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Mehr ...Notfallzulassung für Neonicotinoide widerspricht Pestizidreduktionsstrategie des Landes
Neonicotinoide wurden 2018 verboten
14. Januar 2021 – Neonicotinoide, kurz Neonics, sind extrem schädlich für Insekten, die Bodenlebewesen und damit auch für Vögel. Die Wirkstoffe sind als umwelt- und gewässergefährdend eingestuft und giftig für Wild- und Honigbienen. Aus gutem Grund hat die Europäische Union daher die Mittel 2018 verboten und damit auch das Beizen von Saatgut mit Thiamethoxam, etwa für den Zuckerrübenanbau. Ein Hintertürchen ist allerdings offengeblieben – die Notfallzulassung. Nur knapp ein halbes Jahr nach Verabschiedung des Biodiversitätsstärkungsgesetzes im Land hat das Landwirtschaftsministerium von Agrarminister Peter Hauk (CDU) die Notfallzulassung beim Bund beantragt und erhalten. Die Südzucker AG in Offenau darf vom 1. Januar bis 30. April 2021 auf 12.000 Hektar Fläche mit Thiamethoxam gebeiztes Zuckerrübensaatgut ausbringen. Der Stoff soll Blattläusen und mit ihnen dem Vergilbungsvirus den Garaus machen.
„Der NABU sieht die Notfallzulassung von Neonics wie Thiamethoxam äußerst kritisch. Bereits fünf Milliardstel Gramm (0,000000005 g) der Chemikalie reichen aus, um eine Honigbiene zu töten, Schädigungen treten bereits bei noch geringeren Mengen auf. Die zugelassene Wirkstoffmenge pro Hektar würde somit theoretisch reichen, um 9,9 Milliarden Bienen zu töten. Zudem wirkt ein Großteil des Giftes gar nicht in der Pflanze. Bis zu 99 Prozent des Pestizids, das den gebeizten Saatkörnern anhaftet, gelangt in den Boden, wo es die dort lebenden Bodenorganismen schädigt und so auch in die Nahrungskette von Kleinsäugern und Vögeln gelangen kann. Mit dem Regen wird es in Oberflächengewässer ausgeschwemmt und schädigt die Gewässerfauna“, kritisiert der NABU-Landwirtschaftsreferent Jochen Goedecke.
Alternativen sind möglich
Diese Notfallzulassung des Landes Baden-Württemberg steht für den NABU-Experten den eigenen Zielen des Landwirtschaftsministeriums entgegen, die Pestizidmengen bis 2030 um 40 bis 50 Prozent zu senken, wie es der Landtag verabschiedet hat. „Mit Neonics gebeizte und damit für die Natur hochtoxische Saatkörner sollten bei uns nicht mehr zum Einsatz kommen. Aus unserer Sicht ist die Notfallzulassung überflüssig, denn Alternativen sind möglich“, so Goedecke.
„Ein Zuckerrübenanbau nach ökologischen Kriterien ist machbar. Mit einfachen, zur landwirtschaftlichen Praxis gehörenden Maßnahmen, wie den vier folgenden, kann der Zuckerrübenanbau auch ohne den Einsatz von Neonicotinoiden gelingen, wie zahlreiche ökologisch wirtschaftende Betriebe und auch die Supermarktregale zeigen“, so Goedecke. Diese sind:
1) Fruchtfolge, angepasste Sortenwahl und die richtige Standortwahl
2) Stärkung der Bodengesundheit
3) Verstärkte Ackerhygiene (keine Übertragung der Schädlinge auf andere Äcker)
4) Bodenbearbeitung und Unkrautbekämpfung mechanisch
Der erhöhte Aufwand und die Gefahr von höheren Verlusten auf dem Feld können in der Regel durch die bestehenden höheren Vermarktungspreise und durch die bessere Förderung des Ökolandbaus ausgeglichen werden. „Aus unserer Sicht liegt hierin die Zukunft“, sagt Goedecke.
Aus Sicht des NABU verstößt die Saatgutbeize auch gegen die gesetzlichen Bestimmungen des EU-Pflanzenschutzrechtes, das den ‚Integrierten Pflanzenschutz‘ vorschreibt. „Mit der Saatgutbeize werden hochtoxische, chemische Mittel prophylaktisch eingesetzt. Das widerspricht den Grundsätzen des integrierten Pflanzenschutzes, wonach chemische Mittel nicht vorbeugend, sondern nur als letztes Mittel und auch nur zur akuten Behandlung von Schädlingen eingesetzt werden dürfen. Davor müssen alle anderen, nicht-chemischen Maßnahmen, wie eine breitere Fruchtfolge oder die mechanische und biologische Schädlingsregulierung, unternommen worden sein.
Weitere Informationen:
Papier des Bündnisses zum Schutz der Bienen über Gefahren durch Neonicotinoide beim Anbau von Zuckerrüben und alternative Verfahren für den Anbau.
Bundesweiter Experten-Workshop zum Zuckerrübenanbau und zu Alternativen.
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