Volksantragsablehnung ist schwerer Rückschlag
Initiative „Ländle leben lassen“: Flächenfraß beenden
Der enorme Flächenverbrauch in Baden-Württemberg geht erst mal weiter. Landesregierung und Opposition haben den Volksantrag „Ländle leben lassen“ mit großer Mehrheit abgelehnt. Das ist ein schwerer Rückschlag für die Natur, die Artenvielfalt und unsere Lebensqualität. Und erstaunt umso mehr, da unser Volksantrag zum Ziel hatte, das im Koalitionsvertrag verankerte Ziel, den Flächenverbrauch kurzfristig auf 2,5 Hektar pro Tag zu halbieren und bis 2035 auf Netto-Null zu reduzieren, in die Praxis umzusetzen. „Die Landesregierung sollte bei schwierigen Aufgaben, wie dem Flächensparen, mehr Mut und Führung beweisen. Unbebaute Natur und landwirtschaftliche Flächen zu schützen, sollte gerade für diese Regierung selbstverständlich sein – wir brauchen die Flächen für unsere Ernährung, für den Artenschutz und als Helfer im Klimawandel“, betont der NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle.
Stärkere Impulse der Landesregierung zum Flächensparen nötig
Im Gegensatz zum Volksbegehren „Rettet die Bienen“, bei dem sich Initiatoren und Politik auf Eckpunkte geeinigt haben, gibt es beim Volksantrag zum Flächenschutz bisher keinerlei Versuche von Landtag oder Landesregierung, mit den Trägerinnen und Trägern des Volksantrages eine sinnvolle Alternative auszuarbeiten. „Die Formulierungen im Entschließungsantrag der beiden Regierungsfraktionen sind wachsweich. Eine Aufforderung zum Handeln sieht anders aus. Wir brauchen stärkere Impulse zum Flächensparen, denn weiterhin werden täglich etwa fünf Hektar unbebaute Fläche in Bauland verwandelt. Es ist höchste Zeit zu handeln“, so Enssle.
Flächenkontingent schafft Sparanreiz
Als Teil der Initiative „Ländle leben lassen“ forderte der von mehr als 20 Organisationen getragene Volksantrag die Landesregierung dazu auf, zügig einen Maßnahmenkatalog zum Flächenschutz vorzulegen und umzusetzen, damit die Ziele aus dem Koalitionsvertrag, den Flächenverbrauch kurzfristig auf 2,5 Hektar pro Tag zu halbieren und bis 2035 auf Netto-Null zu senken, noch in dieser Legislaturperiode erreicht werden können. Alles andere verspielt aus Sicht des NABU die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in die Politik. Der Aktionsplan Flächensparen, den das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen erarbeitet hat, ist ein wichtiger Zwischenschritt. Ohne ein Flächenkontingent fehlt aber der Anreiz zum Sparen. Damit der hohe Flächenverbrauch, der insbesondere im ländlichen Raum stattfindet, sinkt, braucht es ein Umdenken, auch in den Gemeinderäten. Gebraucht werden vor allem günstige Mietwohnungen, die meist gar nicht entstehen. In denselben Dörfern, in denen alle paar Jahre neue Einfamilienhausgebiete ausgewiesen werden, stehen oft Häuser und Wohnungen leer, bleiben vorhandene Baulücken ungenutzt und andere Verdichtungspotenziale werden nicht ausgeschöpft.
Flächenschutz ist Klimaschutz
Natur und Landwirtschaftsflächen für kommende Generationen zu bewahren – dieses Ziel ist nicht neu. Die CDU hatte sich die Netto-Null bereits unter Ministerpräsident Günther Oettinger ins Regierungsprogramm geschrieben. Passiert ist danach wenig. Die Grünen sind mit dem Slogan „Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt“ 1983 erstmals erfolgreich in den Bundestag eingezogen. „Eine Rückbesinnung auf einstige Werte und Ziele wäre beim Flächenschutz angebracht“, so Enssle. Bauen, vor allem mit Beton, ist energieintensiv und verursacht sehr viel CO2. Flächenschutz ist daher auch Klimaschutz.
