Eine Gottesanbeterin frisst eine Biene. - Foto: Engelbert Mayer
„Was sich bewegt, wird gefressen!“
Die Gottesanbeterin


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Großes Weibchen und kleines Männchen - das Insekt bei der Paarung. - Foto: Engelbert Mayer
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Nach der Paarung werden die Eier in einer Oothek abgelegt. - Foto: Engelbert Mayer
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Eine Nymphe nach der ersten Häutung. - Foto: Engelbert Mayer
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Diese Nymphe hat schon mehrere Häutungen hinter sich. - Foto: Engelbert Mayer
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Eine männliche Gottesanbeterin. - Foto: Engelbert Mayer
Engelbert Mayer gründete vor 24 Jahren die NABU-Gruppe Kaiserstuhl und war bis Anfang 2015 deren Vorsitzender. Er organisiert seit zehn Jahren die fünftägige Tour „Wiedehopf und Hefezopf“ und beschäftigt sich auch intensiv mit der vor allem im Kaiserstuhl vorkommenden Gottesanbeterin.
NABU: Ist die Gottesanbeterin denn eine heimische Art oder eingewandert?
Mayer: Das ist eine heimische Art. Die Gottesanbeterin ist schon lange hier und kam jahrelang nur noch am Kaiserstuhl vor, sie breitet sich aber inzwischen über ganz Deutschland aus. Ob es jetzt Sachsen, Saarland oder die Kölner Bucht ist, denn sie ist eine wärmeliebende Art. Der Verbreitungsschwerpunkt ist jedoch hier am Kaiserstuhl.
Gibt es verschiedene Arten oder nur eine einzige?
Die Gottesanbeterin „Mantis religiosa“ ist die einzige Fangschrecke, die in Baden-Württemberg heimisch ist. „Mantis“ bedeutet Seherin und stammt aus dem Griechischen. Da sie die Fangarme so zusammenfaltet, als ob sie beten würde, kommt noch der Zusatz „religiosa“ dazu – daher der Name Gottesanbeterin.
Was für Lebensräume bevorzugt die Gottesanbeterin?
Sie mag es vor allem warm. Beim Lebensraum selber ist sie recht flexibel. Das Gelege, das Oothek (gesprochen O-o-thek) genannt wird, sieht aus wie ein Kokon, ist aber ein Schaumgelege. Das kann die Gottesanbeterin überall drankleben: Ob das eine Hausmauer ist, ein Regenfallrohr, ein Strauch oder ein Holzbrett. Wir hatten sogar schon mal eines unter einem Weihnachtskaktus. Es muss nur irgendetwas in der Umgebung blühen, das auch Insekten anzieht, die sie dann fängt.
Findet man die Gottesanbeterin eher auf der Wiese oder im Wald?
Also im Wald findet man sie nicht und auf der Wiese auch nicht unbedingt, aber da kann sie schon mal vorkommen. Hauptsächlich findet man sie in Böschungen oder in den Hausgärten, da blüht ja immer etwas. Sie sitzt still und wartet bis ein Insekt in der Nähe ihrer Fangarme ist und fängt es. Sie fliegt also nicht durch die Gegend wie eine Libelle um Beute zu finden, sondern lauert ihrer Beute auf.
Aber sie kann fliegen?
Ja, sie kann fliegen. Die Eier überwintern in der Oothek und etwa im Mai schlüpfen die jungen Gottesanbeterinnen, die sogenannten Nymphen. Da sind die Gliedmaßen bereits fertig ausgebildet, aber natürlich winzig klein. Die Oothek ist etwa so groß wie das letzte Fingerglied des Zeigefingers. Es schlüpfen so zwischen 60, 80 oder gar 100 Junge aus. Nach der ersten Häutung fangen die kleinen Gottesanbeterinnen an zu fressen, auch sich gegenseitig, denn sie sind Kannibalen. Alles was sich bewegt, wird geschnappt und vertilgt. Gottesanbeterinnen häuten sich mehrmals. Nach der letzten Häutung sind sie geschlechtsreif und haben Flügel. Dann findet auch die Paarung statt.
