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NABU präsentiert Jahresbericht 2017
Mehr als 100.000 Mitglieder im Land
5. September 2018 Mit der Vorstellung seines Jahresberichts 2017 blickt der NABU Baden-Württemberg auf diverse erfolgreiche Projekte und ein ereignisreiches Naturschutzjahr zurück: „Ich bin stolz auf unseren Verband und auf das, was wir im vergangenen Jahr erreicht haben“, sagt der NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle. Außerdem begrüßte der NABU Baden-Württemberg in diesen Tagen sein 100.000stes Mitglied. „Ich freue mich über das stetige Mitgliederwachstum. Das ist eine schöne Bestätigung für unsere Arbeit und gleichzeitig Ansporn, gemeinsam mit unseren Aktiven in den rund 250 NABU-Gruppen im Land noch mehr für die Natur zu erreichen“, so der NABU-Landesvorsitzende.
Die Themenfelder reichen von der konstruktiv-kritischen Begleitung der Energiewende über die Rückkehr der Wölfe bis hin zur Umsetzung von großen Naturschutzprojekten im Allgäu und am Oberrhein. Im Fokus der Arbeit stand und steht für den NABU allerdings die Landwirtschaft und ihre Auswirkung auf die Artenvielfalt. Wie kann das Insektensterben beendet, der Dialog mit der Landwirtschaft konstruktiv geführt und eine Wende in der Agrarpolitik europaweit eingeläutet werden? Wie schützen wir Gewässer und Böden vor schädlichen Stoffeinträgen und wie schaffen wir wieder mehr Lebensräume für bedrohte Arten wie das Rebhuhn oder die Feldlerche? „Die Antworten auf diese Fragen liegen nicht nur in einem Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide, sondern auch ganz allgemein in einer besseren Förderung einer naturverträglichen Landwirtschaft. Doch dafür brauchen wir eine grundlegende Reform der Agrarförderpolitik. Nicht nur bei uns in Baden-Württemberg, sondern in Deutschland und in der gesamten EU“, sagt der NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle.
„Das Jahr 2017 lieferte den traurigen Beweis: Das Insektensterben ist eine Tatsache, auch bei uns in Baden-Württemberg“, so Enssle. Der NABU-Landesverband zeigte mit einer Studienübersicht von mehr als 20 wissenschaftlichen Arbeiten, dass sich die Hinweise auf den Insektenschwund im Südwesten, Deutschland und Europa mehren. „Im Naturschutzgebiet Eierberg auf der Schwäbischen Alb ist beispielsweise der Bestand der Gewöhnlichen Schmalbiene auf nur noch fünf Prozent ihres ursprünglichen Bestands geschrumpft – obwohl dieser Hautflügler recht anpassungsfähig ist und eine Vielzahl unterschiedlicher Blütenarten nutzen kann“, berichtet Enssle.
Mehr Blütenvielfalt auf Äckern, Wiesen und in Gärten
Viele laufende und neue Projekte des NABU verfolgen deshalb das Ziel, mehr Blütenvielfalt im Land zu schaffen, um Nahrung und Lebensräume für Insekten und alle auf sie angewiesenen Arten zu bieten. Dabei wirbt der NABU um den gemeinsamen Einsatz für mehr Biodiversität – bei Kirchen, landwirtschaftlichen Betrieben, Privatpersonen und Vereinen, Unternehmen, Kommunen und dem Land. Viele neue nektar- und pollenreiche Blühflächen sind entstanden in Zusammenarbeit mit Kommunen im Projekt „Natur nah dran“, mit Landwirten im „Dialogforum Landwirtschaft und Naturschutz“ und mit Kirchengemeinden im Biosphärengebiet Schwäbische Alb. „Das hilft nicht nur den Insekten, sondern steigert auch die Lebensqualität der Bevölkerung“, betont Enssle. Neu hinzugekommen ist dieses Jahr das Projekt „Blühende Gärten“, gefördert durch das Umweltministerium Baden-Württemberg. Naturnahes Gärtnern ist im Trend und gar nicht so schwer. Mit Expertentipps und Beratung unterstützt der NABU in diesem Projekt Gartenbesitzerinnen und -besitzer, denn Artenschutz beginnt vor der eigenen Haustür und jede Fläche zählt.
