Volksbegehren am Ziel
Der Landtag verabschiedete die Änderungen des Naturschutzgesetzes sowie des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes. Mehr →
21. Juli 2021 – Vor einem Jahr hat der Landtag das Biodiversitätsstärkungsgesetz verabschiedet. Für den NABU Baden-Württemberg war das Gesetz ein wichtiger Meilenstein, um den Arten- und Biotopschutz im Land voranzubringen. Doch trotz einiger Fortschritte, etwa in der Landwirtschaft und beim neuen Kompensationskataster, verfehlt das Gesetz seine Ziele bei Streuobstwiesenschutz und Schottergartenverbot.
„Insgesamt waren wir Naturschützer sehr erfreut über das Gesamtpaket, es war an einigen Stellen zwar schwächer als das ursprüngliche Volksbegehren, bot in Summe aber deutlich mehr als das Volksbegehren. Jetzt zeigen sich jedoch Schwächen bei der Umsetzung, vor allem unter kommunaler Zuständigkeit“, fasst der NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle zusammen. Leider sei der im Naturschutzgesetz neu eingeführte Paragraph zum Schutz der einzigartigen Streuobstbestände im Land ein zahnloser Tiger. „Landauf, landab planen die Kommunen Baugebiete in die Streuobstwiesen hinein. Die artenreichen Lebensräume werden unvermindert gerodet und überbaut. Offenbar reizen viele Kommunen und Unteren Kreisbehörden ihren Ermessensspielraum systematisch und fragwürdig zugunsten von Bebauungen aus, trotz Ermahnungen des Umweltministeriums. Hier muss das Land klare Kante zeigen und beim Schutz der Streuobstwiesen vor Überbauung sowie beim Flächenverbrauch nachschärfen“, fordert Enssle.
Umsetzungsstau bei Netto-Null-Ziel
Über den mangelnden Streuobstschutz und den weiterhin hohen Flächenverbrauch seien auch viele NABU-Gruppen verärgert. Der von Bundestag und Bundesrat erneut verlängerte „Betonparagraph“ 13b im Baugesetzbuch treibe den hohen Flächenverbrauch weiter voran. Dabei ist es das erklärte Ziel des Koalitionsvertrages der Landesregierung, den Flächenverbrauch bis 2035 auf Netto-Null zu reduzieren. „Wir sind sehr gespannt, mit welchen Maßnahmen das neu gegründete Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen das im Koalitionsvertrag verankerte Ziel der Netto-Null beim Flächenverbrauch erreichen will.
Beim Schutz von Streuobstwiesen würden wir aktuell deutlich besser fahren mit der im Rahmen des Insektenschutzprogramms der Bundesregierung neu eingeführten Regelung, Streuobstbestände unter Biotopschutz zu stellen, als mit der aktuellen Landesregelung“, so Enssle. Leider hätten die Bundesländer im Bundesrat aber dafür gesorgt, dass sie von dieser Bundesregelung abweichen dürfen.
Fehlender kommunaler Vollzug bei Schottergartenverbot
Eine ebenso enttäuschende Bilanz zieht der NABU beim neu eingeführten Schottergartenverbot. „Obwohl Schottergärten jetzt unmissverständlich verboten sind, da sie den Zielen des Umwelt- und Naturschutzes und der Anpassung der Siedlungsräume an Hitzeperioden und Starkregenereignisse im Klimawandel widersprechen, wird die Einhaltung des Verbots nur von sehr wenigen Kommunen überhaupt kontrolliert“, sagt Enssle. Der NABU wünscht sich, dass die Kommunen ihrem gesetzlichen Auftrag hier besser nachkommen.
Hintergrund: Ein Jahr Biodiversitätsstärkungsgesetz – was wurde erreicht, was verpasst?
