Fakten zum Insektensterben verdichten sich weiter
Das Insektensterben ist eine Tatsache, auch bei uns. Das ergibt eine vom NABU Baden-Württemberg aktuell fertiggestellte Auswertung . Mehr →
Wildbiene - Foto: Krzysztof Wesolowski
Unser Landwirtschaftexperte Jochen Goedecke spricht im Interview über die Folgen des rasanten Insektensterbens.
Die Zahl der Insekten geht immer mehr zurück. Was sind die Gründe hierfür?
Insekten sind wie alle Lebewesen auf spezielle Lebensräume und auch Nahrung angewiesen. Beides finden sie in der Umwelt, einerseits in der Nähe der Menschen (Balkonpflanzen als Nahrungsquelle oder auch Dachstühle zum Überwintern) oder in der Kulturlandschaft. Mit der Bewirtschaftung der Landschaft entstand über die Jahrhunderte hinweg ein Mosaik an unterschiedlichsten Lebensräumen in der Natur. Aufgrund der zunehmenden Mechanisierung wurde es den Landwirten beispielsweise möglich, immer größere Flächen zu bewirtschaften, sodass viele Strukturen, die früher Äcker begrenzt haben, wie Hecken, Ackerrandstreifen, Raine, Steinriegel, wegfielen. Auch durch die „Optimierung“ der Landwirtschaft, z. B. mit Pflanzenschutzmittel sind viele Ackerwildkräuter, eigentlich eine uralte Ackerbegleitflora, verloren gegangen. Viele Effekte haben dazu geführt, dass die Vielfalt in der Agrarlandschaft und damit auch die Vielfalt an Angeboten von Lebensräumen und Nahrungsquellen verloren gegangen sind.
Ein weiterer Aspekt, den jeder Einzelne beobachten kann, ist die Tatsache, dass ab etwa Mitte Juni nur noch sehr wenige Blüten zu finden sind. Dies ist beispielsweise auch für die Imker mit ihren Bienenvölkern ein ernsthaftes Problem.
Was sind die Folgen, wenn es immer weniger Insekten gibt?
Eine große Anzahl unserer Kulturpflanzen, also die Basis unserer Ernährung (z. B. Tomaten, Äpfel, Sonnenblumen, Kaffee) wird von Insekten bestäubt, was letztlich erst die Ausbildung der Frucht und somit auch die Ernte ermöglicht. Fehlen die bestäubenden Insekten, fällt die Ernte geringer oder ganz aus. Die Insekten dienen zudem vielen anderen Tieren entlang der Nahrungskette als Nahrung. Gibt es weniger Insekten, geht auch die Population von Vögeln, unter anderem der Schwalben, zurück.
Der Verlust an Insekten für die landwirtschaftliche Produktion wurde in den verschiedensten Studien monetarisiert, der Bericht des Weltrates für Biodiversität beziffert den Wert der tierischen Bestäubungsleistung auf 235 bis 577 Milliarden Dollar weltweit.
Was kann die Politik dagegen tun?
Die Politik kann beispielsweise über Anreizsyteme die Landwirtinnen und Landwirte davon überzeugen, die Landwirtschaft insektenfreundlicher, beispielsweise anhand von Ackerrandstreifen, zu gestalten. Die in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) eingeführten Ökologischen Vorrangflächen sind hier ein guter Weg. Sie erzeugen ein Mehr an Vielfalt in der Agrarlandschaft.
Aber auch Kommunen können einiges zu dem Thema beitragen, indem sie ihre kommunalen Flächen, vor allem Grünland, insektenfreundlicher anlegen. Häufig ist auch die Bewirtschaftung eines kurzgeschorenen „Englischen Rasens“ teurer, als das Anlegen einer Blumenwiese. Sehr viele Kommunen haben hier gute Erfahrungen gemacht. Außerdem können die Kommunen darauf hinwirken, im Sommer blühende Hecken anzupflanzen.
Was kann jeder tun?
Jeder einzelne von uns kann auf dem Balkon, dem Garten oder der Terrasse Blütenpflanzen aussäen, die auch noch im Juli oder August blühen. Es können Bienenhotels aufgestellt und insektenfreundliche Hecken gepflanzt werden.
Auch beim Einkauf kann jeder von uns darauf achten, ob Insekten in der Kulturlandschaft gefördert werden. Dies ist nicht immer einfach zu erkennen, aber es lohnt sich, beispielsweise beim örtlichen Bäcker nachzufragen, woher er sein Getreide bezieht und – wenn es regional ansässige landwirtschaftliche Betriebe sind – nach Maßnahmen, wie Ackerrandstreifen, zu fragen.
Welche Auswirkungen hat es auf die Imker?
Wenn im Juni / Juli spätestens die in der Agrarlandschaft vorkommenden Blüten verblüht sind, beginnt für die Bienen eine trachtarme Zeit, die Imker müssen hier sehr oft mit Zuckerlösungen zufüttern, damit die Honigbienen überleben.
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