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Mehr ...Äcker mit PFAS belastet
Wie man die Industriechemikalien im Alltag vermeiden kann



Patricia Klatt bei einem Vortrag - Foto: Klaus Freudenberger
Wissenschaftsjournalistin Patricia Klatt erklärt im Interview, warum PFAS Umwelt und Gesundheit gefährden können und was passieren muss, damit sich endlich etwas ändert.
Was sind PFAS – und warum sind sie Fluch und Segen zugleich
PFAS wurden vor rund 80 Jahren entwickelt. Die Chemikalien verleihen Produkten schmutz-, wasser- und fettabweisende Eigenschaften. Sie sind in vielen Alltagsprodukten enthalten: So machen sie Textilien wasserabweisend, beschichten Kochgeschirr und stecken in Kosmetika. Auch in der Medizintechnik und der Green Economy scheinen sie unverzichtbar zu sein. Aufgrund ihrer Kohlenstoff-Fluor-Bindung sind sie extrem stabil gegenüber Hitze und Chemikalien. PFAS können in der Umwelt deswegen nicht abgebaut werden, sondern verteilen und reichern sich an.
Ein weiteres großes Problem von PFAS ist ihre Bioakkumulation, das bedeutet, dass sich diese Chemikalien im menschlichen Körper und in Tieren anreichern können; mit langfristigen gesundheitlichen Folgen. So wird das Krebsrisiko erhöht. PFAS können hormonelle Störungen verursachen, darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass PFAS mit Lebererkrankungen, Cholesterinproblemen und Störungen der Schilddrüsenfunktion in Verbindung stehen könnten. Das Umweltbundesamt hat festgestellt, dass bereits Kinder und Jugendliche zu viel PFAS in ihrem Blut haben.
Wie kamen PFAS auf die Äcker in Mittelbaden?
Die Ursache der großflächigen PFAS-Belastung ist nach heutigen Erkenntnissen auf die Aufbringung von mutmaßlich PFAS-haltigen Papierschlamm-Kompost-Gemischen auf die Felder zurückzuführen. Ein Komposthändler aus der Region hatte Papierschlämme aus 14 verschiedenen Papierfabriken angenommen, nachgewiesen wurden 106.000 Tonnen in den Jahren 2006-2008. Darunter waren auch Recyclingschlämme, was damals wie heute gegen die geltende Bioabfall- und Düngemittelverordnung verstieß.
Heute sind 1.105 Hektar Böden mit einer PFAS-Mischung belastet. Die Chemikalien gelangen aus den Böden in das Grundwasser und breiten sich mit dem Grundwasserstrom weiter aus. Nach Einschätzung des Technologiezentrums Wasser (TZW) in Karlsruhe sind davon rund 490 Millionen Kubikmeter Grundwasser belastet – das entspricht in etwa der Menge Trinkwasser, die ganz Baden-Württemberg in einem Jahr verbraucht. Oberflächengewässer und Angelseen sind ebenfalls betroffen.
Was bedeutet dies für die Tierwelt in der Region?
In der Region wurden bei zahlreichen Tierarten Belastungen mit PFAS festgestellt. Besonders betroffen sind Fische – und damit möglicherweise auch Fischadler, die nach rund 150 Jahren Abwesenheit inzwischen wieder in der Gegend brüten. Zudem hat die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg PFAS in den Eiern von Wanderfalken gefunden.
PFAS sind ebenfalls bei Wildtieren nachweisbar. Ebenso werden Nutztiere regelmäßig kontrolliert. So mussten zum Beispiel Hühnereier untersucht werden, nachdem PFAS-Rückstände entdeckt wurden. Zudem ist bekannt, dass auch Otter betroffen sind.
Was unternimmt Mittelbaden gegen die Belastung?
- Die Behörden und Betroffenen haben in den vergangenen Jahren Wege gefunden, die Folgen der Belastung zu managen. Eine wirkliche Lösung gibt es leider nicht (Stand Juni 2025), denn eine Sanierung von 1.105 Hektar Boden ist nicht möglich.
- Deswegen gibt es Anbauempfehlungen für die Landwirte und die Feldfrüchte werden im Vor-Ernte-Monitoring kontrolliert. Die Beregnungsbrunnen der Landwirte dürfen ebenfalls festgelegte PFAS-Konzentrationen nicht überschreiten.
