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Mehr ...Forschung mit Rabenkrähen an der Universität Tübingen
Stellungnahme und Antworten auf häufige Fragen zum Spiegel-Artikel vom 23. April 2021
Nach intensiver Beschäftigung mit den gegenüber dem NABU vorgebrachten Vorwürfen und Sichtung unserer Archive haben wir Erkenntnisse gewonnen, die eine Aktualisierung unserer Stellungnahme und FAQ erforderlich gemacht haben.
Stellungnahme des NABU Baden-Württemberg vom 28. April 2021
Wir sind über den Spiegel-Artikel vom 23. April 2021 und die dort genannten Tierversuche entsetzt.
Das NABU-Vogelschutzzentrum hat zwischen 2011 und 2014 insgesamt sieben lebende Rabenkrähen an die Universität Tübingen abgegeben. Es handelte sich ausschließlich um Tiere, die nicht auswilderungsfähig waren. Davon vier, deren gesundheitlicher Zustand so war, dass sie eingeschläfert werden mussten. Diese vier wurden an Prof. Nieder zur Einschläferung abgegeben, um unmittelbar danach Gewebeuntersuchungen vornehmen zu können. Drei weitere lebende Vögel wurden zur dauerhaften Haltung übergeben. Dies geschah in der Annahme, dass diese nur für Zuchtzwecke und/oder non-invasive Verhaltensbeobachtungen verwendet werden. Weitere acht tote Rabenkrähen wurden zwischen 2011 und 2015 für Gewebeuntersuchungen zur Verfügung gestellt.
Sollten vom NABU-Vogelschutzzentrum abgegebene Tiere für invasive Tierversuche eingesetzt worden sein, ist dies nicht im Einverständnis mit dem NABU erfolgt.
Das NABU-Vogelschutzzentrum hat nach 2014 keine lebenden Vögel an die Abteilung von Prof. Nieder abgegeben.
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Fragen und Antworten
Kurzporträt NABU-Vogelschutzzentrum Mössingen
Fragen und Antworten
1. Warum hat das NABU-Vogelschutzzentrum der Uni Tübingen Rabenkrähen zur Verfügung gestellt?
Das NABU-Vogelschutzzentrum unterstützt satzungsgemäß Forschung und Lehre, etwa an staatlichen Einrichtungen wie Museen, Forschungsinstituten, Universitäten. In diesem Kontext hat das NABU-Vogelschutzzentrum auf Anfrage von Prof. Nieder acht tote (gestorbene oder nicht überlebensfähige und daher eingeschläferte) und insgesamt sieben lebende, nicht auswilderungsfähige Rabenkrähen in bester Absicht an dessen Abteilung an der Uni Tübingen abgegeben. Letztmalig wurden vier tote Rabenkrähen im Jahr 2015 an die Abteilung von Prof. Nieder abgegeben.
Darüber hinaus werden immer wieder tote Vögel und Gewebe- oder Speichelproben von Vögeln (z. B. im Zusammenhang mit der Erforschung der Vogelgrippe) an verschiedene Forschungseinrichtungen abgegeben.
2. Wie viele Krähenvögel hat das NABU-Vogelschutzzentrum an die Abteilung von Prof. Nieder der Uni Tübingen abgegeben?
Zwischen 2011 und 2015 hat das NABU-Vogelschutzzentrum insgesamt acht tote und sieben lebende Rabenkrähen (2011: 4 lebende, 3 tote; 2012: 2 lebende; 2014: 1 tote, 1 lebende; 2015: 4 tote) in bester Absicht an die Abteilung von Prof. Nieder abgegeben. Ausweislich der Übergabeprotokolle handelte es sich dabei um vier nicht auswilderungsfähige Krähen zur Einschläferung und daran anschließende Untersuchungen sowie drei nicht auswilderungsfähige Krähen für die dauerhafte Haltung. Diese drei Krähen wurden in der Annahme übergeben, dass sie für die Zucht oder für non-invasive Verhaltensbeobachtungen eingesetzt werden.
3. Warum wurden lebende Tiere an die Uni Tübingen abgegeben?
Prof. Nieder bat das NABU-Vogelschutzzentrum einerseits um lebende Vögel, um diese nicht lebens- oder auswilderungsfähigen Tiere nach der ohnehin notwendigen Einschläferung für Untersuchungen nutzen zu können, andererseits um diese in seine Zucht zu integrieren. Das NABU-Vogelschutzzentrum gab drei Vögel in der Annahme ab, dass diese Tiere ausschließlich für die Zucht und/oder für non-invasive Verhaltensbeobachtungen verwendet werden. Die Abgabe von Tieren erfolgte stets im Rahmen der rechtlichen Vorgaben und behördlichen Genehmigungen.
