Quagga-Muschel in Überlingen. - Foto: Ina Siebert/NABU-naturgucker.de
Die Quaggamuschel...
... und ihre Auswirkungen auf das Ökosystem am Bodensee




Quagga-Muscheln in Konstanz-Wallhausen. - Foto: Ina Siebert/NABU-naturgucker.de
Sie hat sich in den letzten Jahren im Bodensee rasant ausgebreitet – mit gravierenden Folgen. Ursprünglich aus dem Schwarzmeerraum eingeschleppt, bedroht sie das sensible Ökosystem des Sees.
Herkunft und Eigenschaften der Quaggamuschel
Die Quaggamuschel mag auf den ersten Blick unscheinbar wirken, doch ihre biologischen Besonderheiten und ihre Verbreitungsstrategien machen sie zu einem faszinierenden und folgenschweren Forschungsobjekt. Ursprünglich stammt sie aus dem Aralsee und dem Schwarzmeerraum. Sie fühlt sich in Süß- und Brackwasser besonders wohl und setzt sich am Untergrund fest – ähnlich wie Austern. Dafür nutzt die Muschel sogenannte Byssusfäden, mit denen sie sich sowohl an harte als auch weiche Substrate festhalten kann. Durch diese Fähigkeit können ganze Muschelbänke entstehen. Da sie mit einem „Fuß“ ausgestattet ist, bleibt die Quagga-Muschel beweglich. In ihrer Larvenphase ist sie hingegen freischwebend. Um Nahrungsteilchen aus dem Wasser zu filtern, erzeugt die Muschel einen kontinuierlichen Wasserstrom. Besonders interessant ist ihr Fortpflanzungsverhalten: Ihr bevorzugter Temperaturbereich liegt zwischen 8°C und 15°C. Bereits ab einer Wassertemperatur von 4°C kann die Quaggamuschel Nachwuchs produzieren, was eine fast ganzjährige Reproduktion ermöglicht.
Aussehen, Lebenserwartung und Verwechslungsgefahr
Die Quaggamuschel besitzt eine gerundete annährend dreieckige Schale, mit einem variablen dunklem Linienmuster und einer Wölbung an der Unterseite. Die Färbung reicht von milchigem Beige bis hin zu Dunkelbraun. Häufig weist sie eine deutliche Längsstreifung auf und besitzt einen Wirbel am Vorderende. Die Schalenhälften der Muschel sind von der Bauchseite her betrachtet asymmetrisch zueinander und der Schalenrand ist wellenförmig. Die abgerundete, bauchige Seite ist nicht deutlich kantig. Sie kann eine Größe von bis zu 40 mm erreichen und wird etwa drei bis fünf Jahre alt. Wissenschaftler gehen jedoch auch davon aus, dass Quaggamuscheln, welche in großen Tiefen amerikanischer Seen eingebracht wurden, bereits mehr als 25 Jahre alt sind. Die Quaggamuschel kann leicht mit ihrer nächsten Verwandten der Zebramuschel, auch Wandermuschel oder Dreikantmuschel, genannt (Dreissena polymorpha), verwechselt werden. Diese ist ebenfalls nicht einheimisch und seit den 1960er Jahren am Bodensee zu finden.
Vergleich Quagga- und Zebramuschel
Quaggamuschel (Dreissena rostriformis bugensis) | Zebramuschel (Dreissena polymorpha) | |
---|---|---|
Aussehen | Dreieckige Schale mit variablen dunklem Linienmuster, nicht deutlich kantig, schließt leicht „S“-förmig | Eine kantige Seite, tendenziell deutlicheres Zick-Zack-Muster, schließt mit beiden Schalenhälften in einer geraden Linie | Größe | Bis zu 40 mm | Bis zu 40 mm | Larven | Äußerlich nicht zu unterscheiden, ganzjährig in Tiefen von bis zu 250 m nachweisbar | Äußerlich nicht zu unterscheiden, kommt in Tiefen von ca. 40 m vor | Herkunft | Schwarzes Meer und Kaspisches Meer | Schwarzes Meer und Kaspisches Meer | Am Bodensee | Invasive Art, erster Nachweis 2016 im Bodensee | Invasive Art, seit 1960 am Bodensee aufzufinden |
Die Quaggamuschel am Bodensee: Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung und das Nahrungsnetz
2016 wurde die Quaggamuschel zum ersten Mal am Bodensee nachgewiesen. Nur ein Jahr später kam es zu einer massiven Ausbreitung, da im Bodensee optimale Temperaturverhältnisse herrschen und die Quaggamuschel sich das gesamte Jahr über vermehren kann. Die ganzjährig vorkommenden Larven sind freischwebend und verbreiten sich mit der Wasserströmung im See. Mittlerweile ist die Quaggamuschel mit ihren Larven, anders als die Zebramuschel, überall im See zu finden und wurde bereits in einer Tiefe von 250 Metern gefunden.