- Den privaten Anglern wird empfohlen, den Fisch nur in sehr geringen Mengen zu verzehren.
- Alle Trinkwasserversorger der Region haben Reinigungssysteme eingebaut beziehungsweise sich durch Verbundleitungen verknüpft. Dadurch hält das Trinkwasser schon jetzt die kommenden PFAS-Grenzwerte ein, die ab Januar 2026 EU-weit gelten.
- In den Abläufen der Kläranlagen hat man PFAS gemessen; deswegen werden alle großen Kläranlagen der Region mit einer vierten Reinigungsstufe (Aktivkohle) nachgerüstet, um die Chemikalien zu entfernen.
- Auch Bauprojekte können betroffen sein wie z.B. der Rastatter Tunnelbau der Deutschen Bahn. Aber es kann auch Privatleute mit dem Bodenaushub genauso betreffen; die belasteten Böden müssen teuer auf Spezialdeponien gelagert werden.
- Kieswerke müssen ebenfalls umplanen, wenn sie genauso von PFAS-belasteten Böden betroffen sind und nach wirtschaftlichen Lösungen suchen müssen.
Warum sind die PFAS nicht verboten?
Das ist leichter gesagt als getan. Einige PFAS sind bereits verboten. Bei anderen ist man auf einem Weg dorthin. Vor zwei Jahren haben fünf europäische Länder (darunter auch Deutschland) bei der europäischen Chemikalienagentur ECHA einen Beschränkungsvorschlag für die gesamte Gruppe der PFAS eingereicht. Es soll natürlich Ausnahmen für die Anwendungen geben, bei denen man PFAS heute noch nicht ersetzen kann wie zum Beispiel in medizinischem Equipment, bei Schutzkleidungen oder bei der Green Economy. Die Industrie ist gegen den Vorschlag in der eingereichten Form und möchte ganze PFAS-Gruppen davon ausnehmen. Das Ergebnis muss man abwarten.
Was macht die Landesregierung, um PFAS zurückzudrängen?
Das kommt ganz darauf an, welche Ministerien man betrachtet. Eigentlich gab es eine gemeinsame Position der Landesregierung zum europäischen PFAS-Beschränkungsvorschlag, die im Sommer 2023 erarbeitet wurde. Darin begrüßte man die Beschränkung, aber es sollte Ausnahmen für PFAS-Anwendungen geben, die noch nicht ersetzt werden können. Der Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut reichte das aber nicht aus. Sie befürchtete Nachteile für den Standort Europa und hat sich deswegen von der gemeinsamen Position der Landesregierung verabschiedet.
Das Umweltministerium finanziert außerdem Forschungsprojekte zu PFAS, um mehr über die Belastungen in Mittelbaden und anderswo sagen zu können. Das Sozialministerium hat Blutuntersuchungen von den Betroffenen in Mittelbaden durchgeführt. Das Landwirtschaftsministerium finanziert unter anderem die Untersuchungen der landwirtschaftlichen Produkte in Mittelbaden.
Zur Autorin
Patricia Klatt ist Diplom-Biologin, freiberufliche Wissenschaftsjournalistin und Lehrbeauftragte am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Sie wohnt in Bühl – mitten im PFAS-Hotspotgebiet. Seit 2014 beschäftigt sie sich intensiv mit der PFAS-Problematik in Mittelbaden. Für ihre Recherche zu den Ewigkeitschemikalien hat sie Daten gesammelt, ausgewertet, Betroffene begleitet und Behörden sowie Unternehmen kritisch befragt. Mehr unter: https://pfas-dilemma.info/patricia-klatt
NABU-Tipps zur Vermeidung von PFAS im Alltag
- Manchmal steht PFAS-frei oder PFC-frei auf den Jacken, Schirmen oder Pfannen. Sachen mit der Erklärung PFOA-frei sollte man meiden, weil das lediglich besagt, dass dort eins von rund 15.000 PFAS nicht enthalten ist.
- Das Umweltbundesamt hat eine App entwickelt, Scan4Chem, mit der man mit Hilfe des QR-Codes eine Mail an die Firmen schreiben kann, um zu erfragen, ob dort PFAS enthalten sind.
- In entsprechenden Apps kann überprüft werden, ob in Kosmetika PFAS enthalten sind