Insgesamt: Gutes Gesamtpaket, an dessen Umsetzung mit Hochdruck gearbeitet wird. Volksbegehren „Rettet die Bienen“ war unverzichtbarer Impulsgeber dafür. Es hat die Basis für einen neuen, konstruktiveren Dialog zwischen Naturschutz, Landwirtschaft und Politik gelegt. Die im Gesetz gesteckten Ziele, wie z. B. die Pestizidreduktion um 40 bis 50 Prozent bis 2030, müssen nun über wirkungsvolle Maßnahmen umgesetzt werden.
Negativ: Schwächen in der Durchsetzung von Schottergartenverbot und beim Streuobstwiesenschutz. Zu viele Ausnahmen vom Insektenschutz beim Thema Beleuchtung an öffentlichen Gebäuden – bei diesen Punkten gibt es Nachbesserungsbedarf. Der Flächenverbrauch schreitet trotz des Gesetzes weiter voran und braucht intensivere Befassung in dieser Legislatur.
Positiv: Landwirtschaft: Ökoanbaufläche wächst; landwirtschaftliche Förderprogramme werden angepasst; Pestizidreduktionsstrategie wird erarbeitet; Kriterienkatalog für Refugialflächen zum Schutz von Wildbienen, Schmetterlingen und Feldvögeln auf landwirtschaftlichen Flächen entsteht; Fortführung des Dialogs zwischen Landwirtschaft und Naturschutz; „Gesellschaftsvertrag“ als festes Ziel im Koalitionsvertrag verankert.
Biotopverbund-Botschafter*innen sind bei den Landratsämtern als Projektstellen installiert, diese Stellen müssen entfristet werden.
IT-Projekt Kompensationskataster an der LUBW entsteht.
Schottergärten – keine zulässige Nutzung
Für den NABU hatte bereits die alte Landesbauordnung (LBO) das Problem eindeutig geregelt. Unter § 9 Abs. 1 heißt es: „Die nichtüberbauten Flächen der bebauten Grundstücke müssen Grünflächen sein, soweit diese Flächen nicht für eine andere zulässige Verwendung benötigt werden.“ Eindeutiger steht nun im neu eingeführten § 21a Naturschutzgesetz, „dass Gartenanlagen insektenfreundlich gestaltet und Gartenflächen vorwiegend begrünt werden“ sollen sowie, dass Schottergärten verboten sind.
Streuobstwiesen – gefährdetes Artenparadies
Mit über 5.000 Tier- und Pflanzenarten zählen die Streuobstbestände in Baden-Württemberg zu den artenreichsten Lebensräumen im Land und darüber hinaus. Trotzdem werden sie nicht landesweit kartiert, was ihren Schutz erschwert. Seit 31. Juli 2020 sind Streuobstwiesen in § 33a Naturschutzgesetz geschützt und dürfen nur nach behördlicher Genehmigung gerodet werden. Ob normales Bauverfahren oder nach § 13b Baugesetzbuch – in beiden Fällen gilt der Streuobstschutz ab einer Größe von 1.500 Quadratmetern. Auch dann, wenn das Verfahren vor Juli 2020 gestartet wurde und fast abgeschlossen ist. Die Unteren Naturschutzbehörden müssen beteiligt werden, um den erforderlichen Streuobstwiesenschutz zu prüfen und umzusetzen. Nicht gestattet ist ein Ausgleich des Verlustes über Ökokontomaßnahmen, wie dies bei genehmigten Bebauungsplänen der Fall ist.
Der Landtag verabschiedete die Änderungen des Naturschutzgesetzes sowie des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes. Mehr →
Das Insektensterben ist eine Tatsache, auch bei uns. Das ergibt eine vom NABU Baden-Württemberg aktuell fertiggestellte Auswertung . Mehr →
Das Artensterben bedroht Tiere, Pflanzen und die gesamte Menschheit. Nur eine grundlegende Reform der Landwirtschaft kann das ändern. Mehr →
Mit einer NABU-Geschenkpatenschaft für Wildbienen oder Greifvögel und Eulen schenken Sie Ihren Lieben ein ganz besonderes Stück Natur.
Mehr ...