Streuobstwiese Bretten
Chronologie: Was ist wann passiert?
2020
Stellungnahme von BUND Regionalverband Mittlerer Oberrhein und Arbeitskreis Karlsruhe des Landesnaturschutzverbands
Der BUND Regionalverband Mittlerer Oberrhein und der Arbeitskreis Karlsruhe des Landesnaturschutzverbands (LNV) weisen in einer gemeinsamen Stellungnahme zum Bebauungsplan darauf hin, dass die Planungen zur Erweiterung des Industriegebiets Gölshausen gegen den § 33a des Landesnaturschutzgesetzes verstoßen, der seit Juli 2020 den Schutz von Streuobstwiesen regelt. Sinn und Zweck der Regelung ist es, Streuobstbestände in möglichst großem Umfang zu erhalten (Erhaltungsgebot mit Umwandlungsvorbehalt) und grundsätzlich auch vor der Inanspruchnahme durch Bauvorhaben zu schützen.
10. Mai 2022
Widerspruch des NABU gegen Umwandlungsgenehmigung
Der NABU legt Widerspruch gegen die Rodungsgenehmigung der Streuobstwiese in Bretten/Gölshausen vom 11.04.2022 ein. Streuobstwiesen sind Hotspots der biologischen Artenvielfalt und ein besonderes Kulturgut Baden-Württembergs. Der Südwesten trägt eine große Verantwortung für diese Kulturlandschaft, die einmalig ist in Europa. Der Streuobstanbau ist deshalb seit 2021 im bundesweiten Verzeichnis der deutschen UNESCO-Kommission als Immaterielles Kulturerbe gelistet. Naturverträglich genutzte Streuobstbestände sind als Lebensraum für Pflanzen und Tiere von großem Wert und zählen zu den artenreichsten Lebensräumen und Landnutzungsformen Mitteleuropas.
21. November 2022
Stadt Bretten beantragt Antrag auf Sofortvollzug
Die Stadt Bretten beantragt Sofortvollzug beim Landratsamt Karlsruhe.
28. November 2022
Zustimmung des Landratsamts Karlsruhe zum Antrag auf Sofortvollzug
Das Landratsamt Karlsruhe stimmt dem Antrag auf Sofortvollzug der Stadt Bretten zu. Als Begründung für die Genehmigung führt das Landratsamt in seinem Genehmigungsbescheid an, dass die Stadt Bretten schon lange darauf warte, das Baufeld zu räumen. Zudem seien die Gewerbeeinnahmen der Stadt höher zu bewerten als der Erhalt der geschützten Streuobstwiesen.
30. November 2022
Die Rodung der Bäume auf der Streuobstwiese beginnt
Mit sieben Tagen Verzögerung kommt die Information über die Genehmigung des Sofortvollzugs postalisch beim NABU an. Zu diesem Zeitpunkt stehen die Bagger schon auf der Wiese, die Stadt Bretten hat bereits Fakten geschaffen und fast 40 Bäume auf der Streuobstwiese gefällt. Aufgrund der verspäteten Zustellung wurde der NABU um seine Möglichkeit des Rechtsschutzes gebracht. Dennoch fahren NABU-Aktive und NABU-Landesvorsitzender Johannes Enssle noch am selben Tag, unmittelbar nach Erhalt der Nachricht, zur Streuobstwiese und versuchen, die Rodung zu stoppen. Gleichzeitig stellt der NABU einen Eilantrag, um die Rodung stoppen zu lassen.
09. Dezember 2022
NABU reicht Dienstaufsichtsbeschwerde gegen das Landratsamt Karlsruhe ein
Aufgrund der Vorkommnisse reicht der NABU eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen das Landratsamt Karlsruhe ein. „Die verzögerte Zustellung hat verhindert, dass der NABU noch rechtzeitig Rechtsschutz einholen konnte. Es widerspricht den Grundsätzen der Fairness, wenn Informationen – zumal in einem solch brisanten Fall – ausgerechnet in der Vorweihnachtszeit umständlich und langwierig per Post verschickt werden“, sagt der Frankfurter Rechtsanwalt des NABU, Dirk Teßmer. Diese Vorgehensweise sei absolut unüblich. Eine E-Mail, ein Fax, ein Anruf oder eine Zustellung über das extra eingerichtete elektronische Anwaltspostfach hätte genügt, zumal davor auch schon auf elektronischem Weg mit der Behörde kommuniziert wurde.