Da die Quaggamuschel auch in Tiefen der Wasserentnahme von etwa 60 m vorkommt, stellt sie eine Herausforderung für die Trinkwasserversorger am Bodensee dar. Der Bodensee versorgt etwa vier Millionen in rund 320 Städten und Gemeinden mit Trinkwasser. Die Trinkwasserqualität wird durch die Muschel allerdings nicht beeinträchtigt, da sie beim Aufbereiten des Wassers entfernt werden. Allerdings setzt sie sich an den Saugrohren fest, was zu einer Verstopfung der Leitungen und dadurch zu aufwendigen und kostenintensiven Reinigungen führt.
Die Auswirkungen, welche die Quaggamuschel auf das Ökosystem am Bodensee hat, werden derzeit im Seewandel-Projekt wissenschaftlich untersucht. Es wird angenommen, dass die Quaggamuschel das Nahrungsnetz am Bodensee beeinflusst und durcheinander wirbeln könnte, womöglich zum Leidwesen einiger Fischarten. Auch der Klimawandel mit steigenden Temperaturen stellt für die Artenvielfalt im Bodensee eine Herausforderung dar, da das Seewasser schlechter durchmischt und damit zu wenig Sauerstoff in der Tiefe angereicht wird.
Im Interview erläutert Dr. Piet Spaak, Experte für Aquatische Ökologie am Bodensee, warum die Quaggamuschel für den Bodensee ein Problem darstellt und was jede*r gegen eine weitere Verbreitung tun kann. Spaak leitet das Projekt SeeWandel-Klima an der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag) in Dübendorf (Schweiz). Dieses untersucht die Folge des Klimawandels auf das Ökosystem Bodensee unter Einbezug der Auswirkungen invasiver Arten mit dem Ziel einer nachhaltigen Nutzung. Weitere Infos: www.seewandel.org
Ist die Quaggamuschel für den Menschen gefährlich?
Im Prinzip nicht: Sie sind nicht giftig und filtert das Wasser. Wer allerdings barfuß baden geht, könnte sich an den scharfen Kanten der Muschel die Füße aufschneiden. Die Gefahr steigt, weil die Mengen an Muscheln sehr groß sind. Mein Tipp: Trage immer Badeschuhe, wenn du in einen Quagga-befallenen See steigst!
Wie gelangte die Quaggamuschel in den Bodensee?
Wir wissen sicher, dass der Mensch sie eingeschleppt hat. Weil dieselbe Quaggamuschel auch im Rhein entdeckt wurde, vermuten wir, dass sie am Rumpf von Schiffen haftend in den Bodensee gelangte. Die Larven der Muschel sind nur ein Zehntel Millimeter groß und können zum Beispiel auch in Pfützen auf dem Boot mitgeschleppt werden. Wasservögel als Ursachen können wir nahezu ausschließen, weil die in der Schwarzmeerregion heimische Quaggamuschel sonst in vielen anderen Flüssen und Seen aufgetaucht wäre. Das Verbreitungsmuster ist nachvollziehbar: Mit großen Frachtern ist sie in gigantischen Ballastwassertanks etwa nach Nordamerika gelangt.
Warum ist die Quaggamuschel im Bodensee ein Problem?
Es gibt zwei Probleme: Die Muschel ist ein sehr effektiver Filtrierer. Was die Muschel an Plankton frisst, steht nicht mehr für Wasserflöhe und andere Kleinstlebewesen zur Verfügung. Auch viele Fische im Freiwasser, wie die Felchen, fressen das Plankton. Ihnen fehlt dann wichtige Nahrung. Und die Wasserflöhe sind Nahrung für andere Tiere, wie Barsche oder Rotaugen.
Das zweite Problem: Quaggamuscheln wachsen auf harten Substraten selbst in kaltem, sauerstoffhaltigem Wasser. Anders als die gebietsfremde Zebramuschel können sie selbst in 250 Metern Tiefe überleben. Dort können sie in Rohre eindringen und diese verstopfen – diese zu reinigen oder neu zu bauen kostet Millionen. Die Bodenseewasserversorgung plant derzeit ein neues Werk und muss ihre Ansaugrohre fürs Trinkwasser quaggasicher bauen.
Wie weit verbreitet ist die Quaggamuschel am Bodensee?
Am Obersee gibt es Flachwasserbereiche, in denen die Muschel aufgrund des Sauerstoffmangels im Sommer nicht überleben kann. Aber ansonsten hat sie die in den 60er Jahren eingeschleppte Zebramuschel aus allen Teilen des Sees verdrängt. Wenn wir nicht aufpassen, werden wir die Quaggamuschel auch in andere Seen verschleppen, die bisher noch frei von ihr sind.
Gibt es eine Chance, dass die Quaggamuschel wieder verschwindet?
