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Mehr ...Kretschmann besucht Hotspot der Biodiversität
NABU und LJV laden zum Feldspaziergang ins Neckartal ein
22. August 2024 – Das Rebhuhn ist gerettet! Diese Botschaft würden NABU und Landesjagdverband (LJV) Ministerpräsident Winfried Kretschmann gerne mit auf den Weg geben. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg, wie beim gemeinsamen Wurmlinger Feldspaziergang deutlich wurde. Zu diesem haben die Verbände gestern (21.8.) Winfried Kretschmann im Rahmen seiner Sommertour eingeladen. Die beiden Verbände informierten darüber, welche Maßnahmen zur Wiederausbreitung des seltenen Hühnervogels geeignet sind.
Als Leitart der Agrarlandschaften spielt das Rebhuhn eine besondere Rolle. Wo Naturschutz, Landwirtschaft und Wildtiermanagement erfolgreich ineinandergreifen, erholen sich seine Bestände. Und auch andere Arten kommen zurück. Ministerpräsident Winfried Kretschmann zeigte sich beim Feldspaziergang beeindruckt vom lokalen Engagement zum Schutz des Rebhuhns und der Biodiversität im Landkreis: „Der unermüdliche Einsatz hier im Neckartal zeigt, was durch die Zusammenarbeit aller Beteiligten aus Politik, Landwirtschaft und Naturschutz möglich ist. Es stimmt mich hoffnungsvoll, dass wir gemeinsam die Trendwende schaffen können, damit einst häufige Feldvögel, wie das Rebhuhn, sich wieder ausbreiten können.“
Neckartal auf dem Weg zum Rebhuhn-Hotspot
Das Neckartal zwischen Wurmlingen, Rottenburg und Tübingen ist bereits auf dem Weg zum Rebhuhn-Hotspot. „Die Trendwende ist im Neckartal eingeläutet, jetzt gilt es dies auch in anderen Gebieten zu erreichen und dranzubleiben im Feldvogelschutz“, sagte Sabine Geißler-Strobel. Die promovierte Agrarbiologin engagiert sich seit Jahren für die Rettung des Hühnervogels, derzeit im Bundesprojekt „Rebhuhn retten – Vielfalt fördern!“ – gemeinsam mit vielen Partnerinnen und Partnern aus Landwirtschaft, Kommunen, Verwaltung, Naturschutz und Jägerschaft. Der Erfolg: 2015 war das Vorkommen des Rebhuhns im Neckartal erloschen. Danach gelang die Wiederbesiedlung. Die Zahl der Rebhuhn-Reviere kletterte auf 21 in diesem Jahr. Auch der Kiebitz, Vogel des Jahres 2024, war in den 1990er Jahren als Brutvogel aus dem Neckartal verschwunden. Heute hat er das Gebiet wieder besiedelt: „Dieses Jahr haben 13 Paare 27 flügge Jungvögel großgezogen, ein toller Erfolg. Gelungen ist das mit der Anlage hochwertiger Refugialflächen“, erklärte Geißler-Strobel.
Die ergriffenen Maßnahmen sind ganz im Sinne des Biodiversitätsstärkungsgesetzes. Dieses hat zum Ziel, auf zehn Prozent der landwirtschaftlichen Flächen hochwertige Refugialflächen zu schaffen. Das Biodiversitätsstärkungsgesetz war die Antwort der Landesregierung auf das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ im Jahre 2020.
Feldvögel brauchen Lebensräume in der Landwirtschaft
Das Monitoring der Rebhühner im Landkreis Tübingen belegt: Mehrjährige Blühbrachen kombiniert mit Gehölzpflege schaffen die Basis, damit Rebhühner ihre Küken erfolgreich großziehen können. Während im Landkreis Tübingen in Teilgebieten mit mehrjährigen Blühflächen der Bestand um 65 Prozent zunahm, sank dieser fast ebenso schnell in Teilgebieten ohne diese Maßnahmen. Die Vögel brauchen ganzjährig geeignete Strukturen, um Schutz oder Nahrung zu suchen.
