Der Federseesteg reicht weit in den Schilfgürtel hinein - Foto: Jost Einstein
Das Schilf
Tiefkühltruhe mit hoher Zuwachsrate
Schilfgras rund um den Federseesteg
Das Schilf verschönt jeden Spaziergang zu jeder Jahreszeit über den Federseesteg. Im Frühling kann man dem Gras beim Wachsen zusehen, denn der Schilfnachwuchs wächst unter günstigen Bedingungen bis zu fünf Zentimeter – pro Tag! Quasi über Nacht begrünt sich der breite Schilfgürtel um den Federsee – im Sommer wandelt man bereits durch einen grünen Schilfwald. Die Blütezeit reicht vom Sommer bis in den Herbst hinein, was noch bin im September sehr dekorativ aussieht. Ein Besuch an den Federsee lohnt sich auch im Herbst – die nunmehr ockerfarbigen Schilfhalme rascheln angenehm im Wind.
Weil die dichten Halme nur wenig Licht auf den Boden dringen lassen, können sich im Schilfröhricht nur wenige Pflanzen behaupten. Dagegen herrscht dort reges tierisches Leben. Insekten halten sich gerne in den windstillen Räumen auf und ziehen Vögel an. Gerade für diese ist das Federseeschilf ein optimaler Lebensraum: Es bietet Versteck, Nahrung und ungestörte Brutplätze. So sammeln sich im Herbst zigtausend Exemplare zählende Starenschwärme im Federseeschilf, um dort zu übernachten – kein Räuber könnte sich lautlos anschleichen. Darüber hinaus verkriechen sich viele Insekten im Herbst in die hohlen Schilfstängel und sind dann Energiehäppchen für die überwinternden Vögel. Blaumeisen zum Beispiel haben den Trick mit der „Tiefkühlkost“ herausgefunden. Man kann sie dann dabei beobachten, wie sie die Schilfhalme entlang klettern und dabei mit dem Schnabel an die Stängel klopfen, um die Verstecke der Insekteneier, Larven und Puppen ausfindig zu machen. Dabei hören sie ganz genau hin: Wenn es dahinter hohl klingt – Fehlanzeige. Wenn „volles Rohr“ gemeldet wird, picken sie ein Loch in den Halm und bedienen sich.
Mit den Füßen im Wasser stehen die Schilfpflanzen am liebsten, bis zu zwei Meter tief. Damit das bis vier Meter hohe Gras nicht vom Wind geknickt wird, bietet das bewegliche Laub dem Wind wenig Widerstand, außerdem kann sich der Halm um den beweglichen Blattansatz drehen, daher sehen vom Wind bewegte Röhrichte wie gekämmt aus. Die Blätter umfassen im unteren Teil den Halm wie eine Röhre, und dort, wo im oberen Teil das eigentliche Blatt entspringt, verhindert ein mehrreihiger Haarkranz, dass bei hohem Wellenschlag Wasser in die Röhre hineinschwappt und zu Fäulnis führt. Aus demselben Grund befindet sich der unterste Blattansatz immer gerade knapp über dem sommerlichen Höchstwasserstand. Wer also den Pegelstand des Sommer-Hochwassers im See wissen möchte, braucht nur auf die durch das Schilf vorgegebene Linie der Blattansätze zu sehen.
An das feuchte Element ist Schilf bestens angepasst
Um seine im sauerstoffarmen Schlamm steckenden Wurzeln ausreichend zu belüften, wird Luft von oben durch den hohlen Stengel nach unten geleitet. Und zwar so reichlich, dass dort noch Sauerstoff übrig bleibt und von den Wurzeln abgegeben werden kann, wovon wiederum sauerstoffbedürftige Mikroorganismen profitieren können, die sich in der Nähe ansiedeln.
Weil Schilfwurzeln außerdem noch keimtötende Substanzen absondern, wirkt Schilf gewässerreinigend und wird in Schilfkläranlagen eingesetzt. Daneben wurde und wird Schilf zum Decken von Hütten und Häusern geerntet, zum Flechten von Matten, zum Heizen und in der Bauindustrie als Stukkaturrohr eingesetzt.
Weil Schilf schnell geeignete Lebensräume besiedelt, ist seine Ausbreitung aus Naturschutzsicht nicht immer erwünscht. Wo am Federsee beispielsweise noch charakteristische seltene Feuchtwiesenarten vorkommen, zum Beispiel lichtliebende Orchideen, wird das Schilf außerhalb des Röhrichtgürtels stellenweise durch regelmäßige Mahd zurückgedrängt.
Schilf ist unter anderem deshalb so konkurrenzkräftig, weil es auch die Verbreitung meisterhaft gelöst hat. Die Samen reifen erst im Januar und werden von Winterstürmen verschleppt. Zu dieser Zeit ist häufig Niedrigwasser, so dass sie auf den trockenfallenden Schlammbänken keimen können. Daneben können bis zu zehn Meter lange oberirdische Ausläufer auf der Wasseroberfläche kriechen, während sich die unterirdische Grundachse durch den Schlamm wühlt. Auf diese Weise kann Schilf die Uferlinie pro Jahr bis zu einen Meter vorverlegen, trägt also zur Verlandung bei.
Noch bis vor wenigen Jahren ging die Verlandung am Federsee relativ schnell voran. Mittlerweile ist sie allerdings gestoppt, weil die Nährstoffbelastung der in den Federsee fließenden Gräben deutlich verringert wurde – dank Kläranlage und deutlich reduzierter Düngung der Wiesen.
Magische Moorwelt
Das NABU-Zentrum Federsee
Am Federsee in Oberschwaben will der NABU das größte Moor Süddeutschlands retten und damit auch seine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt. Hier brütet noch das bedrohte Braunkehlchen und wachsen Schilfwälder. Zwei neue Lehrpfade erschließen die schönsten Stellen im Federseemoor für Besucher. Mitarbeiter des NABU-Naturschutzzentrums Federsee informieren Besucherinnen und Besucher in einer Ausstellung und in über 350 Führungen pro Jahr über die Landschaft sowie Braunkehlchen & Co.
Weitere Informationen unter:
www.NABU-Federsee.de
Die Broschüre ist kostenlos (zzgl. Versandkosten) in unsererem Onlineshop zu bestellen.