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Mehr ...Ernst-Ulrich von Weizsäcker im Interview
Preise müssen ökologische Wahrheit sprechen



Ernst-Ulrich von Weizsäcker mit Claudia Wild vom NABU Baden-Württemberg. - Foto: Gabi Foerschler
25. Oktober 2018 Ende September war Ernst-Ulrich von Weizsäcker, Co-Präsident des Club-of-Rom, zu Besuch in Esslingen, um Wege zu einer nachhaltigen Welt aufzuzeigen und das neue Buch mit dem absichtlich doppeldeutigen Titel „Wir sind dran“ vorzustellen. Dieser beinhaltet eine Warnung und eine Aufforderung zum Handeln.
Seine 114 Euro möchte der Wissenschaftler und Politiker für die Regionalwert AG in Emmendingen im Breisgau ausgeben, die nachhaltige Regionalwirtschaft rund um Freiburg organisiert und gewissenhaftes Wirtschaften mit sozial-ökologischer Wertschöpfung verbindet.
45 Jahre nach Veröffentlichung des Berichts „Grenzen des Wachstums“ ging es dem Wissenschaftler und Politiker um eine Standortanalyse und ein Umsteuern unseres Wirtschaftssystems, unseres Konsumverhaltens und um Fragen globaler Verteilungsgerechtigkeit. „Wir brauchen eine neue Aufklärung. Mit Egoismus lösen wir all diese Probleme nicht. Die heutigen Trends sind in keiner Weise nachhaltig. Wir wissen es, aber handeln nicht danach“, sagte von Weizsäcker. Er mahnte ein Ende der Wegwerfgesellschaft an. „Wer nachhaltig produziert muss reicher werden als jemand, der Abfallschrott herstellt. Die Preise müssen hierfür die ökologische Wahrheit sprechen.“
Den aktuellen Verlust der Artenvielfalt als sechste große Artenauslöschung auf dem Planeten sieht von Weizsäcker als eines der drängendsten Probleme: „Alleine vom Menschen gemacht mit der Dramatik, als würde ein Meteorit auf die Erde stürzen“, so der Politiker. „Wir drängen alles weg, bis es nur noch in Nationalparks und Natura 2000-Gebieten überleben kann.“ Der Anteil der wild lebenden Tiere am Lebendgewicht der auf der Erde laufenden Wirbeltiere sei menschenbedingt auf drei Prozent geschrumpft. 67 Prozent sind unsere Schlachttiere, und 30 Prozent sind wir Menschen selber.
Herr von Weizsäcker, in Ihrem Vortrag haben Sie gefordert: „Die Preise müssen die ökologische Wahrheit sagen“. Wie lässt sich das konkret umsetzen?
Jedenfalls nicht dadurch, dass man sich jahrelang akademisch darüber streitet, was genau die ökologische Wahrheit ist. Vielmehr soll man das, was man bereits als ökologische Schädigung erkannt hat, in kleinen, sozial und industriepolitisch verträglichen Schritten langsam teurer machen, und zwar durch direkte Steuern, die viel wirksamer sind als handelbare Lizenzen, die immer zur Spekulation einladen.
Das Land Baden-Württemberg hat unter Grün-Schwarz einige ökologische Fortschritte gemacht. Die Flächenversieglung schreitet dennoch ungehindert voran, die Energiewende stockt, im Verkehr herrscht Dauerstau. Wo sind die wichtigsten Hebel auf Landesebene?
Wichtige Hebel sind der Ausbau des ÖPNV, eventuell der schwedische Gedanke, dass man im Innenstadtraum mit dem Auto nur parken darf, wenn man eine Dauerkarte des ÖPNV hinter der Windschutzscheibe liegen hat. Gebäude auf städtischen Flächen sollten verpflichtend mindestens auf Passivhausstandard umgerüstet werden. Außerdem könnte die Landesregierung einen Vorschlag in den Bundesrat einbringen, dass Wohnungen mit Flächen oberhalb von 50 Quadratmetern pro Person mit einer Steuer auf die darüber liegenden Flächen belegt werden; das kann ein Anreiz sein, solche Flächen zu vermieten oder unterzuvermieten, und das kann den Drang zur Neuversiegelung für Wohnbauten senken.
Vor einem Jahr hat der NABU BW eine Studienübersicht zum Vogel- und Insektensterben vorgelegt und vor einem halben Jahr den ersten Pestizidbericht BW veröffentlicht. Wir kennen die Probleme. Wer muss am großen Rad drehen, damit sich etwas ändert?
Die Landwirtschaft heutiger Art hat sich zu einem Feind der Natur gemacht. Glyphosat ist ja ein Antibiotikum, das als solches bei Menschen und Tieren nicht eingesetzt werden darf, weil es hierfür zu giftig ist. Sein Einsatz war die Folge zu hoher Stickstoffwerte im Boden, was den „Unkräutern“ mehr half als den Nutzpflanzen. Wir brauchen wieder mehr Fruchtfolge und ökologische Auflagen für die Agrarflächen. Dafür sollen die Landwirte wieder höhere Preise für ihre wertvollen Produkte erzielen. Billig, billig, billig ist eine katastrophale Devise für Ernährung und Natur.
Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, um das Artensterben zu stoppen. Welche wären das?
Neonicotinoide ersatzlos verbieten.