Die Quaggamuschel steht auf dem Speiseplan verschiedener Fische. Aber durch die schiere Masse an Muscheln gerät das Ökosystem aus dem Gleichgewicht. In Nordamerika lebt die Quaggamuschel in den tiefen Seen ohne natürliche Feinde seit 30 Jahren. Die Chance, dass sie daraus von allein verschwindet, ist gleich null. Es gibt Seevögel, die die Quaggamuscheln fressen – aber sie sind schlicht überfordert aufgrund des Überangebots.
Lässt sich die Quaggamuschel für uns Menschen zubereiten?
Weil sie sehr klein ist, lohnt es sich kaum, sie als Nahrung zu nutzen. Aber essbar ist sie schon.
Kann man die Muscheln mechanisch aus dem See entfernen?
Nein, wird die erste Muschel entdeckt, sind bereits tausende im See. Man müsste das Gewässer komplett austrocknen. Viele Schweizer Kantone haben eine Bootreinigungspflicht eingeführt, um den Ein- und Austrag gebietsfremder Arten zu verhindern – die gibt es leider noch nicht rund um den Bodensee. Das ist sehr schlimm.
Was kann jede und jeder einzelne tun?
Den Bodensee werden wir wohl wir nicht mehr quaggafrei bekommen. Aber wer ein Boot im Bodensee besitzt und dieses auswassert, sollte verpflichtet sein, es vorher so zu reinigen, dass keine Quaggamuschel oder -larve mitreist. Auch über Tauchanzüge, Standup-Paddels oder Kanus können wir Menschen weitere Arten in den See einschleppen oder die Quaggamuschel aus dem See heraus in andere Gewässer einbringen. Um das zu vermeiden, gilt: Boote gut abspritzen, anhaftende Muscheln entfernen oder die Gegenstände einige Zeit gut durchtrocknen lassen. Dann sterben Muscheln und deren Larven ab. Bootsbesitzende haben eine Verantwortung, auch wenn es aktuell keine Bootreinigungspflicht im deutschen Teil des Bodensees gibt. Diese sollte aber dringend kommen.
Informationen und aktuelle Forschungsergebnisse zur Quaggamuschel

Auch die Grobgerippte Körbchenmuschel (Corbicula fluminea) ist eine eingeschleppte Muschelart am Bodensee. - Foto: Urs-Victor Peter/NABU-naturgucker.de
Ausblick in die Zukunft –
so könnte die Quaggamuschel den Bodensee verändern
Die Quaggamuschel bereitet ökonomische Schäden im Millionenbereich in der Schweiz, aber auch bei der Wasserversorgung am Bodensee. Sowohl der Genfersee, der Neunburgersee, der Zürichsee, der Zugersee als auch der Vierwaldstättersee sind bereits von der invasiven Muschel befallen. Auch der Rhein und die Aare sind betroffen. Verursacht durch eine vermehrte Ausbreitung in tieferen Bereichen der Seen, gehen wissenschaftliche Untersuchungen davon aus, dass die Quaggamuschel-Masse pro Quadratmeter im Bodensee in den nächsten zwei Jahrzehnten voraussichtlich um das Neun- bis Zwanzigfache zunehmen wird. Nordamerikanische Seen, in denen sich die Quagga-Muschel schon längere Zeit ausbreitet, liefern einen Einblick in die Zukunft des Bodensees. Laut Schätzungen der Bodensee-Wasserversorgung, ist der Bodensee circa 15 Jahre von der Situation am US-amerikanischen Lake Michigan entfernt. Dort stellt die Muschel rund 90-95 Prozent der vorhandenen Biomasse dar. Das bedeutet, dass sie die meisten Nährstoffe des Sees nutzt und so das Nahrungsnetz grundlegend verändert hat. Viele Berufsfischer mussten am Lake Michigan aufgeben, da es nicht mehr genügend wirtschaftlich bedeutende Fischarten gab. Ob allein die Quaggamuschel dafür verantwortlich war ist noch unklar, da es weitere Veränderungen im See gab.
Es ist jedoch damit zu rechnen, dass die Quaggamuschel zusammen mit anderen Faktoren wie dem ebenfalls eingeschleppten Stichling und der Klimaerwärmung zu einer ernsthaften Bedrohung der Artenvielfalt im Bodensee führen kann. Nach momentanem Stand gibt es keine Bekämpfungsmaßnahmen gegen die Quaggamuschel am Bodensee, die ökologisch und ökonomisch sinnvoll sind. Um eine weitere Verbreitung der Muschel zu verhindern, sind deshalb präventive Maßnahmen wichtig. Ab jetzt gilt: Boote, Luftmatratzen und Co. gründlich reinigen, wenn Sie den See verlassen und in andere Gewässer fahren. So werden weitere Seen und Gewässer vor der invasiven Muschel geschützt.