Weniger Pestizide, mehr Transparenz
Mit den Insekten sterben auch die Vögel: „Die Bruterfolge der Vögel hängen unmittelbar vom Angebot an Insektennahrung für den Nachwuchs ab. Bleibt das aus, hungern vor allem Insektenfresser wie Schwalben, Segler und Fliegenschnäpper, aber auch alle Jungvögel“, verdeutlicht Enssle. Doch fehlen noch sichere Zahlen zum landesweiten Insektenbestand. „Wir brauchen europaweit eine Agrarwende und zusätzlich ein Insekten-Monitoring, damit wir wissen, ob die Maßnahmen erfolgreich sind“, forderte Enssle bereits 2017 die Landespolitik zum Handeln auf. Ein wichtiger Beitrag ist dabei die drastische Reduktion von Pestiziden. „Insektizide vergiften die Insektenwelt und machen selbst vor Naturschutzgebieten nicht Halt. Herbizide rauben Wildbienen und Schmetterlingen die Nahrungsgrundlage.“ Der NABU fordert daher eine Halbierung des Pestizideinsatzes bis 2025 und unterstrich diese Forderung mit der Vorlage des ersten Pestizidberichts für Baden-Württemberg im März 2017. Aus Sicht des NABU mangelt es beim Pestizideinsatz aber an Transparenz: „Wenn die Landesregierung im Rahmen seines Sonderprogramms für biologische Vielfalt Pestizide reduzieren will, sollte sie wissen, wieviel davon in Baden-Württemberg ausgebracht werden. Außerdem haben wir Bürgerinnen und Bürger ein Recht darauf zu erfahren, wieviel Gift auf unsere Äcker kommt.“ Deshalb setze sich sein Verband vehement für die Offenlegung der Daten ein, berichtet Enssle.
Rückkehr der Wölfe eine große Herausforderung
Der NABU befasste sich 2017 auch intensiv mit der Frage, wie Wölfe in den dicht besiedelten Südwesten zurückkehren können, ohne die für unsere Kulturlandschaften wichtige Weidetierhaltung in ihrer Existenz zu gefährden. „Die Rückkehr der Wölfe nach Baden-Württemberg stellt uns alle – Naturschützer und Weidetierhalter – vor Herausforderungen. Diese werden wir jedoch nur gemeinsam meistern können und sie erfordern von uns allen große Anstrengungen“, berichtet Enssle von seinen Erfahrungen aus dem vom Umweltministerium geförderten Projekt „Herdenschutz in der Praxis“. Das von NABU und Landesschafzuchtverband gemeinsam durchgeführte Projekt ging in diesem Frühjahr in die zweite Runde.
Energiewende gestalten, Arten schützen
Die Energiewende naturverträglich gestalten – dafür setzte sich der NABU auch 2017 zusammen mit dem BUND in dem gemeinsamen Projekt „Dialogforum Erneuerbare Energien und Naturschutz“ ein. „Neue Windräder und Stromtrassen müssen so geplant werden, dass Rotmilan oder Zwergfledermaus nicht gefährdet sind“, betont Enssle. Der Fall Braunsbach, wo nun schon seit Monaten ein Windrad stillsteht, zeigt für ihn: „Wer baut, ohne Natur und Umwelt mitzudenken, erleidet spätestens vor Gericht Schiffbruch.“ Viel Wirbel hat der Gutachten-Check zur Windenergie von NABU, BUND und LNV verursacht. „Mit dem Gutachten-Check haben wir stichprobenartig acht Genehmigungsverfahren aus dem Jahre 2016 auf Herz und Nieren geprüft. Das Ergebnis war ernüchternd. Die Gutachten wiesen teilweise gravierende methodische Mängel auf“, so Enssle. Um die Qualität der Artenschutzgutachten zu verbessern stand und stehen die Verbände mit den Behörden im Dialog und unterbreiten Verbesserungsvorschläge. Derzeit wird gemeinsam mit den Behörden, den Gutachterverbänden und der Windbranche ein Kriterienkatalog für eine „gute gutachterliche Praxis“ erarbeitet. „Wir hoffen, dass wir damit einen Beitrag leisten können, um die Qualität der Gutachten und das Vertrauen in ihre Ergebnisse zu verbessern.“
