Energiewende im Land naturverträglich gestalten
Gemeinschaftsprojekt von NABU und BUND
Das „Dialogforum Erneuerbare Energien und Naturschutz“ geht in die nächste Runde. Ziel ist es, Klimaschutz und Naturschutz miteinander zu verbinden. Mehr →
Wie kommt es, dass Ihr euch für „Fridays for Future“ engagiert?
Anna: Ich bin eine junge Mutter und stehe damit ganz anders in der Verantwortung. Ich frage mich, was will ich in 30 Jahren meinen Enkelkindern sagen, wenn sie fragen: ‚Warum habt Ihr damals nichts getan?‘ Wir sind die letzte Generation, die noch etwas bewegen kann.
Jesko: Meine Motivation ist ganz ähnlich: Was erzähle ich später einmal meinen Kindern? Sie werden fragen ‚Was hast Du damals getan, um den Klimawandel zu verhindern?‘ Wenn ich dann sagen kann, ich habe es zumindest probiert, den Klimawandel zu stoppen, dann wäre das schon ein Erfolg.
Jesko, Du wohnst noch zu Hause. Wie haben Deine Eltern reagiert?
Jesko: Meine Eltern finden mein Engagement eigentlich ganz gut. Mein Vater sagt öfter, dass ich auf die Schule achten soll. Aber davon lasse ich mich nicht beirren. Mir ist das, wofür ich mich einsetze, wichtiger.
Und die Lehrer?
Jesko: Sie haben überwiegend positiv reagiert. Mein Abitursbeauftragter unterstützt es sogar, dass wir auf die Straße gehen. Von meiner Schule sind rund 200 Personen zur Freiburger Demo gegangen, da waren auch einige Lehrer mit ihren Klassen dabei. Die Teilnahme wurde von Seiten der Schule nicht explizit erlaubt, aber es hieß: „Wir geben keine Einträge ins Klassenbuch, wenn Ihr teilnehmt.“
Ihr seid ja mit vielen anderen Schülerinnen und Schülern im Gespräch. Wie erlebt Ihr die Reaktionen von anderen Schulen?
Jesko: Sehr unterschiedlich. In Freiburg wollten einige Schulen und das Regierungspräsidium unsere Demo zunächst verbieten. Es gab daraufhin eine Erklärung an allen Schulen, dass die Schüler nicht zum Streik gehen dürfen und dass die Teilnahme sanktioniert wird. Dass die Schülerinnen und Schüler kein Recht darauf haben. Es war gemein, dass manche Lehrer Klausuren oder Tests extra auf den Tag gelegt haben. Das hat natürlich einige eingeschüchtert. Auch die große Presseresonanz hat einige Jugendliche davon abgehalten, zu kommen. Im Nachhinein wurde das Thema vonseiten der Schulen relativiert, als sie gemerkt haben, dass wir mit mehr als 5.000 Menschen auf der Straße waren. Das zeigt, dass wir für unsere Zukunft streiken – und nicht einfach die Schule schwänzen.
Anna Prasser (23) bei den Schülerprotesten „Fridays for Future“ in Stuttgart. -Foto: NABU/Kathrin Baumann
Die Junge Union hat sich geäußert mit den Worten „Das muss bestraft werden: Schule schwänzen, das geht gar nicht.“ Was entgegnet Ihr solchen Äußerungen?
Jesko: In Freiburg hat sich die Schüler-Union auch bei uns gemeldet. Wir haben gar nicht darauf reagiert, um keine große Aufmerksamkeit darauf zu ziehen. Denn die Schüler-Union stand mit ihrer Forderung ziemlich allein da.
Anna: Wir hören das oft, auch von Älteren. Sie können das leicht sagen, denn sie werden die Konsequenzen ihres Handelns vermutlich nicht mehr erleben. Wir sagen aber, es ist wichtig, dass wir während der Schulzeit streiken, damit wir Aufmerksamkeit bekommen. Würden wir diese Aufmerksamkeit auch an einem Samstagnachmittag bekommen? Ich glaube, wir müssen ein paar Regeln brechen, um gehört zu werden. Und Klimaschutz ist ein Thema, für das es sich zu streiken – und zu streiten – lohnt.