4. Ist es üblich, dass das NABU-Vogelschutzzentrum ihm anvertraute lebende Vögel weitergibt?
Nein, das Ziel des NABU-Vogelschutzzentrums und gesetzliche Vorgabe ist es, so vielen Vögeln wie möglich die Freiheit zurückzugeben. Wenn eine Freilassung nicht möglich ist, etwa weil die Tiere zu schwer verletzt sind oder in Freiheit nicht überlebensfähig wären, müssen sie eingeschläfert werden. Es handelt sich um Wildtiere, deren Haltung in Gefangenschaft einen zu großen Stress für die Tiere bedeuten würde. In sehr wenigen Ausnahmefällen, z. B. bei Tieren, die auf Menschen fehlgeprägt sind, werden einzelne Vögel in Gnadenhaltungen vermittelt, einige wenige bleiben länger in der Station.
5. Was ist an der Universität Tübingen mit den Vögeln passiert?
Trotz mehrfacher Nachfrage haben wir keine zufriedenstellende Auskunft von der Universität Tübingen über den Verbleib der Tiere erhalten. Ausweislich der Übergabeprotokolle sollten die vier lebend abgegebenen Krähen nach der Übergabe eingeschläfert werden, um sie anschließend zu untersuchen. Diese Tiere waren nicht überlebensfähig. Tote Tiere werden in der Regel für histologische Untersuchungen eingesetzt oder für Sammlungen präpariert. Für drei lebend abgegebene Krähen wurde die dauerhafte Haltung vereinbart. Das NABU-Vogelschutzzentrum ging und geht bis heute davon aus, dass die abgegebenen Rabenkrähen lediglich für die Zucht oder für non-invasive Verhaltensbeobachtungen benutzt wurden (siehe beispielsweise SWR Beitrag vom 25. September 2020).
6. Wusste der NABU davon, dass mit den lebend abgegebenen Tieren Tierversuche gemacht wurden?
Bei vier der sieben zwischen 2011 und 2014 lebend an die Abteilung von Prof. Nieder abgegebenen Vögel wurde vereinbart, dass sie nach der Übergabe eingeschläfert und als frisch tote Tiere für Untersuchungen genutzt werden. Bei den übrigen drei lebend abgegebenen Vögeln wurde im Übergabeprotokoll die dauerhafte Haltung vereinbart. Bei diesen drei Tieren ist der NABU davon ausgegangen, dass diese nur zum Zwecke der Nachzucht oder der non-invasiven Verhaltensforschung verwendet werden. Dem NABU liegen keine Kenntnisse darüber vor, ob diese Tiere, oder auch nur einzelne davon, für invasive Tierversuche, wie die in dem aktuellen Spiegel-Artikel vom 23. April 2021 geschilderten Versuche von Prof. Nieder, verwendet wurden. Hätte der NABU Kenntnis davon gehabt, hätte er dem nicht zugestimmt bzw. hätte er keine lebenden Rabenkrähen abgegeben.
Der NABU hat nach der Übergabe an das Institut von Prof. Nieder allerdings nicht überprüft, was mit diesen drei Vögeln passiert ist. Diese Nachlässigkeit bedauern wir sehr und der NABU entschuldigt sich bei allen Menschen, deren Gefühle dadurch verletzt wurden oder deren Vertrauen in den NABU dadurch beschädigt wurde.
7. Warum hat der NABU nicht kontrolliert und nachgefragt, was mit den Tieren passiert?
Das NABU-Vogelschutzzentrum arbeitet mit verschiedenen, auch wissenschaftlichen Einrichtungen, zu Fragen des Naturschutzes, der Tierpflege und -gesundheit zusammen. Die Anfrage von Professor Nieder erschien damals unproblematisch. Den verantwortlichen Personen im NABU-Vogelschutzzentrum ist damals nicht bewusst gewesen, dass Professor Nieder Tierversuche, wie im Spiegel-Artikel beschrieben, durchführt. Rückblickend müssen wir zugeben, dass es ein Fehler war, hier nicht genauer nachgefragt und entsprechende Tierversuche vertraglich ausgeschlossen zu haben.
8. Stimmt es, dass das NABU-Vogelschutzzentrum jährlich an die zehn lebende Rabenkrähen an das Institut von Prof. Nieder liefern kann oder liefern würde?
Nein, diese im Spiegel-Artikel von Prof. Nieder getroffene Aussage ist falsch. Dies war auch zu keinem Zeitpunkt geplant und hat auch nicht stattgefunden.
