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Mehr ...Wie die EU-Politik Felder wieder zu Lebensräumen machen kann
EU-Parlamentarier Lins auf Einladung von LJV und NABU auf Ortstermin im Ländle



Blühender Ackerrandstreifen - Foto: NABU/Klemens Karkow
30. September 2019 – Das Rebhuhn macht sich still und heimlich vom Acker, der Schwund der Insektenvielfalt schreitet weiter ungebremst voran. Ähnlich drastisch sieht die Entwicklung bei vielen anderen Tier- und Pflanzenarten der Feldflur aus. Keine neuen Fakten für einen erfahrenen EU-Parlamentarier und Agrarexperten wie Norbert Lins (CDU). Doch selten hat er den Zusammenhang zwischen Artenschutz und EU-Förderpolitik im Agrarsektor so eindrücklich vor Augen geführt bekommen wie an diesem Herbstnachmittag. Auf einem thematisch aufbereiteten Feldrundgang vor den Toren der Landeshauptstadt veranschaulichten Fachleute des Landesjagdverbandes (LJV) und des NABU (Naturschutzbund) Baden-Württemberg die ganze Dramatik, die sich auf den Feldern seit Jahrzehnten abspielt. Trotz aufwändiger lokaler Schutzprojekte und der grundsätzlichen Bereitschaft vieler Landwirte mitzuwirken, seien Arten wie das einst häufige Rebhuhn nicht zu erhalten. Der Bestand dieses Vogels, der stellvertretend für viele andere Arten steht, nimmt weiter ab.
Nach gemeinsamer Ansicht der Naturschützer von NABU und LJV sind dafür verschiedene Faktoren ausschlaggebend. Besonders bedeutsam ist jedoch der fortschreitende Wandel in der Landwirtschaft mit einem ungebremsten Trend zu größeren Bewirtschaftungseinheiten, dem Verlust von Lebensraum in Randstrukturen wie Hecken und Blühstreifen sowie fortwährendem Einsatz von Spritzmitteln und Dünger. „Wir wissen, dass wir diesen Wandel nicht aufhalten oder gar zurückdrehen können“, stellt LJV-Hauptgeschäftsführer Dr. Erhard Jauch klar. Für ihn geht es vielmehr darum, wie man eine moderne, konkurrenzfähige Landwirtschaft mit sinnvollen Maßnahmen zum Artenschutz ergänzen kann.
Flächen mit Nahrung und Schutz für bedrohte Feldvögel
Zwei Probleme seien dabei zentral: Viele sinnvolle Maßnahmen werden gar nicht genutzt, viele der Öko-Instrumente verfehlen zugleich ihre Wirkung, weil sie nicht zu Ende gedacht sind. So müssten beispielsweise Blühflächen für mindestens zwei Jahre stehen bleiben, damit die meisten Insekten dort überhaupt den Winter überleben und sich fortpflanzen können, erläutern die Experten vor Ort am Beispiel einer mehrjährigen Blühbrache. „Hier können Schmetterlinge ihre Eier ablegen und sich entwickeln, Schwebfliegenlarven finden Nahrung und bodenlebende Laufkäfer werden nicht durch Bodenbearbeitung beeinträchtigt“, führen die Fachleute von NABU und Landesjagdverband aus. Auf solchen Flächen entsteht genau das, was vielen Feldvogelarten heutzutage fehlt: ein reich gedeckter Tisch an Nahrung, gute Deckung und ruhige Verhältnisse, um ungestört brüten zu können.
Die größte Schwierigkeit steckt jedoch nach wie vor darin, wirkungsvolle Maßnahmen mit Förderprogrammen so attraktiv zu gestalten, dass sie von der Landwirtschaft angenommen werden. „Für einen Landwirt, der in guten Lagen wirtschaftet, sind viele der Naturschutz-Anreize schlichtweg nicht attraktiv“, bemängelt Johannes Enssle, Landesvorsitzender des NABU, die aktuelle Förderpolitik. Die Förderung sollte sich eher an den jeweiligen regionalen Deckungsbeiträgen oder den Bodenwerten orientieren. Dann würde der eine oder andere auch mal eine Fläche auf Zeit aus der Bewirtschaftung rausnehmen. „Wir bekommen immer wieder mit, dass es nicht am guten Willen der Bauern mangelt“, betont Enssle. „Aber es muss halt auskömmlich sein. Die aktuell vom NABU, LJV und weiteren Verbände vorgelegte, Kulturlandschaftsstudie 2030‘ zeigt auf, wie das Artensterben auf Äckern und Wiesen durch eine zielgerichtete Agrarförderung gestoppt werden kann.“
Impulse für die Agrarförderung der EU
Für Norbert Lins ist dieser Ortstermin mehr als nur ein Zwischenstopp zwischen seiner Heimat Pfullendorf und dem Arbeitsplatz in Brüssel. Er hat aus der sehr praxisbezogenen Runde viele Ideen mitgenommen. Zwar muss er die Diskussion auch in den gesamteuropäischen Kontext stellen, denn die Begehrlichkeiten anderer Länder bei den Fördermitteln zielen vielmehr auf die Unterstützung einer weiteren Modernisierung ab. „In Osteuropa möchte man endlich den Anschluss an das Niveau im übrigen Europa erreichen“, führt Lins aus. „Dort wünscht man sich Geld von der EU für größere, modernere Ställe oder Intensivobstanlagen, um mit dem Rest Europas konkurrieren zu können.“ Man habe eine schwierige und sehr heterogene Interessenlage zu berücksichtigen. Aber die Notwendigkeit einer Umschichtung der Mittel vor allem zur Förderung kleinerer Betriebe und deren Beitrag für den Erhalt von Landschaft und Natur liege auf der Hand. „Wir brauchen eine ausgeglichene Förderung, welche der Wettbewerbsfähigkeit unserer bäuerlichen Familienbetriebe zugutekommt und den Anforderungen für den Umweltschutz Rechnung trägt“, sagt Lins. Die Kunst müsse es nun sein, eine für alle annehmbare und umsetzbare Förderkulisse auf die Beine zu stellen. Daran wolle er weiter intensiv arbeiten.
Auch wenn es für die große Europa-Politik nicht immer einfach ist, Impulse aus den Mitgliedsländern mitzunehmen, den eindrücklichen Impuls zu mehr Naturschutz auf den Feldern hat Norbert Lins nach Brüssel mitgenommen. Momentan werden die knapp 60 Mrd. Euro Agrarsubventionen der Gemeinsamen Agrarpolitik vor allem pauschal nach Fläche verteilt. Die Reform dieses Systems steht nun kurz bevor. Zu Beginn des kommenden Jahres wird das EU-Parlament über die Vorschläge zur Reform abstimmen.
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