In einem kleinen Kerngebiet im Neckartal mit zirka 130 Hektar waren 2024 die zehn Prozent Refugialflächen fast erreicht. Dazu tragen mehrjährige Brachen, gezielte Maßnahmen für den Kiebitz, aber auch lückige Getreideäcker und Schutzstreifen im Kleegras bei – wie beim Feldspaziergang verdeutlicht wurde. Wichtigste Akteure sind Landwirtinnen und Landwirte, die Maßnahmen auf ihren Flächen umsetzen und damit „Biodiversität produzieren“. Im Bundesprojekt soll nun außerdem ein ganzheitlicher Ansatz umgesetzt werden, der auch ein Prädatorenmanagement miteinschließt.
Damit Arten wie das Rebhuhn, die Grauammer oder die Feldlerche nicht nur im Landkreis Tübingen ein sicheres Zuhause finden, sensibilisiert das NABU-Projekt „Landwirt-schaf(f)t Lebensraum – Refugialflächen für die Artenvielfalt“ Landwirtinnen und Landwirte im gesamten Ländle für die Bedeutung hochwertiger Refugialflächen, wie mehrjährige Blühbrachen, und wirbt für deren Anlage. Die Best Practice-Beispiele aus Rottenburg zeigen die erfolgreiche Umsetzung und sammeln wertvolle Erfahrungen, die verbreitet werden sollen.
Für den NABU-Landesvorsitzenden Johannes Enssle zeigen die Projekte: „Feldvögel können nicht von Luft und Liebe leben. Sie brauchen artgerechte Lebensräume, die es nur mit der Landwirtschaft geben kann. Die Biodiversitätssicherung in Baden-Württemberg braucht wieder mehr Raum. Die im Biodiversitätsstärkungsgesetz festgelegten zehn Prozent Refugialflächen sind ein zentraler Schlüssel zur Rettung der Feldvögel und der Biodiversität in der Agrarlandschaft.“
Landesjägermeister Dr. Jörg Friedmann ergänzte: „Viele Landwirtinnen und Landwirte haben ein Herz für Rebhühner. Sie müssen aber auch von ihrer Arbeit leben können. Damit Baden-Württemberg wieder Rebhuhn-Ländle wird, braucht es mehr Brachen und integrierte Maßnahmen wie Lichtäcker, die endlich ausreichend dotiert werden“, wünschte er sich.
Biodiversität nicht zum Nulltarif
Damit Baden-Württemberg sein im Koalitionsvertrag beschlossenes Programm zum Feldvogelschutz umsetzen kann, sind im nächsten Doppelhaushalt rund 10 Millionen Euro pro Jahr für die geplante Artenschutzoffensive nötig, rechnen NABU und LJV vor. „Wir hoffen sehr, dass sich Ministerpräsident Kretschmann bei den zuständigen Ministerien dafür einsetzt, dass Landwirtschaftsbetriebe für ihren Einsatz und den Ertragsausfall, der ihnen durch die Umsetzung der Maßnahmen entsteht, ausreichend und verlässlich entlohnt werden. Die Agrarumweltprogramme des Landes brauchen dafür ausreichende finanzielle Mittel“, so Enssle und Friedmann.
Mehr Rückenwind aus der Politik nötig
Für die Biodiversitätsoffensive im Südwesten gab es zuletzt wenig Rückenwind aus Brüssel und Berlin, was die Umsetzung erschwert. Durch den Wegfall der verpflichtenden vier Prozent GLÖZ8-Brachen entfällt ein wichtiges Element für den Biodiversitätsschutz. Beim Biotopverbund als bundes- und landesweite Strategie gibt es auf kommunaler Ebene vielerorts Planungen, aber bis jetzt zu wenig Umsetzung. Das Rebhuhn ist Zielart im landesweiten Biotopverbund. Erst für Populationen ab circa 250 Revieren kann ein Vorkommen als langfristig gesichert gelten. Maßnahmen müssen deshalb großräumig geplant und umgesetzt werden. Von dieser Zahl ist man derzeit auch im Landkreis Tübingen weit entfernt. Mitte der 1980er Jahren gab es hier noch solche Bestände. Umso erfreulicher, dass dieses Frühjahr bei den ehrenamtlichen Kartierungen insgesamt wieder über 50 Reviere im Landkreis Tübingen gezählt wurden.