Habt Ihr das Gefühl, dass Politikerinnen und Politiker auf Eure Proteste reagieren?
Anna: Ja, total. Das zeigt sich leider im Negativen daran, dass überlegt wird, wie streikende Schülerinnen und Schüler härter und effektiver bestraft werden können. Das bestätigt mich darin, dass wir mit unserer Botschaft und mit unserer Zielstrebigkeit durchdringen.
Jesko: In Freiburg war es so, dass von politischer Seite versucht wurde, auf den Zug aufzuspringen. Unser Oberbürgermeister hat in den sozialen Medien gepostet, wie toll er es findet, dass die jungen Leute für den Klimaschutz auf die Straße gehen. Er wollte die Plattform nutzen, um sich selbst in ein gutes Licht zu stellen.
Woche für Woche sind die Demonstrationen größer geworden. Geht das so weiter oder ist „Fridays for Future“ am Ende doch ein Strohfeuer?
Anna: Da jetzt der Sommer kommt und es da noch schöner wird, zu demonstrieren, bin ich optimistisch. Langfristig wird es sicher schwierig, aber ich glaube, der harte Kern bleibt dabei. Diese Fragen begegnen uns oft: ‚Wie lange wollt Ihr noch?‘, ‚Das könnt Ihr doch nicht immer machen‘. Dabei ist es uns so wichtig, dass gerade die Älteren die Klimakrise endlich als solche anerkennen. Anstatt zu sagen: ‚Ach, es gibt immer junge Leute, die dagegen sind‘.
Was tut Ihr dafür, um Eure Bewegung nachhaltig zu stärken?
Jesko: In Freiburg hatten wir aus diesem Grund bisher nur eine, dafür sehr große, Demonstration. Wir wollen verhindern, dass es sich ausläuft. Deshalb werden wir nicht wöchentlich streiken, sondern etwa alle zwei Monate. Dafür aber richtig. Parallel stoßen wir weitere Projekte an. Eine Schülerin hat zusammen mit Schulen und mit der Bildungsbürgermeisterin eine Baumpflanz-Aktion auf die Beine gestellt hat – mit 300 Jugendlichen. Toll ist auch der Clean-up-Day, an dem wir die Stadt vom Müll befreien. Es gibt also noch weitere Aktionsformate und wir hoffen, dass viele sich uns auf die eine oder andere Art anschließen. Vielleicht gibt es auch gemeinsame Aktionen mit den Schulen, etwa, dass wir in der Unterrichtszeit überlegen, wie die Schulen nachhaltiger werden können.
Anna: Wir in Stuttgart finden es wichtig, wöchentlich zu streiken. Auch wir machen beim Clean-Up mit und unter den Schülerinnen und Schülern entstand der Wunsch, dass wir während der Streiks Alternativ-Unterricht machen. Wir planen nicht, jede Woche so eine aufwändige Lauf-Demo zu machen. Aber wir möchten dazu übergehen, Picknicks zu organisieren, damit wir uns einfach hinsetzen, sprechen, in einen Austausch kommen. Damit Ideen entstehen, was wir besser machen können, bei uns selbst und in unseren Familien.
Jesko Treiber (Mitte) ist Mitorganisator der Schülerproteste „Fridays for Future“ in Freiburg und Stuttgart. -Foto: NABU/Kathrin Baumann
Welche Rolle spielt Greta Thunberg für Euch? Die schwedische Schülerin hat die Schülerstreiks angestoßen.
Jesko: Ich glaube, dass gerade über Social Media eine große Vernetzung stattfindet, deren Identifikationsfigur Greta Thunberg ist. Sie zeigt über Instagram, wo auf der Welt gerade Streiks stattfinden. Es motiviert sehr, zu sehen, wie in Ghana, Gambia, Australien und in den USA immer mehr junge Leute auf die Straße gehen. Daraus entsteht ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl.
Denkt Ihr darüber nach, Bündnisse mit anderen Institutionen und Verbänden zu schließen?
