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Mehr ...Prinz zu Löwenstein fordert Agrar-Wandel
Ökolandwirt fordert faire Preise für Lebensmittel



Dr. Felix Prinz zu Löwenstein ist promovierter Agrarwissenschaftler und auch selbst Ökolandwirt. - Foto: privat
Prinz Felix zu Löwenstein ist ein Visionär mit Bodenhaftung. Der promovierte Agrarwissenschaftler setzt sich seit Jahren für einen Wandel hin zu einer fairen, nachhaltigen und umweltverträglichen Agrarwirtschaft ein. Dies tut er im eigenen südhessischen Biobetrieb, den mittlerweile seine Tochter leitet, als Autor, Referent und in der Gesellschaft. Warum von diesem Wechsel alle profitieren würden – Verbraucher/-innen, Natur und Artenvielfalt und nicht zuletzt die Landwirtinnen und Landwirte selbst – erklärt der adlige Ökolandwirt im NABU-Interview und bei einem Vortragsabend auf Einladung des NABU Markgröningen.
Ankündigung „Audienz beim Ökoprinz“ (www.nabu-markgroeningen.de): Vortragsabend des NABU Markgröningen mit Prinz Felix zu Löwenstein am Do, 8.3.2018, 19 Uhr, Gemeindesaal der katholischen Kirche Heilig Geist, Betzgasse 1 in Markgröningen.
Herr zu Löwenstein, die konventionellen Landwirte und Landwirtinnen stehen immer öfter mit dem Rücken zur Wand. Gleichzeitig schwindet mit der Artenvielfalt auch ihre Anerkennung in der Gesellschaft. Was muss sich ändern?
Nicht alle, aber doch viele Landwirtinnen und Landwirte haben die Option, anders, ökologisch zu wirtschaften und dadurch faire Preise für ihre Produkte zu erhalten. Offenbar scheint aber den meisten eine solch weitreichende Veränderung noch unvorstellbar. Aber auch die Politik muss durch Gesetze, Steuern und Abgaben die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Eine Produktion – ob in der Landwirtschaft oder in anderen Bereichen –, die den Boden schädigt, das Trinkwasser belastet und die biologische Vielfalt reduziert, muss die Kosten für diese negativen Effekte selbst tragen, anstatt sie auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Diese Kosten werden dann, für den Verbraucher transparent, in den Preisen abgebildet und beeinflussen direkt das Kaufverhalten. Wir brauchen endlich echte Preise, solche, die die Wahrheit sprechen. So ist unser Fleisch in Wirklichkeit sehr viel teurer, als die Auszeichnung auf dem Etikett uns vorgaukelt.
Viele Menschen argumentieren, dass sie sich Bioprodukte nicht leisten können …
Das stimmt aber nur, wenn wir unser heutiges Konsumverhalten komplett mit „Bio“ abdecken wollen. Bio-Hühnchen ist dreimal so teuer wie konventionell erzeugtes. Doch der Preis bildet auch die wahren Kosten ab. Wer weniger Fleisch isst, frische und regionale Produkte kauft und weniger vorgefertigte Nahrungsmittel nutzt, ernährt sich gesünder und wirft die teureren Lebensmittel auch seltener weg. Aktuell verbraucht jeder Bundesbürger jährlich im Durchschnitt 86 Kilogramm Fleisch. Diesen Verbrauch auf ein für unsere Gesundheit zuträgliches Maß zu reduzieren, wäre kein Verlust, sondern ein Gewinn an Lebensqualität!
Welche Rolle muss die EU bei diesem Wandel spielen?
Es gibt in einzelnen Mitgliedsstaaten durchaus unterschiedliche Anforderungen – auch im Hinblick auf Tierschutzauflagen. Manche Länder erheben Abgaben auf Stickstoff oder Pestizide. Dadurch wird der Verzicht auf den Einsatz solcher Substanzen wirtschaftlich interessanter. Dies wäre beispielsweise im Interesse von Wasserwerken und Wasserkunden, die sich dann die hohen Kosten für die Trinkwasseraufbereitung sparen könnten. Schraubt man die Anforderungen allerdings zu stark nach oben, kann das zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Dann wandert die Produktion dorthin ab, wo es weniger Auflagen gibt oder sich diese leichter umgehen lassen. Deshalb braucht es hier gemeinsame europäische Standards, die gegenüber Drittländern durch Zölle geschützt werden müssen. Was übrigens immer schwieriger wird, wenn man immer mehr Freihandelskommen abschließt – wie das bei TTIP vorgesehen war –, in denen solche Standards keine Rolle spielen.
Gibt es weitere Möglichkeiten zur Steuerung?
Neben staatlichen Regeln und der Verteuerung umweltschädlicher Substanzen durch Abgaben gibt es einen dritten Weg. Der muss auch genutzt werden: Der Staat kann durch Fördermittel eine Produktion vergünstigen, die öffentliche Güter wie Trinkwasser schont und die Biodiversität fördert. Im Moment werden 40 Prozent des EU-Haushalts für die Landwirtschaft ausgegeben. Der weitaus größte Teil davon wird nach dem Gießkannenprinzip und ohne Steuerungswirkung verteilt. Dieses Geld muss künftig gezielt dafür eingesetzt werden, Bauern für ökologische Leistungen zu entlohnen, die die Gesellschaft von ihnen verlangt, der Markt aber nicht ausreichend bezahlt.
Sie waren als junger Mann als Entwicklungshelfer im Ausland und reisen auch heute noch viel, um sich die landwirtschaftliche Praxis in anderen Ländern anzusehen. Was können wir von anderen lernen, um ökologischer zu wirtschaften?
Natürlich lässt sich beispielsweise eine indische kleinbäuerliche Landwirtschaft nicht auf uns übertragen. Aber wir können von dort lernen, wie man durch Vielfalt und Kleinräumigkeit stabile Verhältnisse schafft, in denen geringer Krankheits- und Schädlingsdruck herrscht und wo hohe Erträge möglich sind. Der Druck hoher Arbeitskosten hat bei uns zu großen Flächen mit Monokulturen geführt, die sich schnell und mit großen Maschinen bewirtschaften lassen. Wir brauchen wieder mehr Mischkulturen und Fruchtfolgen sowie Vielfalt auf den Flächen, mit Ackerblühstreifen, Hecken, Bachläufen und Feldrainen. Die Digitalisierung und der Fortschritt der Landtechnik können das aber wieder umkehren. So könnten wir zu vielfältigen und kleinräumigen Agrarlandschaften zurückkehren, in denen die biologische Vielfalt wieder eine Chance bekommt. Und in denen kleine, leichte und autonom fahrende Maschinen die immer schwerer gewordenen ersetzen, die in den letzten Jahrzehnten unsere Böden verdichtet haben.