Hintergrund:
- Die Bestände von vielen Tier- und Pflanzenarten der Agrarlandschaften sind seit Jahren im dramatischen Sinkflug: Das Rebhuhn ist in Baden-Württemberg vom Aussterben bedroht. Von geschätzt 50.000 Brutrevieren in den 1950er Jahren sind heute noch 400 bis 600 übrig. Laut Ornithologischer Gesellschaft BW (siehe Grafik) ist der Bestand allein in den Jahren 1995 bis 2020 um 82 Prozent eingebrochen, mit weiter sinkender Tendenz. Fatal ist die Lage landesweit auch bei Kiebitz (-92%), Braunkehlchen (-89 %) und Grauammer (-78 %). Teils große Verluste gibt es auch bei anderen Arten der Agrarlandschaft, wie der Feldlerche und vielen Insektenarten. Weitere Infos: Positionspapier zum Bodenbrüterschutz (2022).
- Das Projekt „Landwirt-schaf(f)t Lebensraum – Refugialflächen für die Artenvielfalt“: Eine vielfältige Agrarlandschaft mit naturnahen Rückzugsflächen kann Lebensräume für unzählige Tiere und Pflanzen bieten. Dieses Projekt des NABU Baden-Württemberg berät Landwirtinnen und Landwirte, wie sie die Maßnahmen des Biodiversitätsstärkungs-gesetzes umsetzen können. Es hat eine Laufzeit von zwei Jahren und wird mit Unterstützung der Stiftung Naturschutzfonds aus zweckgebundenen Erträgen der Glücksspirale gefördert. Weitere Infos: www.NABU-BW.de/refugialflaechen
- Das bundesweite Verbundprojekt „Rebhuhn retten – Vielfalt fördern!“: Das Projekt läuft von 2023 bis 2029 und wird von der Abteilung Naturschutzbiologie der Uni Göttingen, dem Deutschen Verband für Landschaftspflege (DVL) und dem Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) koordiniert. Zehn Praxispartner aus acht Bundesländern wollen die Trendumkehr bei den Rebhuhnbeständen schaffen. In Baden-Württemberg sind das der NABU in Kooperation mit dem LJV. Gemeinsam mit lokalen Vertreterinnen und Vertretern aus Landwirtschaft, Jägerschaft, Naturschutz und Verwaltung werden in den Modellgebieten Tübingen und Fellbach wirksame Maßnahmen zum Rebhuhnschutz umgesetzt. Die dortigen Erfahrungen sollen lokale Initiativen im Verbundraum zwischen Tübingen und Heilbronn stärken. Das Verbundprojekt wird im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz gefördert. Das BW-Teilprojekt erhält zudem Fördermittel vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg. Weitere Infos: www.rebhuhn-retten.de
Mehr Informationen:
Eine vielfältige Agrarlandschaft mit naturnahen Rückzugsflächen kann Lebensräume für unzählige Tiere und Pflanzen bieten. Wir beraten Landwirtinnen und Landwirte, wie sie die Maßnahmen des Biodiversitätsstärkungsgesetzes effizient umsetzen können. Mehr →
Das Rebhuhn ist auf Baden-Württembergs landwirtschaftlichen Flächen nur noch selten zu beobachten. Die Bestände des Feldvogels haben stark abgenommen. Gemeinsam mit Projektpartnern setzt sich der NABU-Landesverband für den Lebensraumerhalt des Rebhuhns ein. Mehr →