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Mehr ...Transparenz bei Pestiziden
Gericht bestätigt vorangegangene Urteile
10. Juni 2021 – Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat heute in zweiter Instanz den Informationsanspruch von NABU und Landeswasserversorgung im Pestizidstreit bestätigt. „Wir sind froh über dieses klare Urteil. Die Informationsfreiheit ist ein Grundpfeiler unserer Demokratie und beinhaltet eindeutig auch die Veröffentlichung von Daten zum Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft. Das Urteil ist eine Steilvorlage für die grün-schwarze Landesregierung, in der kommenden Legislaturperiode reinen Tisch zu machen und ein Transparenzgesetz auf den Weg zu bringen“, sagt der Landesvorsitzende des NABU Baden-Württemberg, Johannes Enssle.
Mit seinem Urteil bestätigt der Verwaltungsgerichthof Baden-Württemberg nun fast wortgleich fünf vorangegangene, erstinstanzliche Gerichtsurteile vom vergangenen Jahr. Revisionen gegen die Urteile des VGH wurden nicht zugelassen. Der NABU Baden-Württemberg und der Zweckverband Landeswasserversorgung (LW) hatten in jeweils unterschiedlichen Verfahren geklagt. Sie wollten wissen, welche Pestizide wo und in welchen Mengen ausgebracht wurden – und zwar in sämtlichen Naturschutzgebieten des Landes sowie in den 800 Quadratkilometer großen LW-Wasserschutzgebieten auf der Schwäbischen Alb im Alb-Donaukreis, dem Landkreis Heidenheim und dem Ostalb-Kreis. „Trotz der eindeutigen Niederlagen vor den Verwaltungsgerichten in Karlsruhe, Stuttgart, Sigmaringen und Freiburg blieb die Landwirtschaftsverwaltung stur und ging in Berufung zum Verwaltungsgerichtshof. Jetzt kassiert sie vor dem obersten Verwaltungsgericht des Landes Baden-Württemberg die obergerichtliche Bestätigung ihrer Niederlagen. Das ist eine klare Botschaft an die Landesregierung, für volle Transparenz bei den Pestiziddaten zu sorgen. Leider braucht es offenbar manchmal Gerichte, um der Verwaltung die Bürgerrechte zu erklären“, so Enssle.
Auch der Geschäftsführer der Landeswasserversorgung, Prof. Dr. Frieder Haakh, ist hoch erfreut über dieses Urteil: „Um dauerhaft sauberes Trinkwasser zu garantieren, brauchen wir Informationen über den Einsatz von Stoffen, die das Trinkwasser gefährden können. Es ist ein Unding, dass das Land dies bis heute blockiert hat und wir damit erst vor Gericht ziehen mussten. Nach diesem Urteil des obersten Verwaltungsgerichts von Baden-Württemberg erwarten wir einen Kurswechsel von Landwirtschaftsminister Peter Hauk und die Offenlegung der Daten. Liegen die Daten vor, können Wasseruntersuchungen deutlich wirtschaftlicher und effizienter gestaltet werden. Unser aller Trinkwasser kann so besser geschützt werden“, sagt LW-Geschäftsführer Haakh.
Verbände fordern Transparenzgesetz
Gemeinsam fordern NABU und Landeswasserversorgung von der neuen Regierungskoalition ein Transparenzgesetz: „Wir sind froh, dass jetzt das Katz- und Maus-Spiel mit den Behörden ein Ende hat und wir wichtigen Umweltdaten nicht länger hinterherrennen müssen. Grüne und CDU müssen sich nun schleunigst an die Arbeit machen und das im Koalitionsvertrag anvisierte Transparenzgesetz auf die Agenda setzen“, fordern Enssle und Haakh. Solche Transparenzgesetze gibt es bereits in Rheinland-Pfalz und Hamburg. Die Behörden müssten einschlägige Informationen dann proaktiv auf einer Transparenzplattform im Internet veröffentlichen und nicht erst, wenn die Bevölkerung danach fragt.
