Jost Einstein auf seiner Abschiedsführung auf dem Federseesteg. - Foto: NABU/Svenja Deutschkämer
Stabsübergabe beim NABU-Naturschutzzentrum Federsee
Jost Einstein war das Gesicht des Naturschutzes



Jost Einstein hat das NABU-Naturschutzzentrum Federsee 33 Jahre lang geprägt. - Foto: NABU/Svenja Deutschkämer
1. Juli 2020 – „Aus der Tätigkeit für den NABU-Landesverband mit Sitz im Naturschutzzentrum Federsee verabschiede ich mich mit einem lachenden und einem weinenden Auge“ sagt Jost Einstein. „Einerseits lege ich den Betreuungsauftrag vertrauensvoll in die kompetenten Hände meiner Nachfolgerin Dr. Katrin Fritzsch – andererseits freue ich mich darauf, Verwaltungsaufgaben abgeben zu können und mich nun Forschungsprojekten widmen zu können, die ich schon lange vorhabe“ schildert der herausragende Kenner der Federseenatur. „Ich bin mir bewusst, dass ich in sehr große Fußstapfen trete. Jost Einstein hat dem örtlichen Naturschutz über 30 Jahre lang ein Gesicht gegeben“, erklärt Dr. Katrin Fritzsch, die zuvor sechs Jahre lang für den NABU ein länderübergreifendes Naturschutzprojekt am Oberrhein geleitet hat. Als Ökologin möchte sie neben der Fortführung der erfolgreichen Arbeit rund um den Federsee auch neue Schwerpunkte setzen. So wurde das Monitoring des Kleinen Knabenkrautes wieder aufgenommen, das am Federsee nur auf einer einzigen Wiese vorkommt. Außerdem will Fritzsch gemeinsam mit der zuständigen Naturschutzbehörde das Federseeried weiterentwickeln und gemeinsam mit allen Akteuren vor Ort das Moor mit seiner Vielfalt an geschützen und sehr selten Pflanzen- und Tierarten langfristig als Lebensraum erhalten.
Jost Einstein ist das Urgestein des örtlichen Naturschutzes
Der Federsee spielte schon immer eine prominente Rolle in der Geschichte des NABU: Bereits 1911 hatte dessen Gründerin Lina Hähnle erste Riedflächen nördlich von Bad Buchau gekauft. Das Gebiet sollte „ganz und gar dem freien Walten der Natur zurückgegeben werden“. Daraus entstand einer der ältesten natürlichen Moorurwälder in Deutschland. 1939 folgte die Ausweisung des zentralen Teils des Federseemoores als Naturschutzgebiet. Nach Jahrzehnten ehrenamtlicher Betreuung durch Walter Staudacher, Gerhard Haas und Jost Einstein wurde im Mai 1987 mit der Gründung des Naturschutzzentrums Federsee ein nach außen sichtbares Zeichen für das lange NABU-Engagement am Federsee gesetzt. Das Land Baden-Württemberg übertrug dem Naturschutzbund die naturschutzfachliche Betreuung des Federseemoores.
Das Federseemoor ist die Perle im Schatzkästchen der oberschwäbischen Natur
„Dank intensiver Zusammenarbeit zwischen staatlichem und privatem Naturschutzes ist es gelungen, die Einzigartigkeit dieses größten Moorkomplexes in Südwestdeutschland zu bewahren! Diese Public-Private-Partnership hat sich hervorragend bewährt“, bilanziert der scheidende Zentrumsleiter die Arbeit der vergangenen 33 Jahre. So konnten am Federsee weitere Naturschutzgebiete ausgewiesen werden, sodass dieses heute mit 2350 ha die zweitgrößte Schutzgebietsfläche im Land darstellt und von der Europäischen Union in ihr Netz der europaweit schutzwürdigsten Gebiete aufgenommen wurde. 1997 und nochmals 2009 gelang es, über den Verschluss von Entwässerungsgräben rund 600 Hektar ehemals dränierte Riedwiesen zu renaturieren. Insgesamt 2,9 Millionen Euro flossen, um die wertvollen Moorlebensräume zu erhalten – und damit auch die archäologischen Bodendenkmäler zu retten, die durch die Austrocknung der Moorwiesen akut bedroht waren. 50 Prozent steuerte die Europäische Union aus ihrem LIFE-Programm bei.
Einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung vieler seltener Arten leistet die systematische, aus einem umfangreichen Monitoring der Tier- und Pflanzenwelt entwickelte Landschaftspflege. So erfasst Einstein seit 45 Jahren die Bestände der Brutvögel und der rastenden Wasservögel des Federseegebiets mit konstanten Methoden. Von Braunkehlchen, Rohrweihe, Schilfrohrsänger brüten heute mehr als 50 Prozent des Landesbestandes am Federsee. Mit selbst entwickelten Brutflößen konnte der kurz vor dem Zusammenbruch stehende Bestand der Flussseeschwalbe von zwei auf heute rund 40 Paare vermehrt werden. Aber auch seltene Pflanzen wie das Karlszepter und viele Orchideen sowie hoch spezialisierte Insekten wie der Goldene Scheckenfalter und die Uralameise sind noch im Federseeried heimisch.
In den letzten 33 Jahren hat sich das Naturschutzzentrum Federsee zudem zu einer nicht mehr wegzudenkenden Umweltbildungseinrichtung entwickelt. Viele Hunderttausend Menschen haben das Zentrum seit seiner Gründung besucht und an einer der jährlich rund 400 naturkundlichen Führungen ins Federseemoor teilgenommen, davon großenteils Kinder und Jugendliche.
Interview mit Jost Einstein zum Abschied:
Galerie von der Verabschiedung:
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Die neue Leiterin des NABU-Naturschutzzentrums: Dr. Katrin Fritzsch. - Foto: NABU/Svenja Deutschkämer
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Blick vom Beobachtungsturm aus. - Foto: NABU/Svenja Deutschkämer
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Der NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle verabschiedet Jost Einstein. - Foto: NABU/Svenja Deutschkämer
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Stabsübergabe am NABU-Naturschutzzentrum Federsee: NABU-Landesvorsitzender Johannes Enssle, die neue Leiterin des NABU-Naturschutzzentrums Dr. Katrin Fritzsch, Jost Einstein und NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. - Foto: NABU/Svenja Deutschkämer
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Der Federsee verabschiedet sich mit Regen. - Foto: NABU/Svenja Deutschkämer
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