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Mehr ...Dialog nach Streuobstwiesenrodung
Weil der Stadt: NABU-Landeschef Enssle und Bürgermeister Walter tauschen sich aus



120 Streuobstbäume wurden in Weil der Stadt gefällt. - Foto: BUND/NABU/Fritz Mielert
21. März 2025 – Besser miteinander als übereinander reden – getreu diesem Leitspruch haben sich der NABU-Landesvorsitzende, Johannes Enssle, und der Bürgermeister von Weil der Stadt, Christian Walter, erstmals persönlich über den Konflikt wegen der Rodung einer Streuobstwiese für das Neubaugebiet „Häugern-Nord“ ausgetauscht. „Wir haben uns getroffen, um reinen Tisch zu machen und zu einem respektvollen und konstruktiven Dialog zurückzukehren“, betonen beide.
Die Stadt war von den Naturschutzverbänden insbesondere für den Start der Rodung an einem Montagmorgen kritisiert worden: Diese war nach einem entsprechenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart zwar formaljuristisch zulässig, jedoch hatte die Stadt nach Ansicht des NABU zugesagt, vor Abschluss des Eilverfahrens keine Bäume zu fällen. Bürgermeister Walter führt dazu aus, dass es für die Stadt klar gewesen sei, dass sich die Zusage nur auf das Verfahren am Verwaltungsgericht beziehe – er räume jedoch ein, dass man den Wortlaut auch habe anders verstehen können. Der NABU-Landesvorsitzende hatte in diesem Zusammenhang gar den Rücktritt des Bürgermeisters gefordert: „Die Kritik an dem Vorgehen erhalte ich aufrecht. Die Rücktrittsforderung war angesichts der Gesamtumstände aber zu voreilig. Dies würde ich heute nicht mehr so formulieren und hierfür habe ich mich bei Bürgermeister Walter entschuldigt“, so Johannes Enssle.
Bürgermeister Walter akzeptiert die Entschuldigung, hält das Vorgehen der Stadt aber weiterhin für gut begründet: „Natürlich wären wir normalerweise nicht so vorgegangen. Angesichts der in der Genehmigung des Landratsamtes gesetzten Frist (31.12.2024) für die Rodung des Streuobstbestandes stand jedoch die konkrete Gefahr im Raum, dass wir als Stadt vor dem VGH im Eilverfahren zwar Recht bekommen, aber aufgrund der zeitlichen Verzögerung der Gerichtsverfahren dann nicht mehr hätten fällen können.“ Tatsächlich hatte der VGH erst im Februar seinen Beschluss veröffentlicht: Die Rodungsgenehmigung wurde im Ergebnis der im Eilverfahren summarischen Prüfung vom VGH für voraussichtlich rechtskonform befunden. Die Möglichkeit zur Rodung wurde anschließend vom Landratsamt doch noch bis Ende Februar zugelassen, sodass die vollständige Fällung des Streuobstbestandes dann noch fristgerecht vollzogen werden konnte.
Auch Bürgermeister Walter entschuldigte sich beim NABU-Landesvorsitzenden: Walter hatte den Naturschützern vom NABU wiederholt öffentlich „Lügen“, „Fake News“ und „Desinformationen“ vorgeworfen und „die Methoden“ der Naturschutzverbände kritisiert und war teilweise auch anwaltlich gegen einzelne Aussagen vorgegangen. Auslöser war insbesondere ein Artikel des SWR, der suggeriert hatte, dass die Rodung nicht rechtmäßig gewesen sei und in der Folge durch den SWR aufgrund unrichtiger Darstellungen mehrfach korrigiert werden musste. Walter hatte hierzu vom SWR schriftlich die Information erhalten, dass die falsche Aussage ursprünglich vom NABU gekommen sei. Auch die örtliche NABU-Gruppe hatte kurzzeitig auf Instagram kommuniziert, dass entgegen einer Zwischenverfügung des VGH gefällt worden sei. „Das in Verbindung mit einzelnen unrichtigen Aussagen auf der NABU-Webseite hatte in mir den Eindruck erweckt, dass ein vorsätzliches und systematisches Vorgehen vorliegt. Herr Enssle hat mir aber glaubhaft und plausibel versichert, dass der SWR keine falschen Informationen vom NABU erhalten hat. Die Ungenauigkeiten auf der Webseite des NABU wurde zwischenzeitlich korrigiert, daher ziehe ich diese Vorwürfe gegen den NABU in Gänze zurück“, so Bürgermeister Walter.
Hintergrund:
Im November 2024 ließ die Stadt nach einem entsprechenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart 120 Streuobstbäume auf einer für das Baugebiet „Häugern Nord“ vorgesehenen Fläche fällen, um Platz für 370 Wohneinheiten, eine Kindertagesstätte, ein Hotel und einen Lebensmittelmarkt zu schaffen.
Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim entschied im Februar 2025 zugunsten der Stadt und erkannte den dringenden Wohnraumbedarf in Weil der Stadt als überwiegendes öffentliches Interesse an. Daraufhin wurden auch die verbliebenen Streuobstbäume gerodet. Die gefällten Bäume wurden im Verhältnis 1:2 ersetzt und der naturschutzrechtliche Eingriff durch weitere Maßnahmen ausgeglichen.
Seit dem Volksbegehren „Rettet die Bienen“ im Jahr 2020 stehen Streuobstwiesen in Baden-Württemberg unter besonderem gesetzlichem Schutz. Demnach sind Streuobstbestände zu erhalten und dürfen nur mit Genehmigung in eine andere Nutzungsart umgewandelt werden (vgl. NatschG § 33a). Bei der Auslegung dieser gesetzlichen Bestimmung gibt es allerdings immer wieder Unklarheiten. Um diese Unklarheiten zu beseitigen, haben die Umweltverbände NABU und BUND verschiedene Verfahren aus ganz Baden-Württemberg Gerichten zur Klärung vorgelegt.
Die Stadt Weil der Stadt hat wegen der SWR-Berichterstattung eine formelle Programmbeschwerde erhoben. Zum Verlauf und Ausgang der Beschwerde wird die Stadtverwaltung demnächst öffentlich informieren.