Landesagrarpolitik
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17. November 2021 – „Das ist fast schon ein historischer Moment“ sagt der NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle über die heutige Vorstellung des Berichts zur Anwendung chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel in Baden-Württemberg durch Landwirtschaftsminister Peter Hauk. „Damit liegt nun endlich und erstmalig ein offizieller landesweiter Referenzwert für die Halbierung des Pestizideinsatzes bis 2030 vor, wie es nach dem Volksbegehren ,Rettet die Bienen‘ als Ziel im Biodiversitätsstärkungsgesetz verankert wurde. Man sieht dem Bericht an, dass sich die Landwirtschaftsverwaltung damit große Mühe gemacht hat. Bislang ist so ein Bericht auf Ebene eines Bundeslandes einmalig“, betont Enssle.
Neuer Bericht bestätigt Pestizidbericht des NABU von 2018
„Der neue Bericht kommt praktisch zu identischen Ergebnissen wie der 2018 vom NABU vorgelegte Pestizidbericht. Das bestätigt, dass wir – trotz der teils massiven Kritik, die uns damals von der Landwirtschaftsverwaltung erreichte – methodisch und im Ergebnis richtig lagen. Der NABU errechnete für das Jahr 2014 eine Menge von 2.309 Tonnen Pflanzenschutzmitteln, die jährlich in den wichtigsten landwirtschaftlichen Kulturen in Baden-Württemberg ausgebracht werden. Der Bericht der Landesregierung kommt nun für das Jahr 2016 mit 2.300 Tonnen auf nahezu denselben Wert“, sagt Enssle.
Der Bericht der Landesregierung bestätigt damit die herausragende Rolle der Landwirtschaft bei der Pestizidreduktion. Rund 98 Prozent aller eingesetzten chemisch-synthetischen Mittel werden in der landwirtschaftlichen Bodennutzung eingesetzt. Zusätzlich hat die Landesregierung Hochrechnungen für die Flächen der Deutschen Bahn, für den Gemüseanbau, den Forst, das öffentliche Grün und den Haus- und Kleingartenbereich einbezogen. Alle Werte wurden zusammengefasst und um die im Ökolandbau eingesetzten Mittel reduziert. Als Ergebnis kommt die Landesregierung auf einen Referenzwert von 1.900 Tonnen chemisch-synthetische Pestizide als Mittelwert der Jahre 2016 bis 2020.
Der Bericht beschreibt sehr umfassend den Status quo der verschiedenen Möglichkeiten und Aktivitäten der Landesregierung zur Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes. Damit liefert er eine gute Ausgangslage für weitere Aktivitäten. Im Bericht wird deutlich, dass die Umstellung auf Ökolandbau ein wesentlicher Beitrag ist, um die Reduktionsziele in Baden-Württemberg zu erreichen.
Kritisch sieht Enssle die mangelnde Analysetiefe des Berichtes. „Dem Bericht fehlt bislang eine tiefergehende Analyse der eingesetzten Wirkstoffe. Damit bleibt er hinter den Möglichkeiten der ausgewerteten Daten zurück. Einige Wirkstoffe stören das Ökosystem stärker als andere, deshalb müssen wir uns die eingesetzten Wirkstoffe genauer ansehen.“ Als Beispiele nennt der NABU-Landeschef das Fungizid Bixafen, das mit rund 500 Tagen sehr lange braucht, um sich in der Umwelt abzubauen. Andere Mittel, wie etwa jene aus der Gruppe der Neonicotinoide, wirken systemisch. Sie verteilen sich in der gesamten Pflanze und sogar in deren Umfeld, etwa im Boden. Sämtliche Organismen, die an ihr oder auch nur an herabgefallen Pflanzenteilen beißen, saugen oder nagen, werden belastet. „Die Anwendung von Neonicotinoiden im Freiland wurde von der EU bereits 2018 verboten. Dennoch wurde im Frühjahr 2021 das Neonicotinoid Thiamethoxam per Notfallzulassung für 12.000 Hektar Zuckerrübenanbau in Baden-Württemberg zugelassen. Nach Ansicht des NABU muss der Bericht der Landesregierung auch solche Aspekte erläutern“, erklärt Enssle.
Schon während des Volksbegehrens hatte der NABU daher immer wieder eingefordert, neben der Menge der angewendeten Pflanzenschutzmittel auch deren Umweltbelastung in den Fokus zu nehmen: „Wir haben mehrfach angemahnt, dass es nicht ausreicht, einfach nur die Pestizidmenge insgesamt zu reduzieren. Es braucht auch eine Betrachtung der eingesetzten Wirkstoffe entlang von Parametern wie Toxizität und Umweltrisiko.“ In diesem Punkt ging der NABU mit seinem Pestizidbericht von 2018 bereits weiter. Darin wurde für jeden einzelnen Wirkstoff mit Hilfe eines Giftigkeits-Indikators die toxische Last für Baden-Württemberg berechnet.
„Diese Analyse nach Toxizität – also nach der Giftigkeit und dem Umweltrisiko der eingesetzten Wirkstoffe – wird die Landesregierung in ihrem nächsten Bericht nachholen müssen“, fordert Enssle.
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