Insektensterben
Alle Studien zum Thema Insektensterben belegen: Das Insektensterben ist Realität und schreitet unaufhaltsam voran. Mehr →
Auch Gartenrotschwänze finden immer weniger Nahrung. - Foto: NABU/Bernhard Etspüler
NABU-Ornithologe Stefan Bosch setzt sich seit Jahren für den Schutz unserer heimischen Vogelwelt ein – und tut auch im eigenen Garten einiges, um Amsel, Drossel, Fink und Star ein passendes Zuhause zu bieten. In der ARD-Sendung „Planet Wissen“ berichtete der engagierte Vogelkundler über das Vogelsterben und seine Auswirkungen sowie Lösungsansätze.
Herr Bosch, was können wir im heimischen Garten für die Vogelwelt tun?
Jede Menge! Vögel und andere Tiere nehmen unsere Angebote rasch und gerne an. Grundsätzlich sollte man naturnah gärtnern. Das bedeutet den Verzicht auf Insekten und Pflanzengifte und auf den derzeitigen Trend mit trostlosen Stein- und Schotterwüsten. Lebendige Artenvielfalt gibt es nur dort, wo es grünt und blüht. Büsche und Hecken oder – wenn es der Platz hergibt – Bäume sind gefragt. Die werfen zwar Laub ab, bieten aber ab dem Frühjahr Blüten für Insekten und Nitplätze für Vogel sowie im Herbst Beeren und sichere Verstecke. Samentragende Stauden, blütenreiche Wiesen, ein „grünes Garteneck“ mit Brennnesseln, Laub- und Reisighaufen, Wildbienennisthilfen, vielleicht ein Gartenteich oder zumindest eine Vogeltränke dürfen nicht fehlen. Mit dieser Palette an Angeboten kann jede und jeder den Garten mit überschaubarem Aufwand für Amseln, Buchfinken, Distelfinken, Kleiber und viele andere Arten attraktiv machen. Ergänzend kann man Nisthilfen für Höhlenbrüter (Kohl- und Blaumeisen) und Nischenbrüter (Hausrotschwanz, Bachstelze), vielleicht auch für Mehlschwalben, Turmfalken oder Schleiereulen anbringen. Und wer möchte, kann die Vögel füttern, allerdings nicht um ihnen zu helfen, sondern zum Beobachten und besseren Kennenlernen.
Seit vielen Jahren geht die Zahl der Vögel bei uns zurück. Was sind die Ursachen?
Leider ist in den letzten Jahren die Zahl der Brutvögel dramatisch geschrumpft. Das betraf früher nur Lebensraumspezialisten wie Braunkehlchen, Neuntöter oder Kiebitz. Mittlerweile sind auch verbreitete Allerweltsarten wie Star oder Buchfink betroffen. Die Gründe dafür sind vielfältig, doch meistens fehlt es an Lebensraum, Nahrung und Brutplätzen. Unser Landhunger verschlingt Biotope wie Bachauen, Teiche, Wiesen, Streuobstflächen und Wald. Da gehen wichtige Vogellebensräume unwiederbringlich verloren. In Siedlungen sind es ein unermüdlicher Ordnungssinn und die Umgestaltung in vermeintlich pflegeleichte Steingärten, die Vögeln den Lebensraum rauben.
Wie steht es um den Einfluss von Umweltgiften?
Jüngste Studien zeigen, dass Pestizide in der Landwirtschaft den Insektenbestand massiv beeinträchtigen und damit die Nahrungsgrundlage vieler Vögel auslöschen. Die meisten Singvogelarten brauchen Insekten zur Aufzucht der Jungvögel. Moderne Insektengifte – sogenannte Neonicotinoide – haben noch weitere Nachteile, beispielsweise verwirren sie nicht nur Bienen, sondern führen auch bei Vögeln und Fledermäusen zu Orientierungsverlust und stören den Vogelzug.
Wie steht es um die Brutplätze?
Oft sind Brutplätze Mangelware, es fehlen große Bäume für Spechte und deren Nachmieter. Schwalben werden häufig an Gebäuden nicht toleriert, obwohl das Kotproblem leicht lösbar wäre. Jede Vogelart ist auf bestimmte Lebensräume und Strukturen angewiesen und kann sich nicht einfach umorientieren oder umziehen. Goldammern brauchen die Hecke mit Feldrain, sie können nicht in einen Busch am Spielplatz umziehen. Grünspechte brauchen Obstbaumwiesen mit großen Höhlenbäumen und Ameisen auf der Wiese darunter. Nistkästen und Futterstellen können die Natur nicht ersetzen. Artenvielfalt braucht Lebensraumvielfalt, in der Landschaft wie im Garten.
Wie können wir den Wandel gemeinsam schaffen?
Wir befinden uns in der UN-Dekade Biologische Vielfalt. Wenn uns Artenvielfalt wirklich wichtig und wertvoll ist und wir in Zukunft auf großer Fläche nicht nur wenige Allerweltsarten wie Haussperling und Kohlmeise erleben wollen, müssen wir entsprechend handeln. Damit möglichst viele Tier- und Pflanzenarten unbeeinträchtigt in unseren Landschaften existieren können, müssen wir auf land- und forstwirtschaftliche Flächen Einfluss nehmen. Sie haben große Flächenanteile in unserem Land. Wir müssen den Flächenverbrauch reduzieren und die dringend erforderliche Agrarwende rasch einleiten und umsetzen.
Was kann jede und jeder dazu beitragen?
Verbraucherinnen und Verbraucher sind gefragt, gute, gesunde Lebensmittel aus umweltfreundlicher Landwirtschaft zu wählen und dafür angemessene Preise zu bezahlen. Etwa ein Drittel unserer Fläche machen Siedlungen aus. Auch hier sehe ich Luft nach oben. In Gärten und auf öffentlichem Grün kann ebenfalls mit Baumpflege, Mähmanagement oder gezielter Biotopgestaltung viel erreicht werden, wie unser NABU-Projekt „Natur nah dran“ eindrücklich beweist. Möglichst viele Initiativen auf kommunaler Ebene vermögen ein ganzes Netzwerk an Naturräumen zu schaffen. Und im eigenen Garten kann jede und jeder sein eigenes kleines Naturschutzgebiet gestalten.
Die Sendung ist hier abrufbar.
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