Klimaschutz und Energie
Miteinander: Naturschutz und Erneuerbare Energien
Der Ausstieg aus der atomaren und fossilen Energienutzung kann nur mit einem deutlichen Ausbau der erneuerbaren Energien bewältigt werden. Jegliche Bestrebungen, eine naturverträgliche Energiewende voranzubringen, scheitern jedoch, wenn nicht eine Aufgabe in den Fokus gerückt wird: Wir alle müssen Energie einsparen und effizienter nutzen.
Für den NABU steht fest: Die Energiewende ist dringend nötig, sie muss jedoch naturverträglich vollzogen werden – der Klimaschutz und der Schutz der Biologischen Vielfalt sind gleichrangige Ziele.
Bioenergie
Da Energie aus Biomasse unabhängig von Wetter, Jahreszeiten oder Tageszeit ist, kann sie ein wichtiges Standbein der Energiewende sein. Biogas und biogene Brennstoffe finden sowohl in der Strom- und Wärmeerzeugung wie auch als Kraftstoff Verwendung. Biogene Brennstoffe sind zum Beispiel Altholz, Gülle und Energiepflanzen wie etwa Mais und Raps.
Aktuell werden 6,6 Prozent der Bruttostromerzeugung in Baden-Württemberg mittels Biogas erzeugt und 0,94 Prozent aus festen und flüssigen, biogenen Brennstoffen. In der Wärmeerzeugung beläuft sich der Anteil am Endenergieverbrauch auf 10,92 Prozent aus biogenen Brennstoffen und 1,3 Prozent aus Biogas.
Der einseitige und intensive Anbau von Energiepflanzen weist jedoch einen vergleichsweise hohen Flächenverbrauch auf, der Großteil hierbei für Silomais. Damit entfallen wichtige Flächen für die Nahrungsmittelproduktion; die Flächenkonkurrenz verschärft sich.
Auch aus Naturschutzsicht stellt diese Entwicklung ein großes Problem dar. Mais-Monokulturen etwa bringen einen hohen Stickstoffeintrag in den Boden mit sich und Humus wird durch die intensive Bewirtschaftung abgebaut. Monokulturen benötigen oftmals einen hohen Einsatz von Pestiziden und wirken sich so negativ auf die Artenvielfalt in der Region aus. Eine Alternative zum Biogas-Mais bieten mehrjährige Wildpflanzenmischungen oder Silphie. Zahlreiche Vögel und Insekten finden in den Mischungen aus Sonnenblumen, Malven und vielen weiteren Blütenpflanzen Nahrung und Lebensraum.
Tiefe Geothermie
Der Erneuerbare Anteil der Wärmegewinnung liegt in Baden-Württemberg gerade einmal bei 15,6 Prozent. Die Tiefe Geothermie birgt im Südwesten Deutschlands insbesondere entlang des Oberrheins und in Oberschwaben aber ausbaufähiges Potential und könnte dabei helfen, die Energiewende auch zu einer Wärmewende zu machen. Aktuell werden in Baden- Württemberg 0,08 Prozent des Endenergieverbrauchs durch die Tiefe Geothermie erzeugt.
Bei der Tiefen Geothermie kann durch Bohrungen mit 400-5.000 Metern Tiefe die in der Erdkruste gespeicherte Wärmeenergie genutzt werden. Bei der Erdwärme unterscheidet man zwei Verfahren. Bei der hydrothermalen Tiefen Geothermie wird warmes Thermalwasser aus der Tiefe an die Oberfläche gepumpt. Nach einer Entnahme der Wärme, wird das abgekühlte Wasser über eine zweite Bohrung wieder in den Untergrund geleitet. Die so gewonnene Wärme kann durch eine Überführung in Nah- und Fernwärmenetze direkt genutzt oder zur Stromproduktion verwendet werden. Beim petrothermalen Verfahren stehen keine natürlichen Thermalwasservorkommen zur Verfügung. Zur Wärmegewinnung wird unter hohem Druck Wasser in das trockene Gestein gepresst, wodurch kleine Risse entstehen. Durch diese Risse zirkuliert das Wasser und erhitzt sich dabei. Mit einer zweiten Bohrung wird dieses Wasser anschließend an die Oberfläche gepumpt. Hinsichtlich der Umweltauswirkungen ist die petrothermale Geothermie kritischer zu bewerten als die hydrothermale Nutzung. Im Gegensatz zu Solar- und Windenergie ist die Tiefen Geothermie nicht jahres-, tages- oder wetterabhängig.
Da die Geothermie jedoch nicht frei von Umweltauswirkungen ist, besteht vor der Realisierung neuer Kraftwerke noch Forschungsbedarf. Besonders ein Einfluss auf Grundwasservorkommen und den Wasserhaushalt in der Region müssen in weiteren Planungsschritten untersucht werden. Der NABU setzt sich für eine Abkehr fossiler Brennstoffe im Wärmesektor ein und begrüßt daher die Forschung Erneuerbarer Methoden um die Klimaschutzziele des Landes zu erreichen.
