Seidenschwanz - Foto: Oscar Klose
Seidenschwänze haben eine besonders große Leber. Damit können sie Alkohol, den sie beim Futtern überreifer Früchte aufnehmen, schneller abbauen als andere Tiere. Manchmal leider nicht schnell genug: Etwa 100 Seidenschwänze sind im Frühjahr 2013 gegen einen verglasten Fußgängerüberweg in Bad Boll geprallt und tragisch ums Leben gekommen. Die Untersuchung durch das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart (CVUA) hat gezeigt: Die Vögel hatten Alkohol im Blut. Deshalb konnten sie vermutlich nicht schnell genug reagieren und hatten keine Zeit, dem nur schwer erkennbaren Hindernis rechtzeitig auszuweichen. Es „kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Alkoholgehalt der [in den Mägen der Vögel gefundenen] Mistelbeeren zu einer Beeinträchtigung des Flugvermögens und der Reaktionsfähigkeit der Seidenschwänze geführt hat“, steht im CVUA-Gutachten.
Daniel Schmidt-Rothmund vom NABU-Vogelschutzzentrum Mössingen erklärt: „Es ist keine Seltenheit, dass Tiere Alkohol im Blut haben. Das passiert einfach, wenn sie Früchte fressen, die schon gären. Zum Problem wird das oft erst, wenn wir Menschen ihnen Hindernisse in den Weg bauen – zum Beispiel schlecht erkennbare Glasfronten.“ Allerdings sterben auch viele Vögel, die nur Körner fressen und sicher keinen Alkohol im Blut haben, immer wieder durch Kollisionen mit Glasscheiben und spiegelnden Fassaden, die sie nicht als Hindernisse erkennen können.
Der tragische Tod der Vögel wird jetzt zumindest die Wissenschaft voranbringen: Knapp vier Jahre hat der Leiter des Vogelschutzzentrums sie sicher tiefgekühlt gelagert. Jetzt werden sie im Rahmen einer Masterarbeit an den Universitäten Greifswald und Heidelberg genau untersucht. „Das ist eine einmalige Chance. Wir gehen davon aus, dass wir bisher Unbekanntes über die Schwarmbildung erfahren werden: Wie sieht so ein Schwarm genetisch genau aus? Sind die Individuen verwandt miteinander, kennen sie sich? Und welche Faktoren spielen sonst noch eine Rolle?“, sagt Schmidt-Rothmund.
Schwärme von Seidenschwänzen ziehen derzeit vom Norden Deutschlands Richtung Süden. Daniel Schmidt-Rothmund, Leiter des NABU-Vogelschutzzentrums, geht davon aus, dass die Wintergäste bald auch Baden-Württemberg erreichen. Mehr →
