NABU stellt Pestizidbericht vor
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Auf der Landespressekonferenz stellen (v.l.n.r.) Dirk Teßmer (Rechtsanwalt für Umweltfragen), Thomas Hoffmann (Mitglied des NABU-Landesvorstands) und Johannes Enssle (NABU-Landesvorsitzender) die Klage auf Herausgabe von Pestizid-Daten in Naturschutzgebieten vor. - Foto: NABU/Kathrin Baumann
21. März 2019 – Genau ein Jahr nach Veröffentlichung des ersten Pestizidberichts für Baden-Württemberg legt der NABU nach: „Neben dem Klimawandel könnte sich das Insektensterben zu einer der größten globalen Umweltkatastrophen auswachsen. Wir dürfen keine Zeit verlieren und müssen nach den Ursachen forschen. Klar ist, dass der Einsatz von Herbiziden und Insektiziden die Überlebensfähigkeit der Insekten schwächt, wir müssen daher so schnell wie möglich raus aus der Chemiewirtschaft auf dem Acker“, erklärte NABU-Landesvorsitzender Johannes Enssle am Donnerstag im Rahmen einer Pressekonferenz in Stuttgart. Die viel zitierte „Krefelder Studie“ belegt einen Rückgang der Insektenbiomasse von mehr als 75 Prozent, und zwar in Naturschutzgebieten.
„Man sollte meinen, dass unsere Naturschutzgebiete den wild lebenden Pflanzen und Tieren zuverlässig Schutz bieten, doch selbst hier sind sie nicht vor Pestiziden sicher. Auf Ackerflächen in Naturschutzgebieten darf ganz normal gespritzt werden. Das ist Etikettenschwindel“, stellt Enssle fest.
Leider könne die zuständige Landwirtschaftsverwaltung bis heute nicht sagen, wie viele und welche Pestizide in Baden-Württemberg eingesetzt werden, nicht mal für die ökologisch besonders sensiblen Naturschutzgebiete. Dabei hatte Landwirtschaftsminister Peter Hauk nach der Vorstellung des NABU-Pestizidberichts im März 2018 zugesagt, die Verbraucher selbstverständlich durch Transparenz und Aufklärung mitzunehmen. „Wir hätten uns gewünscht, dass Landwirtschaftsminister Peter Hauk nach seiner Transparenz-Zusage selbst aktiv wird und die Daten auswertet und veröffentlicht. Aber leider warten wir bis heute vergeblich auf die angekündigte Transparenz. Da die Landwirtschaftsverwaltung nicht handelt, ergreifen wir nun selbst die Initiative“, hält Enssle fest.
NABU fragt: Was steht in den Schlagkarteien?
Da die Landwirtschaftsverwaltung hier offensichtlich handlungsunfähig oder handlungsunwillig ist, hat der NABU im Januar 2019 auf Grundlage des Umweltinformationsgesetzes (UIG) bei den vier Regierungspräsidien einen Antrag auf Datenübermittlung gestellt.
Konkret beantragte der NABU die Offenlegung der sogenannten „Schlagkarteien“, in denen landwirtschaftliche Betriebe nach § 11 Pflanzenschutzgesetz laufend dokumentieren müssen, wann, wo und wie viele Pestizide sie ausbringen. Außerdem verpflichtet sie das Gesetz dazu, die Daten auf Anfrage an die Behörde zu übermitteln. Die europäische Pflanzenschutzmittelverordnung (EG 1107/2009) berechtigt auch Dritte – wie Nachbarn, die Trinkwasserwirtschaft und nach Meinung des NABU auch Umweltverbände – diese Daten einzusehen.
Johannes Enssle erklärt dazu: „Die oberen Landwirtschaftsbehörden in den Regierungspräsidien weigern sich, die Daten bei den landwirtschaftlichen Betrieben abzufragen und auszuwerten, geschweige denn sie dem NABU zur Verfügung zu stellen. Unser Antrag auf Akteneinsicht wurde mit fadenscheinigen Argumenten von allen vier Regierungspräsidien mit einem gleichlautenden Schreiben abgeschmettert: Die Verwaltung habe die Daten nicht, es handle sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die uns – also auch die Bevölkerung – nichts angingen, und außerdem sei der Verwaltungsaufwand zu groß.“
NABU reicht heute Klage ein
Der NABU möchte sich das nicht gefallen lassen und hat heute (21.03.) bei den Verwaltungsgerichten Stuttgart, Karlsruhe, Freiburg und Sigmaringen Klage gegen die Ablehnungsbescheide der vier Regierungspräsidien eingereicht. Dirk Teßmer, Rechtsanwalt für Umweltfragen aus Frankfurt, unterstützt den NABU dabei: „Das Gesetz steht eindeutig auf der Seite meines Mandanten. Der Verband hat nach § 24 des Umweltverwaltungsgesetzes und nach nationalem und europäischem Recht einen Anspruch auf die Informationen zum Pestizideinsatz. Die Daten werden ohnehin für die Behörden bereitgehalten und es gibt keinen Grund, sie nicht zumindest in anonymisierter Form an den NABU weiterzugeben.“
Die Zahlen sind für den NABU wichtig, weil er sich davon Erkenntnisse über Zusammenhänge zwischen Pestiziden und Artensterben erhofft. „Insektizide vergiften Insekten, Herbizide vernichten Wildkräuter wie Klatschmohn, Ringelblume oder Kornrade“, betont Enssle. Mit den Insekten verschwinden auch Feldvögel wie Feldlerche und Grauammer, die auf Insekten als Eiweißquelle zur Kükenaufzucht angewiesen sind.
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