Pestiziddaten – worum geht es genau?
NABU und Landeswasserversorgung hatten die Landwirtschaftsverwaltung des Landes bereits im Jahr 2018 dazu aufgefordert, die nach Maßgabe des Pflanzenschutzgesetzes (§ 11 PflSchG) ohnehin erfassten Aufzeichnungen der landwirtschaftlichen Betriebe über ausgebrachte Pflanzenschutzmittel anonymisiert weiterzugeben. Bislang wiesen die Behörden jedoch jegliches Informationsrecht in dieser Sache zurück. 2020 gaben vier Verwaltungsgerichte den beiden Verbänden in allen Punkten ihrer jeweiligen Klagen recht. Heute bestätigte das oberste Verwaltungsgericht des Landes die vorangegangenen Gerichtsurteile. Im Tenor stellt es klar: Das Informationsfreiheitsrecht ist ein Jedermannsrecht. Die Landesverwaltung stützt sich mit ihrer ablehnenden Haltung auf einen europarechtswidrigen Paragraphen im Bundespflanzenschutzgesetz und handelt damit selbst europarechtswidrig. An der Informationspflicht gibt es nichts zu deuteln.
Unterstützung im Rechtsstreit kommt vom Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (LfDI), Dr. Stefan Brink:
„Das Transparenzprinzip zählt zu den fundamentalen Verfassungsprinzipien der Europäischen Union. Deutschland hat die Aarhus-Konvention unterzeichnet und steht hier in der Pflicht. Baden-Württemberg agiert bislang sehr zögerlich in Sachen Informationsfreiheit. Es wäre gut, die angedachte Einführung eines Transparenzgesetzes nun zügig voranzubringen.“
NABU und LW geht es um Transparenz, nicht um „Bauern-Bashing“
Enssle bedauert, dass NABU und Landeswasserversorgung erst klagen müssen, um diese Fragen zu klären. „Das Insekten- und Vogelsterben ist durch zahlreiche Studien vielfach belegt und es ist klar, dass Pestizide hierbei einen negativen Einfluss haben.“ Selbst den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der vielzitierten Krefelder Studie zum Insektenrückgang sei der Zugang zu Pestizid-Anwendungsdaten bislang verwehrt geblieben. „Das sind doch unhaltbare Zustände“, findet Enssle. Dem NABU gehe es dabei nicht darum, einzelne landwirtschaftliche Betriebe oder die Landwirtschaft im Allgemeinen an den Pranger zu stellen: „Mit pauschalem Bauern-Bashing kommen wir nicht weiter. Wir haben die Daten anonymisiert angefordert, denn es geht uns nicht um Personen, sondern darum, den Einfluss der landwirtschaftlichen Pestizide auf unsere Umwelt besser zu verstehen und Alternativen dafür zu entwickeln“, sagt Enssle. An die Landwirtschaft gerichtet, sagt LW-Geschäftsführer Haakh: „Wer einen sachlichen Umgang mit dem Thema Pflanzenschutz verlangt, muss bereit sein, dafür Transparenz herzustellen. Für die Wasserversorgungsunternehmen im Land ist das schon immer der Standard.“
Hintergrund:
Arhus-Konvention: Um die Beteiligungsrechte der Zivilgesellschaft zu stärken, haben die Staaten der europäischen Region im Juni 1998 die Aarhus-Konvention beschlossen. Zu den darin beschlossenen Rechten der Bürgerinnen und Bürger im Umweltschutz gehören das Recht auf Information, die Öffentlichkeitsbeteiligung und das Klagerecht.
Das Umweltverwaltungsgesetz (UVwG), § 24, vom 25.11.2014, ist die Umsetzung der Aarhus-Konvention in Landesrecht. Es regelt den Zugang zu Umweltinformationen. Darin heißt es: „Jede Person hat nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle im Sinne von § 23 Absatz 1 verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen.“
Die Urteile des VGH Mannheim im Pestizidstreit finden Sie hier:
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