuobstbestände nicht ausreichend geschützt und wie möchte der NABU den ausreichenden Schutz erreichen?
Aufgrund des vom NABU gemeinsam mit anderen Umweltorganisationen getragenen Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ wurde im Juli 2020 das Naturschutzgesetz von Baden-Württemberg novelliert. Unter § 33a NatSchG steht nun ein Erhaltungsgebot für Streuobstbestände ab einer Größe von 1.500 Quadratmetern. Dieses sogenannte Biodiversitätsstärkungsgesetz schreibt erstmals den Schutz von Streuobstwiesen vor. Auch wenn Einzelbäume wie bisher bewirtschaftet, gefällt und nachgepflanzt werden können, bedarf die Umwandlung eines Streuobstbestandes einer Genehmigung und ist nur dann möglich, wenn die Gründe für die Umwandlung von so großem öffentlichen Interesse sind, dass der Erhalt des Streuobstes dahinter zurückstehen muss. Tritt ein solcher Fall ein, muss ein Ausgleich erfolgen – vorrangig durch die Anlage eines neuen Streuobstbestandes.. Es ist der ausdrückliche Sinn und Zweck der Regelung, Streuobstbestände in möglichst großem Umfang zu erhalten und grundsätzlich auch vor der Inanspruchnahme durch Bauvorhaben zu schützen (siehe Begründung des Gesetzes S 44). Die Landratsämter haben die Aufgabe zu gewährleisten, dass die Rodung von Streuobstwiesen die absolute Ausnahme bleibt.
Bei der 2021 durch den NABU erfolgten landesweiten Abfrage der durch die Unteren Naturschutzbehörden erteilten Streuobst-Umwandlungsgenehmigungen stellte sich heraus, dass die Behörden bei der Bewertung der Genehmigungsfähigkeit sehr uneinheitlich vorgehen. Eine klare Anleitung erwies sich als dringend erforderlich, um ein einheitliches Verfahren zu erreichen.
Eine gemeinsam mit BUND und LNV entwickelte Musterstellungnahme für unsere aktiven Mitglieder konnte durch regelmäßigen Austausch untereinander, mit kommunalen Spitzenverbänden, einzelnen Landratsämtern und Umweltministerium konsequent weiterentwickelt werden. Bei einer Streuobstwerkstatt mit allen Akteuren im Landkreis Rastatt wurden die Ideen für eine Handreichung des UM diskutiert und an einem konkreten Beispiel vor Ort einem Praxischeck unterzogen.
Anfang Juli 2024 wurde als Ergebnis des mehrjährigen Austauschprozesses vom Umweltministerium eine Checkliste veröffentlicht, die einer einheitliche Handhabung der Streuobstumwandlungsanträge durch die Unteren Naturschutzbehörden dient und einen Standard zur Ermittlung des erforderlichen Ausgleichsbedarfs setzt.
Kernaussage der Checkliste:
Ausgangspunkt für die Bearbeitung eines Streuobst-Umwandlungsantrags ist die Prüfung, ob der Erhalt des Streuobstbestandes im öffentlichen Interesse liegt. Dabei sind nur naturschutzfachliche Gründe heranzuziehen, insbesondere Funktion des konkreten Streuobstbestandes für die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts und seine Funktion für den Erhalt der Artenvielfalt.
Liegen keine naturschutzfachlichen Gründe für den Erhalt vor, so ist die Genehmigung zu erteilen.
Liegen allerdings naturschutzfachliche Gründe für die Erhaltung des Streuobstbestandes vor, ist die Genehmigung in der Regel zu versagen. Die Behörde muss dann im Rahmen ihres Ermessens prüfen, ob im Einzelfall gravierende Gründe vorliegen, die eine Rodung dennoch rechtfertigen können. Hierbei ist ein strenger Beurteilungsmaßstab anzusetzen, denn durch den §33 Abs. 1 NatSchG wird eine Grundaussage für den Erhalt des Streuobstbestandes bereits durch das Gesetz intendiert.
Das Ziel, den Schutz der ökologisch wertvollen Streuobstbestände durch den § 33a NatSchG durch ein einheitliches Verfahren in der Praxis besser handhab- und durchsetzbar zu machen, haben wir damit erreicht. Ob sich diese Realität nun auch in den kommunalen Gremien etabliert, bleibt abzuwarten – ebenso wie die Auswirkungen der Entwicklung auf unsere noch laufenden Widerspruchsverfahren.
Was ist in Bretten/Gölshausen passiert?
Auf einer Streuobstwiese in Bretten wurden trotz Widerspruch des NABU 40 wertvolle Streuobstbäume für den Bau eines Industriegebiets gefällt. Dennoch hat der Fall auch positive Auswirkungen auf den weiteren Umgang mit Streuobstumwandlungen.
Die Chronologie zur Streuobstwiese Bretten erklärt, warum in diesem Fall eine artenreiche Streuobstwiese einem Industriegebiet weichen musste und wie sich der NABU bis zuletzt für deren Erhalt eingesetzt hat.
Dezember 2023 - Nun ist auch der letzte Baum in Bretten/Gölshausen gefallen. Auf weitere Protestaktionen wird der NABU in diesem Fall verzichten, weil mit der Stadt Ausgleichsmaßnahmen vereinbart wurden, die über das rechtlich notwendige Maß hinausgehen. Auch, wenn an dieser Stelle die Streuobstwiese verloren hat, verbuchen wir unseren Einsatz auf größerer Ebene als Erfolg: Seit Anfang Mai 2023 gilt ein Erlass, der sicherstellt, dass wir über jeden Antrag auf Streuobstwandlung und erteilte Genehmigungen frühzeitig informiert werden. Wir haben dann Gelegenheit zur Stellungnahme. 52 Anträge auf Streuobstumwandlung haben uns Stand 19.12.23 seit Inkrafttreten des Erlasses erreicht und wir haben zu fast allen (außer bei sehr kleinen Eingriffen) umfangreiche Stellungnahmen eingereicht. Aktuell laufen die ersten überarbeiteten Anträge zur erneuten Stellungnahme ein. Gegen einige erteilte Genehmigungen haben wir Widersprüche eingereicht, die noch nicht entschieden sind.
Es macht uns betroffen, dass so viele Streuobstbäume bereits gefällt wurden, deshalb widmen wir den Bäumen eine Traueranzeige.
Helfen Sie mit Ihrer Spende!
Gemeinsam setzen wir uns für den Schutz der baden-württembergischen Streuobstwiesen ein!
Der Fall Bretten
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