Gelungene Urwaldprojekte
Beispiele aus Baden-Württemberg, Deutschland und Europa
Auf dieser Seite möchten wir Ihnen beispielhalft einige gelungene Urwald-Projekt im Kommunal-, Privat- und im Staatswald vorstellen.
Ob Ökokonto, Sponsoring oder Eigeninitiative – die Beispiele zeigen, dass es sich lohnt, quer zu denken.
Und natürlich sollen die Beispiele zum Nachahmen anregen.
Mönsheim (Baden-Württemberg)
Nutzung des Ökokontos zur Umsetzung des Alt- und Totholzkonzeptes
Im Jahre 2013 beschloss der Gemeinderat von Mönsheim im rund 350 Hektar großen Gemeindewald das Alt- und Totholzkonzept (AuT) von ForstBW umzusetzen. Dafür wurden insgesamt neun Waldrefugien mit einer Gesamtfläche von 14,5 Hektar neu ausgewiesen. Zusammen mit weiteren Naturwaldflächen, sind damit fast sechs Prozent des Gemeindewaldes von Mönsheim „Urwald von morgen“. Für die Waldrefugien erhielt die Gemeinde vier Ökopunkte pro Quadratmeter. In der Summe also 580.000 Ökopunkte.
Einen Teil davon verkaufte sie an die Porsche AG, die zu dieser Zeit im benachbarten Weissach mehrere Parkplätze bauen ließ. Die Porsche AG benötigte hierfür rund 200.000 Ökopunkte und einigte sich mit Mönsheim auf einen Preis von 0,80 Euro je Ökopunkt. Für die Gemeinde bedeutete dies eine Sondereinnahme von rund 160.000 Euro, die in kommunale Projekte investiert werden konnten.
Die noch offenen Ökopunkte kann die Gemeinde Mönsheim zu einem späteren Zeitpunkt für eigene Entwicklungsprojekte im Außenbereich nutzen oder sie an externe Vorhabensträger für Projekte im Naturraum Neckar- und Tauber-Gäuplatten verkaufen. Bis dahin werden die Ökopunkte für maximal zehn Jahre mit drei Prozent auf dem Ökokonto beim Landratsamt verzinst und gewinnen somit weiter an Wert.
Auf dem Urwald-Dialog des NABU im November 2014 stellt der Revierförster Uli Schiz das AuT-Konzept und den Weg der Gemeinde über das Ökokonto vor.
Der Vortrag kann hier heruntergeladen werden.
Hümmel (Rheinland-Pfalz)
Urwald als CSR-Projekt und Waldschutz durch Beerdigungen
Im äußersten Norden von Rheinland-Pfalz gelegen grenzt die Gemeinde Hümmel unmittelbar an Nordrhein- Westfalen. Die Gemeinde besitzt rund 750 Hektar Wald, der seit 1995 konsequent ökologisch bewirtschaftet wird. Als konsequent ökologisch ausgerichteter Forstbetrieb bietet das Revier Hümmel ein sehr breites Dienstleistungsangebot. Die Gemeinde Hümmel verkauft aus ihrem Wald nicht nur Holz, sondern bietet auch Seminare und sogar Beerdigungen im eigenen Wald an. Außerdem macht sie dort Naturschutz- und Urwaldprojekte. Das Urwald-Projekt „Wilde Buche“ und den Bestattungswald „Final Forest“, der in Deutschland in dieser Form bisher einmalig ist, wollen wir hier vorstellen:
CSR-Projekt: Waldreservat „Wilde Buche“
Eine besondere Idee hatte der Revierförster Peter Wohlleben aus der Gemeinde Hümmel im nördlichen Rheinland-Pfalz. Zusammen mit der Beratungsfirma Forest Finance entwickelte er das Urwald-Projekt „Wilde Buche“. Unternehmen können hier im Rahmen ihrer CSR-Aktivitäten eine Patenschaft für ein ungenutztes Waldstück in der Gemeinde Hümmel übernehmen. Die etwa 50 Hektar große Waldfläche besteht aus geschlossenen alten und entsprechend seltenen Buchenwäldern. Die Bäume sind mittlerweile zwischen 160 und 200 Jahre alt und werden seit vielen Jahren bereits konsequent geschont. Ziel ist der Aufbau alter Laubwälder, die die Funktionen der Urwälder wieder übernehmen können. Im Rahmen des Projektes werden diese urwaldnahen Buchenwälder zum Zeitpunkt ihres maximalen ökologischen (und ökonomischen!) Wertes stillgelegt und aus der wirtschaftlichen Nutzung genommen, zugunsten des Erhalts und Schutzes dieses ökologisch besonders wertvollen und seltenen Waldlebensraums.