Hintergrund: Ziel des Volksantrags „Ländle leben lassen", einer Initiative von über 20 Naturschutz- und Landwirtschaftsverbänden in Baden-Württemberg, war es, die Landespolitik zu wirksamen Maßnahmen gegen den Verlust wertvoller Lebensräume und landwirtschaftlicher Flächen zu bewegen. Mit über 53.000 Unterschriften hatte der Antrag das erforderliche Quorum erreicht, sodass sich der Landtag mit dem Anliegen befassen musste. Der Antrag wurden am 17. Juli 2024 durch den Landtag angelehnt.
Drei Fragen zum Volksantrag an Johannes Enssle, NABU-Landesvorsitzender
Was hatte sich der NABU vom Volksantrag „Ländle leben lassen“ versprochen?
Wir wollten die Landesregierung in die Pflicht nehmen, damit sie ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, den Flächenverbrauch mittelfristig auf 2,5 Hektar pro Tag und bis 2035 auf Netto-Null zu senken, wirklich einlöst. Sie sollte die Ziele verbindlich gesetzlich festschreiben. Die Ablehnung des Landtags, mit den Stimmen von Grünen und CDU, hat gezeigt: Es ist eine Sache, ambitionierte Ziele in einen Koalitionsvertrag zu schreiben, und eine andere, sie wirklich umzusetzen. Genau aus diesem Grund hatten wir den Volksantrag gestartet: Damit Grüne und CDU nicht vergessen, was sie zu Beginn ihrer Legislaturperiode versprochen haben.
Warum hat die Landesregierung den Volksantrag abgelehnt?
In einer Koalition müssen immer beide Partner zustimmen. Die CDU mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Manuel Hagel und Bauministerin Nicole Razavi wollte sich partout nicht auf verbindliche Flächensparziele einlassen. Hier wirkt sich möglicherweise auch der Führungswechsel an der CDU-Spitze aus. Offenbar fühlt sich der neue Chef der Partei nicht an diese Zusage seiner Partei aus den Koalitionsverhandlungen 2021 gebunden. Ein solcher Wortbruch wiegt schwer. Kurios auch, dass Manuel Hagel den fünf Initiatoren des Volksantrags, den Vorsitzenden von NABU, BUND, LNV und den Bauernverbänden LBV und BLHV, während der Phase des Volksantrages ein Gespräch zum Thema verweigerte. Wir sind jederzeit zu Gesprächen bereit. Wenn die Parteispitze der CDU es auch ist, freuen wir uns über sein Angebot.
Wie geht es jetzt weiter?
Wir werden weiterhin nicht jedes Baugebiet, nicht jede Streuobstwiesenrodung und nicht jeden Straßenneubau einfach so hinnehmen. Über den unwürdigen Umgang des Landtags mit unserem Anliegen sind wir enttäuscht, trotzdem hat der Volksantrag eine Debatte über den Flächenschutz angestoßen. Der Entschließungsantrag, den Grün-Schwarz als Alternative zum Volksantrag verabschiedet hat, umfasst nur zwei Punkte: Boden sei wichtig und man möchte künftig einen stärkeren Fokus auf das Thema Flächensparen setzen und dies im Landesentwicklungsplan berücksichtigen. Auch ein Aktionsplan sei dazu in Arbeit. Für uns klingt das wenig ambitioniert. Wir haben beim Unterschriftensammeln auf den Straßen des Landes gemerkt, dass sich viele über den Flächenverbrauch aufregen, aber zugleich befürchten, durch mehr Flächenschutz selbst eingeschränkt zu werden. Jetzt heißt es: Dran bleiben und die Menschen mit guten Argumenten gewinnen – etwas anderes bleibt uns im Naturschutz gar nicht übrig.
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