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Mehr ...Sonnyboy unter den Singvögeln
Interview mit dem NABU-Fachbeauftragten Stefan Bosch



Der Sonnyboy unter den Vögeln: der Stieglitz. - Foto: Frank Derer
Den Anfang macht Dr. Stefan Bosch (53). Der NABU-Fachbeauftragte für das Thema Vögel ist seit 1977 beim NABU aktiv. Er ist von Beruf Narkosearzt, wohnt am westlichen Stromberg und beschäftigt sich von Kindesbeinen an mit der Tier- und vor allem der Vogelwelt, leitet Exkursionen und hat über seine Naturbeobachtungen zahlreiche Fachbeiträge, NABU-Broschüren und mehrere Bücher veröffentlicht. Erst kürzlich ist von ihm eine Fotodokumentation über eine Stieglitzbrut in den „Ornithologischen Mitteilungen“ erschienen.
NABU: Stefan, warum hat der NABU 2016 gerade den Stieglitz zum Vogel des Jahres gekürt?
Stefan Bosch: Der Stieglitz ist eine Vogelart, die bei uns als Gartenvogel die Siedlungen bewohnt – die man also vor der eigenen Haustüre erleben kann. Wenn wir Gärten und Grünanlagen naturnah gestalten, hilft das dem bunten Vogel – und vielen anderen Arten auch. Gerade hier bei uns in Baden-Württemberg kommt dazu, dass der Stieglitz ein klassischer Streuobstbewohner ist, der sehr gerne auf Apfelbäumen brütet, allerdings in mehreren Metern Höhe. Deshalb sind hochstämmige Obstbäume extrem wichtig und wertvoll für ihn. Dafür, dass die erhalten und geschützt werden, setzt der NABU sich seit langem ein.
Du hast gesagt, „naturnahe“ Gärten und Grünanlagen sind wichtig – was heißt das konkret?
Die Vögel brauchen zweierlei: Nahrung und Brutplätze. Brutplätze wählen sie in hohen Bäumen. Deshalb ist es so wichtig, dass es solche hohen Bäume in Gärten, Parkanlagen, an Parklätzen und Hochstämme auf Streuobstwiesen gibt. Man kann Bäume oder hohe Hecken so schneiden, dass so genannte Astquirle entstehen – Verzweigungen, die ein gutes Fundament für den Nestbau bilden. Nahrung finden Stieglitze auf Wiesen unter Obstbäumen, in Gärten, Parks, am Ortsrand oder an Straßenrändern. Auch da kann man etwas tun, um für einen möglichst reich gedeckten Tisch zu sorgen: Die Wiesen sollten artenreich und am besten so bunt wie das Stieglitzgefieder sein, außerdem wenig gemäht werden und Samenstände ausbilden können. Wichtige Nahrungspflanzen für die vorwiegend vegetarisch lebenden Vögel sind Wildkräuter und Wildstauden wie Disteln, Karden, Sonnenblumen, Brennnesseln und Löwenzahn. Lässt man die in einem „Kruschteckle“ im Garten gedeihen, ist das ein Paradies für Disteln und ihren Fink.
Gutes Stichwort – der Stieglitz ist ja auch als Distelfink bekannt. Woher kommen diese zwei Namen?
Die Bezeichnung „Stieglitz“ ahmt den wie „stieg-litt“ klingenden Ruf der Vögel nach, „Distelfink“ nimmt auf die bevorzugten Nahrungsquellen Bezug, also Disteln mit ihren feinen Samen.
Man sieht Stieglitze ja oft auf Disteln sitzen – das muss doch weh tun?
In der Regel sitzen sie nicht direkt auf den Disteln, sondern an den Stängeln oder Ästen, an denen sie sich festhalten. Sie sind gelenkig und flexibel und verrenken sich förmlich vom sicheren Halt aus, um die Samenstände zu bearbeiten. So kommen sie an ihre Nahrung, ohne direkten Kontakt mit den pieksenden Disteln zu haben.
Was verbindest du persönlich mit dem Stieglitz, gab es besondere Begegnungen?
Mit ihrem bunten Gefieder und dem fröhlich wirkenden Gesang ist der Stieglitz für mich irgendwie der „Sonnyboy“ unter den Singvögeln. Stieglitzen bin ich immer wieder begegnet: Schon als Schüler war ich fasziniert, wie sie mit ihren feinen Schnäbeln die Samen aus den Studentenblumen auf dem Balkon herausgeholt haben. Atemberaubend sind die Winterschwärme, wenn die bunten Vögel in großer Zahl auf abgeerntet Feldern Nahrung suchen. Und ganz intime Einblicke hat mir ein Stieglitzpaar ermöglicht, das vor unserem Wohnzimmerfenster gebrütet hat.
Tust du selbst etwas für den Jahresvogel?
Wir lassen hohe Bäume ums Haus stehen und haben „Obstbaumstückle“, auf denen alte Hochstämme stehen bleiben dürfen oder neue angepflanzt werden. Und die Wiesen unter den Bäumen dürfen kräftig blühen und fruchten, bevor sie gemäht oder beweidet werden. Im Garten wachsen in den Beeten auch Wilde Karden und andere Stauden, deren Samenstände wir bewusst bis in den Winter stehen lassen. Auch wenn es noch so klein ist – ein buntes „Kruschteckle“ hilft dem Stieglitz!
Für alle, die noch mehr über den Stieglitz wissen möchten, haben wir ein Infopaket zum Vogel des Jahres 2016 zusammengestellt – zu bestellen hier im neuen Online-Shop des NABU Baden-Württemberg.