Die Unternehmen haben unterschiedliche Möglichkeiten, sich für das Waldgebiet zu engagieren. So bietet die Gemeinde „Pakete“ in den Kategorien Bronze, Silber und Gold an, in der wahlweise 500, 1.000 oder 10.000 Quadratmeter geschützt werden können. Die Unternehmen erhalten im Gegenzug die Möglichkeit, mit der Projekt Werbung zu machen oder es auch für Fortbildungszwecke zu besuchen. Bisher haben drei Unternehmen und eine Privatperson in das Projekt investiert.
Weitere Informationen gibt es hier: www.wildebuche.de
Bestattungswald: Final Forest
Der Waldfriedhof „Final Forest“ in der Gemeinde Hümmel bietet naturnahe Urnen-Bestattungen in einem alten, naturbelassenen Wald an. Im Gegensatz zu anderen Bestattungswaldkonzepten bewertet der NABU das Konzept von Final Forest als besonders naturschutzfreundlich, da es Pietät, eine natürliche Waldästhetik und Naturschutz miteinander verbindet.
Statt einzelner Bäume pachten die Interessenten für 99 Jahre Gedenkhaine (mind. 100 Quadratmeter groß) oder Einzelgrabstätten (mind. 10 Quadratmeter groß). Je Gedenkhain ist die Bestattung von bis zu zehn Urnen möglich. Wer dort seine letzte Ruhe findet, entscheidet der Pächter. Auf Wunsch kann ein einzelner schlichter Grab- bzw. Gedenkstein aus örtlichem Gestein gesetzt werden. Beerdigungen erfolgen auf dem FinalForest-Waldfriedhof ausschließlich in speziellen Bio-Urnen aus unbehandeltem Buchenholz. Es gibt keine sichtbaren Markierungen der Waldgrabstätten. Die Gedenkhaine sind jedoch mit GPS-Koordinaten versehen, so dass der Bestattungsort von den Angehörigen auch Jahre später noch aufgefunden werden kann. Alle Grabstätten sind völlig pflegefrei, d.h. in den Gedenkhainen entwickelt sich über kurz oder lang ein wilder Wald oder ein „Urwald von morgen“ – für natur- und waldverbundene Menschen eine schöne Form der Bestattung. Gleichzeitig ist das Bestattungskonzept für die Gemeinde eine interessante Alternative zur herkömmlichen Waldbewirtschaftung.
Weitere Informationen gibt es hier: www.finalforest.de/
Das Baumerhalter-Projekt des NABU (Saarland)
Mit dem Baumerhalter-Projekt des NABU Saarland werden zwar keine Urwälder geschützt. Durch den Erhalt ökologisch wertvoller Einzelbäume wird aber dennoch ein wichtiger Beitrag zum Artenschutz im Wald geleistet. Unternehmen und Privatpersonen übernehmen in diesem Projekt für besonders markante und ökologisch wertvolle Bäume eine Patenschaft. Für 40 Jahre verpflichtet sich der Waldeigentümer, den Baum stehen zu lassen und erhält für den Nutzungsverzicht eine Entschädigung in Höhe des Brennholzwertes des Baumes.
Der NABU Saarland verpflichtet sich im Rahmen der Baumpatenschaft 40 Jahre lang die Erhaltung der Bäume zu kontrollieren und zu dokumentieren, wozu auch die Pflege einer Datenbank mit den GPS-Daten der Habitatbäume zählt. Jeder Baum erhält außerdem eine entsprechend nummerierte Plakette mit dem Namen des Baumpaten. Mithilfe vieler Baumpaten im ganzen Saarland sollen wertvolle alte Bäume als Schatzkisten der biologischen Vielfalt vor allem auch im Privatwald erhalten werden. Neben Unternehmen werden dabei vor allem auch Privatpersonen oder Vereine als Baumpaten angesprochen.