Stromnetze
Um die Energiewende zu bewerkstelligen, ist ein Aus- und Umbau der vorhandenen Netzstrukturen notwendig. Nicht mehr große, zentrale Kraftwerke bestimmen die Stromversorgung von morgen, sondern viele, dezentrale Anlagen wie etwa Windkraft- oder Solaranlagen.
Bis vor einigen Jahren transportierten die Verteilnetze vor allem Strom von den übergeordneten Höchstspannungs-Übertragungsnetzen oder Großkraftwerken dorthin, wo er verbraucht wurde. Heute nehmen sie zusätzlich Strom aus dezentralen erneuerbaren Energiequellen auf. Weil die aktuelle Leitungskapazität der Verteilnetze dafür nicht ausreicht, können Engpässe im Netz entstehen, die einen Um- und Ausbau erforderlich machen.
Eine zügige Netzverstärkung oder ein Netzausbau beschleunigen demnach die Integration erneuerbarer Energien und das Gelingen der Energiewende. Gleichzeitig muss der Ausbaubedarf aus ökologischen und ökonomischen Gründen auf das Minimum begrenzt werden. Beim Betrieb und Bau von Freileitungen sind Kollisionen von Vögeln eines der schwerwiegendsten Probleme. Das Kollisionsrisiko hängt von Standort, artspezifischen Eigenschaften und verwendeten Masttypen ab. Ein besonders hohes Kollisionsrisiko entsteht, wenn Freileitungen Feuchtgebiete, Flusstäler, größere Gewässer oder Rast- und Überwinterungsgebiete queren. Bei Erdkabeln sind bau- und anlagenbedingt Auswirkungen auf Bodenökosysteme und Lebewesen und lokale Störungen des Wasserhaushalts sowie von Tieren im Trassenumfeld zu erwarten.
Um einen naturverträglichen Netzausbau zu bewerkstelligen stellt der NABU Forderungen an zukünftige Projekte. Ein Ziel ist es geeignete Korridore und Bauweisen zu finden, damit der Eingriff in empfindliche Lebensräume vermieden werden kann. Ergänzend sollen Vögel und Böden im Raum der Netze ausreichend z. B. durch Vogelschutzmarker an Freileitungen und einer ökologischen Baubegleitung geschützt werden. Um wichtige Lebensräume für die heimische Flora und Fauna aufrecht zu halten, kann durch eine ökologische Gestaltung und Pflege (Ökologisches Trassenmanagement) eine Zerschneidung von Lebensräumen verhindert oder sogar ein Beitrag zum Biotopverbund geleistet werden. Überregionale und lokale Biotopverbundkonzepte können einen sinnvollen Rahmen für die Formulierung standortbezogener Entwicklungsziele und Maßnahmen des Ökologischen Trassenmanagements bilden.
YouTube: Ökologischen Trassenmanagement (ÖTM) im Naturschutzgebiet
Solarenergie
Aktuell wird mit der Kraft der Sonne 14,3 Prozent des Stroms in Baden- Württemberg erzeugt und damit mehr als aus allen anderen erneuerbaren Energiequellen (Stand Mai 2021). In den nächsten Jahren soll der Ausbau von Photovoltaikanlagen weiter vorangetrieben werden und bis 2050, 30 Prozent des Stroms durch Sonnenenergie erzeugt werden. Im Bereich der Wärmeerzeugung spielt die Solarthermie aktuell mit einem Anteil am Endenergieverbrauch von 1,3 Prozent nur eine untergeordnete Rolle.
PV-Anlagen wandeln Sonnenlicht in elektrische Energie um. Sie können auf Dachflächen und an Fassaden von Gebäuden angebracht werden. Hier besteht noch großes Potenzial – sowohl bei Bestands- als auch bei Neubauten. Für eine klimafreundliche, regenerative Energieversorgung sind auch PV-Freiflächenanlagen notwendig. Im Gegensatz zu Anlagen auf Dächern nehmen Freiflächenanlagen Bodenflächen in Anspruch und verändern damit Lebensräume. Ihr Bau und Betrieb ist ein Eingriff in die Natur. Konflikte mit dem Natur- und Artenschutz müssen dabei durch eine sorgfältige Standortwahl soweit es geht minimiert oder vermieden werden.
