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Mehr ...NABU klagt gegen B10-Ortsumfahrung Enzweihingen
Baupläne verstoßen gegen nationales und EU-Recht
Auf der Ortsdurchfahrt von Enzweihingen verkehren täglich rund 30.000 Fahrzeuge und erzeugen so viel Lärm und Abgase. Bereits seit mehr als 50 Jahren wird daher über eine rund 2,6 Kilometer lange Trasse mit Brücke diskutiert, die die Bewohner*innen des Ortes entlasten soll. Als Alternative steht ein Kurztunnel im Untergrund des Ortes zur Debatte. Diese Vorgehensweise befürworten besonders Umwelt- und Naturschützer, da die geplante Ortsumfahrung mehrere für die Natur und viele bedrohte Arten wertvolle Gebiete durchschneiden würde.
Aktuelle Entwicklungen:
06.10.2023: Verwaltungsgerichtshof bestätigt Mängel im Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Stuttgart
Die Klageverfahren des NABU Baden-Württemberg sowie dreier unmittelbar betroffener Grundstückseigentümer und eines Gewerbeunternehmens gegen die geplante Umfahrung von Enzweihingen hatten Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass im Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20. Mai 2021 zahlreiche Mängel vorliegen, die jedoch eventuell in einem ergänzenden Verfahren behebbar seien. Bevor das nicht geschehen ist, darf nicht gebaut werden. Damit ist die Entscheidung, zumindest auf die nächsten Jahre gesehen, für Natur- und Umweltschützer ein Erfolg.
Bereits ein Jahr zuvor hatte der Gerichtshof die Planungen für die Umgehungsstraße gestoppt. Damals zeigte sich der Ortschaftsrat empört und befürchtet starke Abgase an den Tunneleingängen sowie eine Existenzbedrohung für die Sportgaststätte, die dann nur noch über eine verengte Zufahrt zu erreichen wäre.
Der neue Oberbürgermeister Uwe Skrzypek plant nun Maßnahmen für die Ortsdurchfahrt, die in absehbarer Zeit für Entlastung der Bürger*innen sorgen. Konkret geht es um ein mit Blitzern kontrolliertes nächtliches Tempolimit, eine Ampelanlage an der zentralen Kreuzung sowie eine Fahrradstraße über die bestehende Enzbrücke.
Der Landtagsabgeordnete Markus Rösler (Grüne) erachtet die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs für „zukunftsweisend“ und die Planungen für die Umgehungsstraße „zu keinem Zeitpunkt für zeitgemäß“.
Hans-Peter Kleemann, der stellvertretende Landesvorsitzende des NABU Baden-Württemberg, findet zu der heutigen Gerichtsentscheidung deutliche Worte: „Die Entscheidung des Gerichts zeigt, wie wichtig es ist, die Öffentlichkeit zu beteiligen und dafür ausreichende Fristen zu gewährleisten – vor allem bei einem jahrzehntelangen Planungsprozess mit vielen wechselnden Personen innerhalb der Behörden. Die Planungen der B10-Ortsumfahrung Enzweihingen spiegeln die Haltung einer Verwaltung wider, welche weder den Natur- und Artenschutz noch die Klimaproblematik begriffen hatte. Diese Eingriffe in die Natur und der große Landschaftsverbrauch wären nicht wieder gut zu machen. Wir begrüßen es, dass das Gericht das erkannt hat. Mehr denn je setzen wir darauf, dass nur die Tunnelvariante letztendlich die Vorzugsvariante ist. Dies werden wir auch im weiteren Verfahren deutlich machen.“
28.07.2021: NABU klagt gegen B10-Ortsumfahrung Enzweihingen
Der NABU Baden-Württemberg hatte gegen den Planfeststellungsbeschluss zur B10-Ortsumfahrung von Vaihingen-Enzweihingen Klage eingereicht und per Eilantrag aufschiebende Wirkung gegen den Sofortvollzug beantragt. Er macht sich damit weiter für eine bessere Alternative stark. Unterstützt wird er dabei von BUND, Landesnaturschutzverband (LNV) und der Schutzgemeinschaft Mittleres Enztal.
25.04.2019: Umwelt- und Verkehrsverbände bezeichnen B 10-Umgehung Enzweihingen als rechtswidrig: Forderung nach neuer Bürgerbefragung in ganz Vaihingen
In einer gemeinsamen Stellungnahme schätzen die baden-württembergischen Umwelt- und Verkehrsverbände von BUND, NABU, Verkehrsclub Deutschland VCD, Landesnaturschutzverband LNV und Landesfischereiverband LFV sowie die Schutzgemeinschaft Mittleres Enztal die Pläne zur B 10-Ortsumgehung bei Vaihingen-Enzweihingen als rechtswidrig ein. Gemeinsam fordern sie eine neue Befragung aller Vaihinger Bürger*innen. Diese müsse alle aktuellen und neuen Fakten berücksichtigen. Die Verbände bewerten einen Kurztunnel, wie von der Schutzgemeinschaft vorgeschlagen, als naturschutzfachlich erforderliche und ökonomisch zumutbare Alternative zur Ortsumgehung. In ihrer Einschätzung und Stellungnahme unterstützt wurden die Verbände von einer renommierten, auf Infrastruktur und Naturschutz spezialisierten Anwaltskanzlei sowie von einem bundesweit anerkannten Biologen und Naturschutz-Gutachter.