9. Warum hat das NABU-Vogelschutzzentrum aufgehört, Rabenkrähen an die Uni Tübingen abzugeben?
Das NABU-Vogelschutzzentrum hat seit 2015 keine Vögel an die Abteilung von Prof. Nieder abgegeben. Hintergrund für diese Entscheidung war die neue Vorgabe des Kreisveterinäramtes, lebende Vögel an Prof. Nieder nur nach Einwilligung des Veterinäramtes abzugeben.
10. Hat der NABU Geld für die Krähen erhalten?
Nein. Der NABU hat für keine der abgegebenen Krähen Geld oder sonstige Entschädigungen erhalten.
11. Warum und wie unterstützt der NABU Forschung und Lehre?
Der NABU unterstützt Forschung und Lehre im Bereich des Naturschutzes. Ob Klimawandel, Artensterben oder Bodenschutz, die Arbeit des NABU basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und Grundlagen. Auch die Arbeit mit Tieren kann einen wichtigen Erkenntnisgewinn bringen. So haben Verhaltensbiologen wie Konrad Lorenz oder Josef Reichholf durch aufmerksame Beobachtung an Tieren wichtige Erkenntnisse über die Verhaltensbiologie, Soziologie und Intelligenz verschiedener Tierarten gewonnen. Auch die zeitweise Besenderung, formal ein Tierversuch, einzelner Wildtiere wie Luchse, Störche oder Rotmilane kann wichtige Hinweise über deren Lebensgewohnheiten liefern. Diese Erkenntnisse liefern wichtige Hinweise zum besseren Schutz dieser Wildtiere und ihrer Lebensräume.
12. Welche Konsequenzen zieht der NABU für die Zukunft?
Bereits seit 2015 hat das NABU-Vogelschutzzentrum keine lebenden Vögel mehr an Prof. Nieder bzw. die Universität Tübingen oder irgendeine andere Forschungseinrichtung abgegeben. Auch in Zukunft wird es keine lebenden Vögel an Forschungseinrichtungen weitergeben. Allerdings beteiligt sich das NABU-Vogelschutzzentrum weiterhin an Forschungsvorhaben, bei denen Vögel besendert werden. Bei drei von sieben zwischen 2011 und 2014 lebend abgegeben Vögeln hat der NABU versäumt, nachzuprüfen, ob die gemäß Übergabeprotokoll vereinbarte dauerhafte Haltung tatsächlich, wie vom NABU angenommen, lediglich Zucht und non-invasive Verhaltensbeobachtungen umfasst. Diese Nachlässigkeit bedauern wir sehr und der NABU entschuldigt sich bei allen Menschen, deren Gefühle dadurch verletzt wurden oder deren Vertrauen in den NABU dadurch beschädigt wurde. Der NABU versucht derzeit zu klären, ob diese drei Rabenkrähen aus dem NABU-Vogelschutzzentrum für die im Spiegel-Artikel beschriebenen Tierversuche eingesetzt wurden. Ergänzung vom 1. September 2021: Die Staatsanwaltschaft Tübingen hat am 26. August 2021 bekannt gegeben, dass sie ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts von Straftaten nach dem Tierschutzgesetz gegen Vertreter/-innen der Universität Tübingen sowie des NABU eingestellt hat. Die Staatsanwaltschaft konnte keine Verstöße gegen das Tierschutzgesetz feststellen. Nach Bekanntgabe der Einstellung des Ermittlungsverfahrens hat der NABU erneut eine klare Aussage gefordert, ob eine oder mehrere der drei bis 2014 lebend abgegebenen Krähen für die im Spiegel-Artikel geschilderten Tierversuche eingesetzt wurden oder werden. Eine klare Auskunft dazu wird dem NABU von der Universität auch weiterhin verweigert. Ergänzung vom 29. November 2021: Das NABU-Vogelschutzzentrum Mössingen arbeitet seit dem Jahr 2000 gemäß Tierschutz-Richtlinien, die durch den Tierschutzbeirat des NABU-Vogelschutzzentrums am 29. September 2021 aktualisiert wurden. Diese Tierschutz-Standards können Sie hier nachlesen (PDF).
