Die „Vorzugsvariante 1g“ droht das grüne Band im Tannbachtal und Steinlachtal zwischen Bodelshausen und Nehren zerschneiden. - Foto: Hans Wener
B 27-Ausbau: Endelbergtrasse 1g nicht die Lösung
NABU und BUND sind für umweltverträglichere Variante

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Der geplante Straßenbau würde hochwertige europäische Schutzgebiete und streng geschützte Tierarten massiv beeinträchtigen. - Foto: Claudia Rüll Calame-Rosset
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Der geplante Straßenbau würde hochwertige europäische Schutzgebiete und streng geschützte Tierarten massiv beeinträchtigen. - Foto: NABU/CEWE/Friedmann Tewald
Worum geht es beim Ausbau der B 27?
Die Bundesstraße zwischen Bodelshausen und Nehren soll zur Verkehrsentlastung ausgebaut werden. Bereits 1975 begann das erste Linienfeststellungsverfahren dazu. Mehrere Trassenvarianten wurden seitdem diskutiert und geprüft. Ein Aktionsbündnis aus verschiedenen Parteien, Verbänden, Vereinen, Bürgerinitiativen, Landwirt*innen und Privatpersonen kämpft seit mehr als 45 Jahren gegen den Ausbau der B27 auf der „Endelbergtrasse“.
Der geplante vierspurige Aus- und Neubau, mit je zwei Spuren pro Fahrtrichtung, wird im Bedarfsplan für Bundesfernstraßen unter „vordringlicher Bedarf, Lückenschluss“ aufgeführt. Begründet wird er mit der erheblichen Beeinträchtigung der Wohn- und Aufenthaltsqualität entlang der Ortsdurchfahrt, kritischen Verkehrszuständen und einer eingeschränkten Ortsentwicklung.
Die knapp sieben Kilometer lange Ausbaustrecke ist von allen geprüften Trassenvarianten die mit den gravierendsten negativen Auswirkungen auf unsere Natur, die Arten und das Klima. Dennoch hält die Planfeststellungsbehörde es aus verschiedenen Gründen – allen voran Kostengründe – für angemessen, sich auf diese Variante festzulegen. Dementgegen setzen sich die Verbände für zukunftsfähige Mobilitätskonzepte und umweltverträglichere Ausbauvarianten ein.
Warum klagt der NABU?
Im Dezember 2024 hat das Regierungspräsidium (RP) Tübingen die „Endelbergtrasse“ planfestgestellt. Mit diesem Planfeststellungsbeschluss hält die Behörde trotz deutlicher Kritik an der von ihr bevorzugten Variante eines vierspurigen Straßenneubaus fest. Von allen geprüften Ausbauvarianten wurde damit die mit Abstand naturschädlichste gewählt: 14 Brücken, Zubringer und Betonpfeiler sollen sich durch das grüne Band im Tannbachtal und Steinlachtal zwischen Bodelshausen und Nehren ziehen. Den Ausbau sieht der Verkehrswegeplan seit fast einem halben Jahrhundert vor. Die Wahl der Trasse ist mehr als unzeitgemäß. Dass es heute schlechter denn je um die Artenvielfalt steht berücksichtigt die Planfeststellungsbehörde in ihrer Variantenprüfung kaum.
Was spricht aus Naturschutzsicht gegen die „Endelbergtrasse“?
Die Trasse würde das grüne Band im Tannbachtal und Steinlachtal zwischen Bodelshausen und Nehren zerschneiden. Die Folgen:
- Schutzgebiete (Natura 2000, FFH, Vogelschutz) sind betroffen
- Verlust wertvoller Lebensräume, darunter Feuchtbiotope und Streuobstwiesen
- Verlust landwirtschaftlicher Flächen
- Gefährdung streng geschützter Arten, darunter beispielsweise: Feldlerche, Haselmaus, Zauneidechse, Fledermäuse, Wanstschrecke
- Beeinträchtigungen von Klimaschutz, Grundwasser, Luftqualität und Lärmbilanz
- Induzierter Verkehr: Erleichterungen für den motorisierten Individualverkehr bremsen die Entwicklung und Umsetzung nachhaltiger Mobilitätskonzepte
Wie geht es nun weiter?