Weitere Informationen zum Baumerhalter-Projekt des NABU Saarland gibt es hier: http://wertvoller-wald.de
Urwald vor den Toren der Stadt (Saarland)
Seit 1997 gibt es das Projekt „Urwald vor den Toren der Stadt“ im Saarkohlenwald im Herzen des Saarlandes. „Die Natur Natur sein lassen“ lautet die oberste Maxime in diesem etwas mehr als 1.000 ha großen Wald-Naturschutzgebiet. Auf eine wirtschaftliche Nutzung des Rohstoffes Holz wird hier ganz verzichtet. Der natürliche Entwicklungsprozess verändert langsam aber stetig die Tier- und Pflanzenwelt. Der Mensch wird aus diesem Schutzgebiet aber nicht ausgeschlossen. Im Gegenteil: die Menschen sollen an der natürlichen Entwicklung des Urwaldes vor den Toren der Stadt Saarbrücken teilhaben – sie sind willkommen im Urwald. Allerdings gelten hier andere Regeln als in sonstigen Wäldern. Nicht alle Wege sind gut ausgebaut, manche bilden nur schmale Pfade oder müssen selbst erkundet und erforscht werden. „Abstimmung mit den Füßen“ nennen das die Urwald-Macher.
Das Urwaldprojekt – insbesondere mit seinem wildnispädagogischen Angebot – wurde von der UNESCO als offizielles „UN-Dekade-Projekt Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ausgezeichnet. Ein besonderes Highlight ist dabei das Bildungsprojekt „URWALD macht Schule“. Dabei handelt es sich um ganz- bis mehrtägige Veranstaltungen mit Übernachtung im Urwaldrevier, in der Scheune Neuhaus und dem WildnisCamp als Basislager. Je nach Alter gibt es unterschiedliche Themenschwerpunkte zum Ökosystem Wald und seiner sukzessiven Entwicklung zum wilden (Ur)Wald. Die Kinder- und Jungendgruppen arbeiten unter fachkundiger Anleitung am Thema „Biologische Vielfalt“. Eingebettet in das WildnisCamp kommt natürlich der Abenteuer- und Spaßfaktor nicht zu kurz. Die Teilnehmer müssen ihre Bleibe herrichten und sich Gedanken über die Zubereitung ihrer Verpflegung machen.
Ein weiteres Highlight ist das „Zentrum für Waldkultur“ in der Scheune Neuhaus. Sie ist der zentrale Veranstaltungsort des SaarForst Landesbetriebes für vielfältige Veranstaltungen, die sich mit dem Thema Wald, Urwald, Wildnis beschäftigen. Hier erfahren die Menschen mehr zur werdenden Wildnis inmitten einer Stadtlandschaft.
Der „Urwald vor den Toren der Stadt“ ist ein Gemeinschaftsprojekt des Umweltministeriums, des SaarForst-Landesbetrieb und dem Naturschutzbund (NABU) Saarland e.V.
Weitere Informationen gibt es hier: www.saar-urwald.de
Lotharpfad (Baden-Württemberg)
Mit Windgeschwindigkeiten über 200 Stundenkilometer fegte der Orkan "Lothar" am zweiten Weihnachtsfeiertag 1999 über Baden-Württemberg hinweg und hinterließ in den Wäldern des Landes 30 Millionen Kubikmeter Sturmholz und 40.000 Hektar Kahlfläche.
Was für die Waldbesitzer eine wirtschaftliche Katastrophe war, wurde für eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren zu einer Chance. In den Wäldern und Sturmflächen zeigen sich heute neue und interessante Entwicklungen. Eindrucksvoll ist diese Entwicklung auf dem Lotharpfad zu beobachten. Dieser Walderlebnis- und Lehrpfad liegt im Naturschutzgebiet Schliffkopf an der Schwarzwaldhochstraße (B 500) im Nordschwarzwald. Er entstand, als die Naturschutz- und die Forstverwaltung nach dem Sturm beschlossen, die 10 Hektar große Sturmwurffläche des Lotharpfades als Bannwald sich selbst zu überlassen, um die natürliche Regeneration des Waldes langfristig beobachten zu können.