Der NABU Baden-Württemberg tritt dafür ein, dass ökologisch wertvolle sowie bestimmte nach Naturschutzgesetz geschützte Flächen nicht für PV-Anlagen verwendet werden. Um Natur- und Klimaschutz zu vereinbaren, müssen Naturschutzbelange bei Bau und Betrieb berücksichtigt werden. Wenn die Pflege der Flächen an ökologischen Kriterien ausgerichtet wird, können PV-Freiflächenanlagen im Idealfall sogar einen ökologischen Mehrwert im Vergleich zu intensiv bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen bieten und als Rückzugsort für bestimte bedrohte Arten dienen. Auch Sonderformen der Solarenergie können einen Beitrag leisten, die Klimaschutzziele zu erreichen, zum Beispiel Agri-PV als hoch aufgeständerte Module im Obstanbau oder vertikale (bifaciale) Module in der Landwirtschaft, die auch als Zaunelement eingesetzt werden können. Eine recht neue Möglichkeit, Solarenergie zu gewinnen ohne landwirtschaftliche Flächen in Anspruch zu nehmen, bieten schwimmende PV-Anlagen. Diese kommen aus Naturschutzsicht nur auf künstlichen Gewässern in Betracht – vor allem dort, wo noch aktiv Auskiesung betrieben wird.
Positionspapier zur Solarenergie von NABU und BUND Baden-Württemberg
Hinweispapier zur Solarenergie von NABU und BUND Baden-Württemberg
Wasserkraft
Die Erzeugung von Strom aus Wasserkraft kann einen wichtigen Beitrag für eine nachhaltige Energieversorgung leisten. Dennoch bergen Wasserkraftanlagen aus naturschutzfachlicher Sicht auch Risiken.
In Hinblick auf den Ausbau von klimaneutralen Energiequellen ist eine verstärkte Nutzung von Wasserkraft zwar sinnvoll, steht aber oftmals im Konflikt zur Erhaltung oder Wiederherstellung naturnaher Gewässer und Gewässerlandschaften und der Durchgängigkeit von Fließgewässern. Zur Lösung dieses Konflikts ist die Aufstellung von Richtlinien erforderlich, welche zum einen eine sachgerechte Entwicklung der Wasserkraftnutzung ermöglichen, zum anderen aber auch den berechtigten Interessen des Naturschutzes Rechnung tragen. Die Modernisierung bestehender Anlagen sollte daher nicht nur die Stromerzeugung steigern, sondern gleichzeitig auch die negativen ökologischen Auswirkungen verringern.
Windenergie
Windräder gehören im Süden Deutschlands zum Landschaftsbild dazu. Mit einem Anteil von ca. 5,6 Prozent an der Bruttostromerzeugung Baden-Württembergs ist die Windenergie somit der drittwichtigste erneuerbare Energieträger.
Jedoch liegt Baden- Württemberg weit hinter dem Bundesdurchschnitt zurück und muss den Ausbau der Windenergie vorantreiben. Bis zum ersten Halbjahr 2022 wurden 34 Windenergieanlagen errichtet, so dass ihre Zahl auf 813 stieg. Deutschlandweit stammen (Stand 1.Quartal 2023) 32,2 Prozent der Bruttostromerzeugung aus Windkraftanlagen. Die Landesregierung ab 2021 setzt auf den Ausbau im
Land. Mit dem Windenergieflächenbedarfsgesetz wurde 2023 darüber hinaus festgelegt, dass in Baden-Württemberg 1,8 Prozent der Landesfläche für Windenergie bereitgestellt werden muss.
Im Sinne des Klimaschutzes befürwortet der NABU den Ausbau der Windenergie grundsätzlich, es kann je nach Standort aus Sicht des Naturschutzes allerdings auch Probleme beim Ausbau der Windenergie geben. Diese liegen vor allem in den Beeinträchtigungen für Vogel- und Fledermausarten sowie deren Verluste durch Kollisionen der Tiere mit den Anlagen. Aus diesem Grund sind besonders geschützte Gebiete aus Sicht des NABU für Windkraftanlagen tabu. Natur- und Artenschutz müssen bei jeder Planung angemessen berücksichtig werden und Eingriffe so gering wie möglich gehalten und ausgeglichen werden.
Die Positionen von NABU und BUND zur Windenergie sowie dem Positionspapier „Naturverträglicher Ausbau der Windenergie in Baden-Württemberg“ finden Sie hier.
YouTube: Windenergie naturverträglich nutzen – aber wie? Fast Forward Science 2018
Hier geht es zu unserer YouTube-Playlist „Naturverträgliche Energiewende“.
Wissen:
Das „Dialogforum Erneuerbare Energien und Naturschutz“ hat im September 2012 seine Arbeit aufgenommen. Das Gemeinschaftsprojekt von BUND und NABU zielt auf eine konstruktive Unterstützung der Energiewende und des Verteilnetzausbaus in Baden-Württemberg ab. Mehr →
Der NABU Baden-Württemberg macht sich stark für Natur- und Klimaschutz. Seine Arbeit fokussiert sich bis 2025 daher auf die Themen naturverträgliche Landwirtschaft, mehr Naturvielfalt in Stadt und Dorf sowie naturverträgliche Energiewende. Mehr →