Das Regierungspräsidium Tübingen (RP) hat auf Antrag der Umweltverbände die sofortige Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses weitestgehend ausgesetzt (siehe hierzu Pressemitteilung des RP vom 25.02.2025). Nun liegt der Fokus auf dem Klageverfahren. Eine ausführliche Klagebegründung haben NABU und BUND fristgerecht im Mai 2025 eingereicht.
Die Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit ermöglicht eine sorgfältige Prüfung durch das Gericht. Der Sofortvollzug wurde nur teilweise beibehalten, etwa für vorbereitende Maßnahmen wie die Schaffung von Ersatzlebensräumen. Dies soll sicherstellen, dass die Ersatzlebensräume zur Verfügung stehen, bevor schwerwiegende Eingriffe in den Naturhaushalt erfolgen dürfen.
Pressemitteilung vom 22. Mai zur Klagebegründung:
Die fachliche und juristische Prüfung der sogenannten „Endelbergtrasse“ fällt für die Verbände NABU und BUND eindeutig aus: Der geplante Aus- und Neubau der B27 im Steinlachtal zwischen Bodelshausen und Nehren (Kreis Tübingen) verstößt für sie gegen nationales und europäisches Umwelt-, Natur- und Klimaschutzrecht. Auf 230 Seiten sowie in einem 200-seitigen Fachgutachten haben die Rechtsanwälte von PNT Partner (Frankfurt/Hamburg) zusammen mit den Fachgutachtern und Dipl.-Biologen Engelsing & Schmoll (Leipzig) für die Naturschutzverbände die Begründung ihrer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss ausgearbeitet und am 9. Mai fristgerecht dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim vorgelegt.
Im Zuge der Ausarbeitung der Klagebegründung hatten sich die Anwälte und Gutachter*innen vor Ort mit haupt- und ehrenamtlichen Umweltschützer*innen von BUND und NABU ein eigenes Bild der betroffenen Flächen entlang der geplanten Trasse gemacht.
Stärkere negative Effekte auf geschützte Lebensräume
Im Zentrum ihrer Kritik steht, dass bei der Trassenplanung eine Vielzahl an besonders geschützten Lebensräumen, Biotopen und Tierarten durch die „Endelbergtrasse“ deutlich gravierender betroffen werden als die Planer des Regierungspräsidiums Tübingen dies annehmen. Die juristische und naturschutzfachliche Prüfung hat ergeben, dass insbesondere EU-Vorgaben zum Schutz von Flachland-Mähwiesen, Hochstaudenfluren und Auenwäldern sowie von Fledermäusen, Vögeln und Amphibien verletzt werden. Das von der Planung betroffene FFH-Schutzgebiet „Albvorland bei Mössingen und Reutlingen“ wurde demnach fachlich falsch abgegrenzt: Wesentliche, zum Teil sogar die wertvollsten, Biotopflächen, die durch den Bau beeinträchtigt werden, wurden rechtswidrig aus der Schutzgebietskulisse herausgehalten. Die Belange von besonders und streng geschützten Arten wurden seitens der Planungsbehörde unzureichend ermittelt und fehlerhaft bewertet. Dies gilt sowohl innerhalb als auch außerhalb der beiden von der Trassenplanung betroffen Natura 2000-Gebiete.