13. Dezember 2022
NABU legt Fachaufsichtsbeschwerde ein
Mit einer Fachaufsichtsbeschwerde beim Regierungspräsidium Karlsruhe will der NABU verhindern, dass ein solches Vorgehen wie in Bretten Schule macht. Als Naturschutzverband möchte der Verband in Zukunft vollständig und – vor allem – rechtzeitig über geplante Entscheidungen der Landratsämter informiert werden, wenn davon Widerspruchsverfahren wie hier im Fall der Streuobstwiesen in Bretten betroffen sind. Das Regierungspräsidium muss sicherstellen, dass sich ein derartiger Vertrauensbruch wie in Bretten-Gölshausen nicht wiederholt. „Wir hatten auf die aufschiebende Wirkung unseres Widerspruchs vertraut. Stattdessen hat das Landratsamt im Hauruckverfahren teilweise über 100 Jahre alte Obstbäume fällen lassen und damit das Biodiversitätsstärkungsgesetz ad absurdum geführt“, erklärt der NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle.
22. Dezember 2022
Gerichtliche Entscheidung: Rodung muss ausgesetzt werden
Das Verwaltungsgericht Karlsruhe trifft eine endgültige Entscheidung über den Eilantrag des NABU. Das Gericht verfügt, dass die Rodung der Streuobstwiese in Bretten/Gölshausen ausgesetzt werden muss, bis formal über den ursprünglichen Widerspruch des NABU entschieden ist. Zudem gibt das Gericht in seiner Entscheidung richtungsweisende Hinweise für den weiteren Umgang mit den Erfordernissen zum Schutz von Streuobstwiesen in Baden-Württemberg. Dem Gericht zufolge habe das Landratsamt bei der Genehmigung zur Rodung der Streuobstwiese nicht ausreichend und im Ergebnis fehlerhaft zwischen dem gesetzlichen Schutz der Streuobstwiese und den geltend gemachten Interessen an einer Erweiterung des Gewerbegebiets Gölshausen abgewogen.
30. März 2023 Verfahrensergänzender Erlass zur Streuobstumwandlung
Seit 30.03.2023 gilt ein verfahrensergänzender Erlass, der sicherstellt, dass die Naturschutzverbände über jeden Antrag auf Streuobstwandlung und erteilte Genehmigungen frühzeitig informiert werden. Auf diese Weise bekommen die Verbände Gelegenheit zur Stellungnahme. 52 Anträge auf Streuobstumwandlung haben den NABU Stand 19.12.2023 seit Inkrafttreten des Erlasses erreicht. Zu fast allen (außer bei sehr kleinen Eingriffen) wurden umfangreiche Stellungnahmen eingereicht.
15. Juni 2023
Widerspruch des NABU gegen Streuobstumwandlung wird zurückgewiesen
Den NABU erreicht die Entscheidung des Regierungspräsidiums Karlsruhe über den Widerspruch gegen die Genehmigung der Streuobstumwandlung: Der Widerspruch wird zurückgewiesen.
Dezember 2023
Letzter Baum auf der Streuobstwiese in Bretten wird gefällt
Nun ist auch der letzte Baum in Bretten/Gölshausen gefallen. Auf weitere Protestaktionen verzichtet der NABU in diesem Fall, weil mit der Stadt Ausgleichsmaßnahmen vereinbart wurden, die über das rechtlich notwendige Maß hinausgehen.
Ausblick
Auch, wenn an dieser Stelle die Streuobstwiese verloren hat, verbuchen wir unseren Einsatz mit Blick auf weitere Verfahren als Erfolg: Der Brettener Fall hat zahlreiche Gespräche mit allen Verwaltungsebenen angestoßen. Das hat mit zur Einführung des verfahrensergänzenden Erlasses geführt, der die rechtzeitige Information sicherstellt und Stellungnahmen ermöglicht. Darüber hinaus befindet sich der NABU weiter im Austausch mit der Verwaltung, den kommunalen Spitzenverbänden und der Politik, um ein einheitliches Verständnis des Streuobstwiesen-Schutzes und der Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit von Umwandlungsanträgen zu etablieren.