Anna: Das wird immer wieder diskutiert. Wir laden gerne andere Initiativen ein oder besuchen sie. Aber wir möchten eine eigenständige Organisation bleiben.
Jesko: Ich kann mich da nur anschließen. Die Bewegung soll nicht instrumentalisiert werden. Wir gehen für einzelne Aktionen durchaus Kooperationen ein, zum Beispiel in Freiburg mit Pulse of Europe. Damit betonen wir, dass die Klimakrise nur europa- und weltweit bekämpft werden kann. Deshalb ist es auch so wichtig, dass Europa mit den anstehenden Europawahlen weiter gestärkt und nicht geschwächt wird. Aber grundsätzlich sind wir eine eigenständige Organisation, die dabei ist, sich ihre eigenen Strukturen zu schaffen. Das sind bei uns in Freiburg zum Beispiel Arbeitsgruppen, für Veranstaltungen, Social Media oder Pressearbeit.
Der NABU wurde ziemlich genau vor 120 Jahren in Stuttgart von Lina Hähnle gegründet. Damals waren wir noch ein reiner Vogelschutzverband. Mittlerweile ist der NABU bundesweit auf rund 700.000 Mitglieder gewachsen. Wie blickt Ihr als junge Aktivisten auf den NABU?
Jesko: Es ist toll, dass es so viele Menschen gibt, die sich für den Naturschutz einsetzen. Das ist sehr unterstützenswert. Ich finde es wichtig, dass Naturschutzverbände gesellschaftliche Stimmungen aufnehmen und Anliegen für den Naturschutz vorantreiben. Dass es funktioniert, hat das Volksbegehren in Bayern gezeigt.
Anna: Ich würde mir von einem Verband wie dem NABU wünschen, dass er mehr tut, um Jugendliche und junge Erwachsene zu erreichen. Dazu gehört auch, in den sozialen Medien aktiv zu sein. Ich habe zum Beispiel vor meinem Engagement für „Fridays for Future“ nicht gewusst, dass es so schlimm um die Wildbienen steht. Es ist wichtig, solche Informationen zu kommunizieren – auf Kanälen, die wir nutzen.
Sollten Natur- und Umweltschutzorganisationen dabei schärfere Botschaften senden?
Anna: Auf jeden Fall. Wir können nicht irgendwann irgendwas tun. Es muss sofort gehandelt werden. Das wird Einbußen geben, das wird uns weh tun. Aber es muss passieren.
Jesko: Das sehe ich auch so. Bewegungen wie „Fridays for Future“ zeigen, dass es in der Gesellschaft eine Lobby für einen viel konsequenteren Klimaschutz gibt, als den, den die Bundesregierung verfolgt. Wir müssen mehr von der Politik und von der Gesellschaft fordern. Die Zeit läuft uns davon.
Die EU hat sich verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Deutschland will dieses Ziel schon 2020 erreichen. Bis 2050 soll Deutschland fast treibhausgasfrei sein. Was müsste sich ändern, damit Deutschland seine Klimaziele noch erreichen kann?
Anna: Damit Deutschland seine Klimaziele noch einhalten kann, muss ein grundlegendes Umdenken stattfinden. Wir müssen uns darauf fokussieren, was wir tun müssen, nicht darauf, was Ökonome und Ökonominnen sagen, was wir tun können. Die Politik muss sich auf diese Aufgabe einlassen und der Gesellschaft ehrlich vor Augen führen, vor welcher Mammutaufgabe wir stehen.
Jesko: Um die Klimaziele noch einhalten zu können und die Klimakrise wirksam zu bekämpfen, müssen wir jetzt dringend handeln. Das gilt bei der Kohleenergie, aus der wir bis spätestens 2030 aussteigen müssen. Das gilt bei der Verkehrswende, wo wir endlich weg vom Verbrennungsmotor kommen müssen und das gilt auch auf kommunaler Ebene, wo wir den Weg in klimaneutrale Städte und Gemeinden ebnen müssen.
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Mit einer NABU-Geschenkpatenschaft für Wildbienen oder Greifvögel schenken Sie Ihren Lieben ein ganz besonderes Stück Natur.
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