Bei der Bewertung der Auswirkungen auf besonders geschützte Arten und Gebiete – wie sie im nationalen und europäischen Umweltrecht festgelegt sind – wurden grundlegende Fehler gemacht. Diese wirken sich unmittelbar auf die Ausnahmeprüfungen und -entscheidungen des Regierungspräsidiums aus, da die Betroffenheiten wertvoller Natur- und Umweltbestandteile durch die Planungsbehörde bei Weitem unterschätzt wurden. Somit ist die Planung der Ausgleichs- und Kohärenzerhaltungsmaßnahmen deutlich defizitär. Da die „Endelbergtrasse“ weitaus schwerwiegender in wertvolle Bestandteile von Natur und Umwelt eingreift, hätte diese bei der Alternativenprüfung ausgeschlossen werden müssen.
Falsche Gewichtung der Tunnelvarianten
Vor diesem Hintergrund hätten die Vorteile der Tunnelvarianten in der Gesamtbetrachtung und -abwägung ein noch stärkeres Gewicht bekommen müssen. Hinzu kommt, dass die für die Tunnel geltend gemachten Mehrkosten und der Kostenvergleich mit Blick auf andere Varianten in mehrfacher Hinsicht äußerst frag- und kritikwürdig sind.
Rechtswidrige Prüfung von Klimaschutzbelangen
Die Verbände kritisieren außerdem die unzureichende Berücksichtigung der Klimaschutzbelange und des Klimaschutzrechts, insbesondere die Klimabilanz und die Klimaschutzziele. So ist die Berechnung der CO₂-Emissionen des Projekts unvollständig. Wichtige Emissionen aus Produktion und Bereitstellung von Energie („Well-to-Tank“-Emissionen) fehlen vollständig. Die Auswirkungen des Projekts auf gesetzliche Klimaschutzziele für 2030 und darüber hinaus wurden nicht ausreichend geprüft. Auch klimafreundlichere Alternativen, unter anderem Tunnelbauten, wurden teilweise nur in umständlichen Ausführungsvarianten geprüft und dann ausgeschlossen. Die Berechnungsgrundlagen für die Klimawirkung des Projekts stammen aus veralteten Leitlinien des Verkehrsministeriums. Neue wissenschaftliche Standards, wie sie die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) entwickelt hat, fanden keine Anwendung oder wurden nur oberflächlich erwähnt. Dass die Klimaschutzbelange in der Planung unzureichend berücksichtigt wurden, ist rechtswidrig.
Flächenversiegelung nicht ausgeglichen
Auch der Naturverlust wird durch die Planungsbehörde unterschätzt: Wälder und Böden, die bislang CO₂ speichern, sollen dauerhaft versiegelt werden, ohne ausreichenden Ausgleich. Dies führt zu zusätzlichen Emissionen und untergräbt den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das Projekt stützt sich auf einen alten Bedarfsplan, der laut Gesetz längst hätte überprüft und an den Klimaschutz angepasst werden müssen. Diese Pflicht wurde versäumt.
Die Engelbergtrasse kann als ungünstigste Variante eines ohnehin mindestens zu Teilen rechtwidrigen Verfahrens betrachtet werden. Der Planfeststellungsbeschluss erweist sich damit aus Sicht der Verbände aus mehreren, selbständig tragenden Gründen als rechtswidrig.
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Weitere Informationen:
NABU: www.NABU-Bezirk-Neckaralb.de/aktuelles-berichte/ausbau-b27-steinlachtal
BUND: www.bund-neckar-alb.de/positionen-pm/mensch-umwelt/b27-plnafestellungsverfahren-im-steinlachtal/
„bündnis nachhaltige mobilität STEINLACHTAL e.V.“: https://b27neu.de/
Pressemitteilung des RP Tübingen vom 25.2.25
BUND und NABU reichen beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim eine Anfechtungsklage gegen den Planfeststellungsbeschluss zur B27-Endelbergtrasse zwischen Bodelshausen und Nehren im Landkreis Tübingen ein. Unterstützt werden sie dabei vom „bündnis nachhaltige mobilität – STEINLACHTAL“ und vom Landesnaturschutzverband (LNV). Mehr →