Naturschutzjugend feiert und fordert
Die Naturschutzjugend NAJU feierte 2017 ein besonderes Jubiläum: 20 Jahre Jugendumweltfestival „Aufstand“. Mehr als 400 NAJU-Aktive tauschten sich dort auch im Jahr 2017 wieder über Naturschutz, Politik und Gesellschaft aus. Dabei formulierten sie sechs Forderungen an den Landtag, wie eine bessere Beteiligung von Jugendlichen an politischen Entscheidungen gelingen kann und übergaben diese an Landtagspräsidentin Muhterem Aras. Das NAJU-Projekt „Grünes Wegenetz“ setzte sich auch 2017 mit Studierenden der Universität Tübingen für den Biotopverbund in Baden-Württemberg ein. Für ihr vorbildliches Bildungsprojekt wurde die NAJU Weil der Stadt mit der Lina-Hähnle-Medaille ausgezeichnet.
NABU knackt die 100.000-Mitglieder-Marke
Einen schönen Erfolg bei der Mitgliederwerbung feierte der NABU Baden-Württemberg in diesem Sommer. Ende August begrüßte der Landesverband sein 100.000stes Mitglied. Der Landesvorsitzende überreichte Susanne Rosenfelder aus Oberried bei Freiburg einen Blumenstrauß und eine Torte. „Selbstverständlich werden wir diesen Erfolg auch auf unserer diesjährigen Landesvertreterversammlung im November gebührend feiern“, sagt NABU-Landesgeschäftsführer Uwe Prietzel. Von den 100.000 Mitgliedern im Land sind knapp 14.000 unter 27 Jahre alt und damit bei der Naturschutzjugend (NAJU). Der NABU im Südwesten ist der bundesweit größte Landesverband. Zum Ende des Jahres 2017 stellte er rund 18 Prozent der bundesweit 615.000 NABU-Mitglieder. „Dieser neue Mitgliederrekord und unser kontinuierliches Wachstum zeigen klar: Es gelingt uns, immer mehr Menschen dafür zu gewinnen, selbst einen Beitrag zum Erhalt der Natur zu leisten“, schlussfolgert NABU-Landesgeschäftsführer Uwe Prietzel. „Die Mitglieder sind das Rückgrat unseres Ehrenamt-Verbandes. NABU-Aktive betreuen Krötenzäune, beringen Störche, renaturieren Bäche, pflegen Streuobstwiesen und vieles mehr. Darüber hinaus haben NABU-Aktive allein im Jahr 2017 in rund 2.000 Exkursionen und Vorträgen anderen Menschen die Besonderheiten der Natur vor der Haustür nahegebracht.“ Und noch etwas sei wichtig, so Prietzel: „Mitglieder machen uns finanziell unabhängig und verleihen unserer Stimme in der Politik Gewicht. Dafür möchte ich allen Unterstützerinnen und Unterstützer und auch unseren Spenderinnen und Spendern herzlich danken!“
Positiver Haushalt als stabiles Fundament
Die breite Unterstützung spiegelt sich auch im Haushaltsabschluss für 2017 wider: „Zahlreiche Naturschutzprojekte, der Neubau des NABU-Bodenseezentrums und Investitionen in die Verbandsentwicklung haben 2017 die Ausgaben beim NABU ansteigen lassen. Doch auch die Einnahmenseite hat sich positiv entwickelt, so dass wir das Haushaltsjahr, bei einem Gesamthaushaltsvolumen von rund 5,5 Millionen Euro, mit einem Plus von 455.000 Euro abschließen konnten“, erklärt Uwe Prietzel. Der Jahresüberschuss wurde den Rücklagen zur Finanzierung der zukünftigen Arbeit des NABU-Landesverbandes zugeführt.