Zentrale Kritikpunkte an der Ortsumgehung:
- Undemokratische und unzureichende Durchführung der Bürgerbefragung:
Bei einer Bürgerbefragung wurde ein Großteil der Vaihinger Bevölkerung gänzlich von der Befragung ausgeschlossen. Die Informationen zu Vor- und Nachteilen einer Ortsumgehung waren klar zu Gunsten dieser ausgelegt. Nach der Bürgerbefragung stellte sich zudem heraus, dass Teile des Vorhabens gar nicht auf Enzweihinger Gemarkung, sondern auf Gemarkung der Vaihinger Kernstadt liegen. Darüber hinaus wurden seither Änderungen an den Planungen vorgenommen, die zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht bekannt waren. Auch die Kosten der beiden Alternativen haben die Bauplaner zu ihren Gunsten offengelegt. Während die mindestens acht Millionen Euro Mehrkosten für die nötige Verlegung der Straßenmeisterei bei der Umgehung nicht eingerechnet wurden, hat man die Kosten für die ohnehin dringend nötige, millionenschwere Sanierung der Enzbrücke bei der Tunnellösung einbezogen, sodass diese insgesamt schlechter abschnitt.
- Massive Eingriffe in Hochwasserschutzgebiete und das Landschaftsbild:
Geplante Aufschüttungen mitten in der Flussaue verringern deren Aufnahmekapazität bei Hochwasser und verschärfen damit in der Umgebung von Vaihingen die Problemlage beim Hochwasserschutz. Die vorgelegten Unterlagen erfüllen daher neben vielen anderen Mängeln auch nicht die Vorgaben des Landeswassergesetzes. Zusätzlich würde auch das Landschaftsbild durch den Bau von hohen Lärmschutzwänden beeinträchtigt werden.
- Gravierende Mängel in den Bereichen Artenschutz und Naturschutzrecht:
Der vom NABU beauftragte Gutachter Dr. Steffen Caspari konnte im Rahmen einer Kartierung 355 Pflanzenarten auf den entsprechenden Flächen festhalten, darunter drei landesweit und fünf regional gefährdete Arten. Caspari konnte zudem mehrere auf der Roten Liste Baden-Württembergs stehende Heuschrecken-Arten wie die als ,stark gefährdet‘ eingestufte Sumpfschrecke im zentralen Bereich der Straßenplanung nachweisen. Und auch die Grüne Flussjungfer, eine äußerst seltene Libellenart, konnte an verschiedenen Stellen der Enz in verschiedenen Entwicklungsstadien gefunden werden. Laut eines Gutachters gilt es zum Schutz dieser schwindenden Population jeden Eingriff in die noch vorhandenen Lebensräume zu vermeiden. Darüber hinaus besitzt die Enzaue bei Enzweihingen große Bedeutung für die Nahrungssuche manchmal Dutzender von Weißstörchen und sogar für den EU-weit streng geschützten Schwarzstorch. Keine dieser Arten wurde in den Kartierungen für die Umgehungsplanung berücksichtigt. Zusätzlich wurden geltende Gerichtsurteile ignoriert. Eine „noch tolerierbare“ Beeinträchtigung streng geschützter Lebensräume und Arten, die aber „nicht erheblich“ sein soll, gibt es laut NABU im EU-Habitatschutzrecht überhaupt nicht.
- Zusätzliche Lärmbelastung für die Enzweihinger Bevölkerung:
Bei einer Umgehung in sechs oder acht Metern Höhe wird es eine neue, zusätzliche Verlärmung der ,Halbhöhenlagen‘ von Enzweihingen geben. Der Lärm in der Ortsmitte bliebe aufgrund von rund 10.000 Fahrzeugen aus Richtung Riet weiter bestehen. Zwei große Kreuzungsbauwerke in der Enzaue westlich und östlich Enzweihingens würden darüber hinaus die Lebensqualität aller dort lebenden und Erholung suchenden Menschen dramatisch verringern.
- Störung bedrohter Fischarten:
Die Enzaue ist Heimat dreier gefährdeten und EU-weit streng geschützter Fischarten: Bitterling, Groppe und Strömer. Für Letzteren hat Baden-Württemberg eine besondere Verantwortung, denn das Ländle ist die nördlichste Verbreitung dieser Fischart.
- Ignorieren von Klimaschutzzielen:
Neue Straßen machen den Autoverkehr attraktiver und führen damit zu einer Verkehrszunahme. Mit Blick auf Luftschadstoffe kann nur ein Tunnel zu einer Entlastung der Ortsdurchfahrt führen, ohne neue Belastungen in bisher gering belasteten Gebieten entstehen zu lassen.
Für die Umwelt- und Verkehrsverbände ist es unverständlich, dass Landesverkehrsminister Winfried Hermann das Vorhaben dennoch unterstützt. Bereits ab den 1990er Jahren hätten bessere Alternativen mit einer Untertunnelung der bestehenden B10 vorgelegen, in einem Fall mit Finanzierungszusage des Bundes. „Die Pläne widersprechen den Zielen der neuen Landesregierung zum Klima-, Hochwasser- und Artenschutz sowie zur Netto-Null beim Flächenverbrauch“, sagt Johannes Enssle. Zudem entlastet die Umgehungsstraße nur die Bürger*innen im Ortskern von Enzweihingen, am Ortsrand würde gleichzeitig eine neue Lärmquelle entstehen.