Schwarzspecht - Foto: Tom Dove
Holzspezialisten am Werk
Ein Forschungsprojekt in Bayern widmet sich den faszinierenden Schwarzspechten



Wenn Menschen und Tiere älter werden, bekommen sie Alterserscheinungen. Und auch an Bäumen gehen die Jahre nicht spurlos vorbei: die Rinde wird zunehmend rau und bekommt Risse, Äste brechen ab, Wunden im Holz schließen sich nicht mehr so schnell. Schon bevor diese Veränderungen sichtbar werden, schleicht sich oft ein Pilz in das Holz ein. Spechte wählen diese Bäume bevorzugt für ihre Höhlen aus.
Dabei beweisen besonders Schwarzspechte große Geduld. Am Ende der sogenannten „Optimalphase“ der Bäume – also wenn der Alterungsprozess beginnt – suchen die Vögel nach Faulstellen im Stamm. Sie legen eine Höhle an und lassen sie einige Jahre in Ruhe. Das macht durchaus Sinn, erklärt Prof. Volker Zahner von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf: „Durch seine flauschigen Federn am Schnabel transportiert der Specht Pilzsporen. Der Vogel hackt ein ausreichend großes Loch aus dem harten Holz. Der Pilz arbeitet weiter daran – für Monate oder sogar Jahre. Ist das Holz etwas faulig und damit weicher geworden, kann sich ein Schwarzspecht-Paar mit dem „Innenausbau“ beschäftigen und schließlich einziehen.“
Und dann wird es spannend – wie Prof. Zahner mit einer Fotofallenstudie zeigt. Der Wildtierexperte suchte mit seinem Team rund 100 Schwarzspechthöhlen in sieben bayerischen Waldgebieten auf. Das Team installierte Kameras und sorgt mit den aufgenommenen Bildern und Videos für eine schwindelerregende Perspektive: Aus rund 15 Metern Höhe schaut man den Stamm hinab und beobachtet das Treiben rund um die Höhle.
Da zeigt sich etwa ein Weibchen, das eine Höhle begutachtet. Möchte sie hier brüten? Das Männchen wartet nervös auf ihre Entscheidung. Willigt sie ein, beginnt der gemeinsame „Innenausbau“. Schwarzspechte bauen eine Tropfkante am Höhleneingang und einen schrägen Ablauf ein, damit kein Wasser hineinläuft. Das war es aber fast schon in Sachen Komfort. „Schwarzspechte leben eher IKEA-mäßig spartanisch“, sagt Volker Zahner. Die Jungtiere liegen nach dem Schlupf auf dem blanken Holzboden und wärmen sich gegenseitig. Ihr Quartier liegt so tief im Stamm, dass ein Habicht nicht hineingreifen kann.
Sicherheit spielt für Schwarzspechte eine große Rolle. Sie wählen Buchen als Brutbäume – die hohen Buchenstämme mit glatter Rinde sollen den bestmöglichen Schutz vor Baummarder und Waschbär bieten. „Wir haben sogar gesehen, dass Schwarzspecht-Weibchen nur solche Höhlen akzeptieren, bei denen der Abstand zur Naturverjüngung ausreichend groß ist, damit Feinde nicht von einem niedrigeren Baum in Höhe der Bruthöhle herüberspringen können“, erklärt Prof. Zahner. „Unter sechs Metern zieht Frau Schwarzspecht nicht ein.“
Diese Vorsichtsmaßnahmen schätzen auch andere: Das Forschungsteam zählte im Rahmen seiner Studie 40 verschiedene Arten, die sich um eine Schwarzspechthöhle gezankt haben – darunter andere Spechtarten, Halsbandschnäpper, Rauhfußkauz, Waldkauz, Eichhörnchen und Fledermäuse. Eine Hohltaube kam nur zwei Stunden nach dem Ausflug der jungen Schwarzspechte, um sich die „Nachmiete“ zu sichern. Denn Wohnraum im Wald ist selten und begehrt! „Wenn wir die gesamte Bandbreite an Spechten in unsrem Wald haben wollen, brauchen wir auch die ganze Bandbreite an Alt- und Totholz“, betont Prof. Zahner.