13. Wird der NABU rechtlich gegen die Universität Tübingen vorgehen?
Aktuell sieht der NABU keine rechtliche Handhabe, um die Universität Tübingen zu belangen. Bislang geht der NABU davon aus, dass keine vom NABU-Vogelschutzzentrum abgegebene Krähe für die im Spiegel-Artikel geschilderten Tierversuche eingesetzt wurden, hat dazu jedoch trotz mehrfacher Nachfrage keine klare Aussage von Professor Nieder erhalten. Wir haben daher sowohl die Universität Tübingen als auch das Regierungspräsidium Tübingen angeschrieben und eine restlose Aufklärung verlangt. Bis zur endgültigen Klärung der Sachlage schließt der NABU ein rechtliches Vorgehen deshalb nicht aus. Sollten die Krähen noch leben, behält sich der NABU vor, diese zurück zu verlangen. Ergänzung vom 1. September 2021: Die Staatsanwaltschaft Tübingen hat am 26. August 2021 bekannt gegeben, dass sie ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts von Straftaten nach dem Tierschutzgesetz gegen Vertreter/-innen der Universität Tübingen sowie des NABU eingestellt hat. Die Staatsanwaltschaft konnte keine Verstöße gegen das Tierschutzgesetz feststellen. Nach Bekanntgabe der Einstellung des Ermittlungsverfahrens hat der NABU erneut eine klare Aussage gefordert, ob eine oder mehrere der drei bis 2014 lebend abgegebenen Krähen für die im Spiegel-Artikel geschilderten Tierversuche eingesetzt wurden oder werden. Eine klare Auskunft dazu wird dem NABU von der Universität auch weiterhin verweigert. Der NABU hat deshalb prüfen lassen, ob es eine rechtliche Handhabe gibt, die Krähen von der Universität Tübingen zurückzufordern, sollten sie noch am Leben sein. Ergebnis dieser Prüfung ist, dass es dafür keine rechtliche Handhabe gibt. Der NABU hat sich deshalb nach reiflicher Überlegung entschieden, keine rechtlichen Schritte gegen die Universität Tübingen einzuleiten.
14. Hat der NABU Spenden von der Universität Tübingen erhalten?
Nein, der NABU-Landesverband Baden-Württemberg, das NABU-Vogelschutzzentrum Mössingen und der NABU-Bundesverband haben keine Spenden von der Universität Tübingen erhalten.
15. Was ist der Tierschutzbeirat des NABU-Vogelschutzzentrums?
Der Tierschutzbeirat des NABU-Vogelschutzzentrums hat im September 2021 seine Arbeit aufgenommen. Er bietet dem Zentrum beratende Unterstützung für generelle Fragen zum Tierschutz und für ethische Grenzfälle. Der Beirat kommt mindestens einmal jährlich oder nach Bedarf zusammen. Für die Besetzung des unabhängigen Gremiums konnte der NABU vier ausgewiesene Fachleute gewinnen: Dr. Julia Stubenbord (Landesbeauftragte für Tierschutz), Dipl.-Biol. Martina Klausmann (Landestierschutzverband BW), Dr. Günther Schleussner (Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Kurator für Vögel in der Wilhelma Stuttgart), Dr. Florian Brandes (Fachtierarzt für Wildtiere und Artenschutz, Leiter der Wildtier- und Artenschutzstation Sachsenhagen).
Kurzporträt NABU-Vogelschutzzentrum Mössingen
Das NABU-Vogelschutzzentrum wurde 1994 gegründet. Es befindet sich in Mössingen im Landkreis Tübingen und ist eine Einrichtung des NABU-Landesverbandes Baden-Württemberg. Dort sind sieben sehr engagierte Mitarbeiter/-innen tätig. Die Aufgaben sind vielfältig: Es werden Projekte zum Schutz freilebender, einheimischer Vögel durchgeführt, in einer Pflegestation werden jährlich rund 1.000 verletzte und beschlagnahmte Vögel aus ganz Baden-Württemberg versorgt. Besucher/-innen werden zu Fragen rund um das Thema Vogelschutz beraten. Das NABU-Vogelschutzzentrum arbeitet mit Behörden, Verbänden und Organisationen auch über die Grenzen des Landes hinaus zusammen.
Im NABU-Vogelschutzzentrum Mössingen werden sehr viele Vögel von engagierten Menschen eingeliefert. Unsere Mitarbeitenden tun was sie können, um diesen Tieren zu helfen. Leider hat ein Großteil der zu uns gebrachten Vögel so starke Verletzungen, dass sie schon nach wenigen Stunden versterben. Als NABU-Landesverband sind wir stolz auf den außerordentlich großen Einsatz unserer Mitarbeiter/-innen und wünschen uns, dass diese sich trotz der im Zusammenhang mit der Berichterstattung im Spiegel vom 23.04.2021 erhobenen vielfach persönlichen, unfairen und unsachlichen Vorwürfe weiterhin motiviert für den Natur- und Artenschutz einsetzen.