Was ist artenreiches Grünland?
NABU fordert, artenreiches Grünland zu schützen
In der Wurzelmasse unter Grünland ist der Humusgehalt deutlich größer als unter Ackerland, sodass der Humusgehalt von Wiesenböden hoch ist und eine klimafreundliche Kohlenstoff-Senke darstellt. Wenn das Grünland traditionell und extensiv als Weide oder als ein- bis zweimalig gemähte Wiese standortgerecht genutzt wird ohne Drainage (Entwässerung), ohne übermäßige Düngung, ohne chemisch-synthetische Pestizide und ohne das Nachsäen mit nicht standortgerechten Grünlandsorten, hat man es mit artenreichem Grünland zu tun.
Dann bilden bis zu 40 bis 60 verschiedene Kräuter- und Grasarten pro Quadratmeter die Grundlage für ein Naturwunder im Kleinen, einen echten Mikrokosmos, der ergänzt wird durch eine unglaubliche Vielzahl von spezialisierten Tierarten aus der Gruppe der Amphibien, Vögel, Spinnen, Heuschrecken, Schmetterlinge und weiterer Insekten.
Intensives versus extensives Grünland
Die Erträge von artenreichem Grünland sind geringer als bei intensiv gedüngten Vielschnittwiesen, bei denen statt zweimal im Jahr Heu vier- bis sechsmal im Jahr Silage gemacht wird. Auf so einem intensiv genutzten Grünland gibt es dann häufig nur noch eine Handvoll verschiedener Gräser- und Kräuterarten. Die ursprüngliche Artenvielfalt ist dahin und auch die oben erwähnten Vorteile extensiv genutzter Wiesen und Weiden für Klima, Boden und Wasserschutz leiden. So sind über die vergangenen Jahrzehnte viele blumenbunte Wiesen und Weiden aus unseren Landschaften verschwunden. Die „moderne“ Vielschnittsilagewiese kommt kaum noch zum Blühen, weil sie häufig schon Ende April, spätestens Anfang Mai zum ersten Mal gemäht wird, und wenn sie doch zum Blühen kommt, dann ist es ein monoton einheitliches Gelb des Löwenzahns oder Weiß des Wiesenkerbels.
Dieser Intensivierungsschub beim Grünland geht aber noch weiter: für die intensive Landwirtschaft sind Ackerkulturen rentabler als extensives Grünland, weshalb auch viele Wiesen und Weiden bereits zu Äckern umgebrochen wurden. Das Vieh, wenn es dann nicht auch gleich mitabgeschafft worden ist, muss Maissilage anstatt Wiesenheu fressen.
Gründlandumbruch
Seit einigen Jahren versucht die Agrarpolitik zwar, den Grünlandumbruch etwas einzudämmen. Die Direktzahlungen von ca. 250 Euro pro Hektar sind nun daran geknüpft, dass die Grünlandfläche länderweit nicht stärker als fünf Prozent gegenüber dem Bezugsjahr 2003 abnimmt. Aber auch das hat wenig gebracht: diese Grenze ist in einigen Bundesländern längst überschritten worden, und auch in Baden-Württemberg ist die Bilanz besorgniserregend. In einigen Landkreisen (Oberschwaben) sind es mehr als fünf Prozent, so dass sich die Landesregierung im Sommer 2011 veranlasst sah, ein sofortiges Grünlandumwandlungsverbot im Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz (LLG) zu beschließen.
Der NABU hat ein solches Verbot seit Jahren gefordert und es deshalb als überfällig begrüßt. Allerdings wird der Erhalt von artenreichem Grünland durch ein solches Verbot für die intensive Landwirtschaft ökonomisch noch lange nicht attraktiv. Hierzu müssen in den baden-württembergischen Agrarumweltprogrammen FAKT und Landschaftspflegerichtlinie (LPR) die Fördersätze für den Erhalt extensiv genutzter Wiesen und Weiden deutlich erhöht werden. Der NABU setzt sich massiv dafür ein. Denn die ökonomischen Anreize, Grünland intensiv zu nutzen oder gleich in Ackerland umzupflügen, sind in den vergangenen Jahren nochmal deutlich angestiegen.
FFH-Wiesen
Einige besonders artenreiche Grünlandgesellschaften stehen unter besonderem europäischem Schutz als sogenannte FFH-Wiesen (FFH: Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU). Bei den traditionellen Heuwiesen sind das die Flachland-Mähwiesen (zu 93%) und die Berg-Mähwiesen (zu 7%). Rund 62.700 Hektar dieser beiden Wiesengesellschaften wurden in Baden-Württemberg kartiert und stehen damit unter dem europäischen NATURA 2000- Lebensraumschutz. Für die Landwirtinnen und Landwirte heißt das, dass sich der naturschutzfachliche Zustand dieser Wiesen nicht verschlechtern darf, sie ihre Bewirtschaftung nicht so intensivieren dürfen, dass die Pflanzenvielfalt zurückgeht. Das europäische Naturschutzrecht verpflichtet die Mitgliedstaaten, im mehrjährigen Abstand den ökologischen Zustand dieser Flächen zu überprüfen und bei offensichtlichen Verstößen gegen das Verschlechterungsverbot Sanktionen und Bewirtschaftungsauflagen zu verhängen.
Leider haben behördliche Vollzugsdefizite und politische Verschleppungstaktik in Deutschland dazu geführt, dass der FFH-Status bisher keinen wirksamen Schutz des artenreichen Grünlands vor Intensivierung darstellt. Und dort, wo dann doch nach vielen Jahren endlich Nachkartierungen der besonders geschützten Wiesen von amtlicher Seite ausgeführt wurden, haben sie die Warnungen und Beobachtungen des NABU bestätigt: der Erhaltungszustand vieler FFH-Wiesen im Land ist deutlich schlechter geworden, etliche können nicht mehr als artenreiche Blumenwiesen gelten und sind der Intensivierung, dem Pflug oder gar der Bebauung (auch das kam vor) zum Opfer gefallen. Bei den Nachkartierungen im Land wurde festgestellt, dass von den artenreichen Mähwiesen „nur“ 37% innerhalb der FFH-Schutzgebiete und 63% außerhalb liegen. Konkret sind von den innerhalb der Schutzgebiete liegenden Mähwiesen (37%) insgesamt 7.700 ha verloren gegangen! Aber auch außerhalb sind sehr viele Flächen verschwunden oder in einem sehr schlechten Erhaltungszustand (42%).
Vertragsverletzungsverfahren
Durch die EU-Naturschutzrichtlinien sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, die Natura 2000-Schutzgebiete aufzubauen und zu sichern. Diesen Verpflichtungen ist Deutschland bei seinem artenreichen Grünland (dazu gehören die FFH-Mähwiesen) systematisch nicht nachgekommen, weshalb der NABU 2014 eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingereicht hat, die dann ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat. Im Vertragsverletzungsverfahren wird bemängelt, dass Deutschland trotz kontinuierlicher Verschlechterung des Zustands und dem Verschwinden von artenreichen Wiesen nur unzureichende Erhaltungs- und Widerherstellungsmaßnahmen durchführt. So gibt es in vielen Schutzgebieten keine Gebote oder Regelungen zur Mahd oder Düngung, um die Mähwiesen zu schützen. Zudem werden Landwirtinnen und Landwirte nicht ausreichend für ihre Pflege entlohnt und beratend begleitet.