Frisst das Weibchen denn wirklich nach der Paarung immer das Männchen auf?
Das kann sein, muss aber nicht. Es kommt auch vor, dass ein Männchen ein Männchen frisst, ein Weibchen ein Weibchen frisst oder dass das Weibchen das Männchen während der Paarung frisst, alles ist möglich. Es sind Kannibalen, die unterscheiden nicht. Das Männchen muss aber schon aufpassen, dass es nicht schon während der Paarung gefressen wird. Aber (er schmunzelt) das ist ja eigentlich ein schöner Tod.
Nach der Paarung legt das Weibchen das Schaumgelege ab, das kann wie gesagt überall passieren. Meist entdeckt man es erst, wenn die Blätter überall weg sind. Nach der Paarung stirbt die Gottesanbeterin. Das passiert im Zeitraum Mitte bis Ende Oktober oder Anfang November. Da hängen sie irgendwo im Gehölz und warten drauf, dass sie sterben oder sie werden vorher schon von Vögeln gefressen. Der Lebenszyklus beginnt dann nächstes Jahr im Mai mit dem Schlüpfen der Jungen von neuem.
Können Gottesanbeterinnen dem Menschen etwas tun? Sind sie giftig oder können sie beißen?
Nein, die Gottesanbeterin beißt nicht, ist nicht giftig und nicht schädlich. Ich war dieses Jahr mit einer Reisegruppe im Juli unterwegs und hatte das Glück eine Nymphe zu entdecken, sie war noch recht klein und ohne Flügel. Und da kann man die Hand vorne dranhalten und hinten ein bisschen stupsen und sie geht auf die Hand. Sie klettert dort immer weiter hoch, so wie man es vom Marienkäfer kennt. Man darf die Hand nur nicht zumachen. Denn die Gottesanbeterin ist streng geschützt und steht auf der Roten Liste!
Wie groß ist eine ausgewachsene Gottesanbeterin?
Erwachsene Gottesanbeterinnen sind zwischen sechs und sieben Zentimeter groß. Das Weibchen ist übrigens größer als das Männchen, nicht nur in der Länge sondern auch korpulenter. Das Männchen ist rank und schlank. So wie im richtigen Leben halt... Da kommen dann noch die langen Fühler dazu und die Fangarme kann sie ja auch ausstrecken.
Welche Besonderheiten zeichnet die Gottesanbeterin aus?
Die Fangarme. An diesen hat sie Widerhaken, da gibt es für die gefangenen Insekten kein Entrinnen mehr. Sie hat keine Zähne sondern sogenannte Mandibeln als Fresswerkzeuge, das geht immer von links nach rechts, von links nach rechts – so vertilgt sie das gefangene Insekt. Sie frisst Spinnen, Wildbienen, Fliegen, eben alles was sich vor ihr bewegt. Wenn sie eine Beute entdeckt hat, die etwas weiter von ihr entfernt ist, fängt sie ganz langsam an zu klettern und macht dabei schaukelnde Bewegungen. So kommt sie ihrer Beute immer näher und gaukelt dem Opfer vor: „Ich bin ein Blatt im Wind“. Und dann „zack“ – das nimmt man mit dem bloßen Auge gar nicht wahr – hat sie ihre Beute geschnappt und frisst sie auf.
Was mache ich wenn ich eine Gottesanbeterin im Garten habe?
Einfach nur genießen! Am besten noch dafür sorgen, dass sie Futter hat, also etwas Blühendes, das Insekten anlockt. Die Weibchen und Männchen müssen sich über Pheromone finden, die wir nicht wahrnehmen können, und wenn sie Glück haben finden und paaren sie sich. Das zu beobachten ist wirklich eine ganz, ganz große Seltenheit.
Das Interview führte Cathrin Hummel
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