Der Lotharpfad führt 800 m lang über Stege, Leitern und Treppen und bietet Einblicke, wie die Natur mit einer solchen Fläche umgeht und was von selbst wieder entsteht. Eine Aussichtsplattform bietet außerdem noch schöne Blicke über den Nordschwarzwald. Aus Sicht des NABU ist der Lotharpfad ein hervorragend gelungenes Projekt, um den Menschen die Waldnatur und ihre Dynamik näher zu bringen.
Weitere Informationen gibt es hier: www.themenpark-umwelt.baden-wuerttemberg.de
Die „Urwald-Pacht“ (Österreich)
Ein interessantes Instrument zur Schaffung von Naturwaldreservaten im Privatwald hat die Österreichische Landesregierung mit ihrem Naturwaldreservate-Programm (NWR-Programm) entwickelt. Aufgrund der besonderen Situation, dass sich etwa 80 Prozent der Waldfläche von Österreich in Privatbesitz befindet, wurde ein Pachtmodell entwickelt, mit dem die Republik Österreich Naturwaldreservate von Privatwaldbesitzern zu Forschungszwecken und für den Erhalt der biologischen Vielfalt gepachtet werden. Das Programm besteht seit 1996 und umfasst derzeit rund 195 Naturwaldreservate mit einer Gesamtfläche von etwa 8.500 Hektar.
Als Vertragsnaturschutz-Modell beruht die „Urwald-Pacht“ auf langfristigen zivilrechtlichen Verträgen der Republik Österreich mit den Eigentümern der jeweiligen Waldflächen. Aus finanzhaushaltsrechtlichen Gründen werden die Verträge auf 20 Jahre abgeschlossen. Die Kontinuität des Schutzstatus ist jedoch durch die vertragliche Option der Verlängerung gewährleistet. Die Teilnahme ist für den einzelnen Waldbesitzer immer freiwillig. Grund und Boden sowie der Waldbestand bleiben in seinem Eigentum.
Jedem Vertrag liegt ein Gutachten zugrunde, in dem das von der Republik Österreich zu bezahlende Entgelt nachvollziehbar und nach festgelegten Richtlinien hergeleitet wird. Das Gutachten ist integraler Bestandteil des Vertrages. Es begründet die Eignung der Waldfläche als Naturwaldreservat und dokumentiert den Zustand zum Zeitpunkt der Einrichtung. Grundlage des Vertrages ist auch die Ermittlung der Höhe der „Urwald-Pacht“.
Dabei wird – u.a. in Abhängigkeit vom Holzpreis – eine jährlich auszuschüttende Kompensationszahlung vereinbart. Das jährliche Entgelt setzt sich dabei aus einem Sockelbetrag, der als Aufwandsentschädigung der vertragsgemäßen Duldung und der Pflichten des Eigentümers zu verstehen ist, und zusätzlich aus der Abgeltung des entgangenen Wirtschaftswertes zusammen. Der Sockelbetrag wird somit unabhängig vom wirtschaftlichen Wert der Waldfläche als fixer Betrag gezahlt. Es gibt daher eine Reihe von Naturwaldreservaten in Österreich, deren Wirtschaftswert Null ist, bei denen der Eigentümer aber dennoch den Sockelbetrag erhält. Der Wirtschaftswert errechnet sich aus dem um die Ernteverluste verringerten Zuwachs, multipliziert mit dem Bestockungsgrad und dem erntekostenfreien Erlös, nach Baumartengruppe und Bestandesfläche.
Nach 10 Jahren kann von beiden Vertragspartnern eine monetäre Neubewertung verlangt werden. Anlässe für eine monetäre Neubewertung könnten sein: Gravierende Änderungen im Holzpreis (z.B. bestimmte Holzarten, bestimmte Sortimente) oder gravierende Änderungen im Bestockungsgrad oder in der Wuchsrelation von Baumarten. Unter bestimmten Bedingungen haben beide Seiten auch das Recht, den Vertrag vorzeitig zu kündigen.
Weitere Informationen zum österreichischen NWR-Programm gibt es hier: http://bfw.ac.at/rz/bfwcms.web.
Diese Zusammenstellung entstand im Rahmen des NABU-Projektes „Lust auf Urwald“ mit Unterstützung der Stiftung Naturschutzfonds, gefördert aus zweckgebundenen Erträgen der Glücksspirale.