Jedes Jahr pflegt das Team des NABU-Vogelschutzzentrums Mössingen rund 1200 Vögel gesund – darunter auch besonders streng geschützte Arten. Helfen Sie uns dabei!
Bald nur noch auf Wirtshausschildern zuhause?
Das Auerhuhn im Porträt
Wer im Schwarzwald unterwegs ist, trifft über kurz oder lang auf ihn: den Auerhahn. In seiner ganzen Pracht prangt er auf Wirthausschildern und schmückt so manche Kuckucksuhr. Moderne Wellnesshotels werben mit seinem Namen. Und das aus gutem Grund: Wo das Auerwild lebt, fühlt sich auch der Mensch wohl; da ist die Natur so reichhaltig und vielfältig, dass sie Überlebenschancen für viele unserer bedrängten Tier- und Pflanzenarten bietet. Dem in Deutschland vom Aussterben bedrohten Auerhuhn die Lebensgrundlage zu erhalten, bedeutet daher weit mehr als der Schutz einer einzelnen Art.
Raue Gesellen - Standhaft auch im Winter
Das Auerhuhn (Tetrao urogallus) bewohnt lichte Bergwälder von Schottland bis Sibirien. In Deutschland hat es früher einen breiten Waldgürtel, von Spessart bis Thüringer Wald, besiedelt. Heute kommt es fast nur noch in den Mittel- und Hochgebirgen vor.
Als größter mitteleuropäischer Hühnervogel gehört das Auerhuhn mit Birkhuhn und Haselhuhn zur Unterfamilie der Raufußhühner. Während Vogelfüße gewöhnlich nackt sind, ist der Fuß dieser Vogelgruppe mit Federn bedeckt - also "rau". Die Zehen zeigen jeweils zwei Reihen seitlicher Hornstifte, welche die Trittfläche vergrößern und das Einsinken im Schnee verhindern - eine Anpassung an den Winter; denn das Auerhuhn ist ein sehr standorttreuer Jahresvogel.
Wie bei Hühnern üblich, unterscheiden sich die Männchen auffallend von den Weibchen:
Er ...
...bringt gewöhnlich vier bis fünf Kilogramm auf die Waage und erreicht in etwa die Größe einer Gans. Sein Gefieder schillert kräftig blaugrün, die Flügel sind mittelbraun abgesetzt. Über dem Auge besitzt er einen leuchtend roten Fleck, die "Rose". Wenn er sich zur Balzzeit in Szene setzt, fächert er den Schwanz zu einem Halbkreis aus und reckt Kopf und Hals weit empor. Dann wiederholt er sein charakteristisches Balzlied mehrere hundert Mal am Morgen.
Sie ...
erreicht mit 2,5 Kilogramm gerade mal die Größe eines Haushuhns und ist unscheinbar. Mit ihrem dezent gefleckten Gefieder kann sie sich gut im Unterholz und Beerengesträuch verstecken. Die Henne brütet am Boden, ein Geschäft, das sie allein versieht. "Mutterfamilie" nennen dies die Experten. Während der Brutpflege sind die Auerhühner und ihr Nachwuchs besonders Feinden wie Fuchs, Marder und Wildschwein ausgesetzt. Einmal geschlüpft sind die sehr empfindlichen Küken, obwohl Nestflüchter, noch bis zu drei Wochen auf das "Hudern", das Wärmen, ihrer Mutter angewiesen. In dieser Zeit sollten jegliche Störungen vermieden werden und etwa Wanderer sich streng an die Wege halten.
Revier
Der Auerhahn beansprucht ein Revier, das er streng verteidigt. Es ist mit 50 Hektar in etwa so groß wie die Insel Mainau . Daher braucht ein Auerhuhnbestand, damit er überleben kann, ein großes Waldgebiet oder zumindest Verbindungen zwischen Teillebensräumen durch sogenannte "Trittstein"-Biotope. Das europaweite Schutzgebietsnetz Natura 2000 soll genau diesen Lebensraumverbund sichern. Es wird allerhöchste Zeit, dass für das Auerhuhn eigene Schutzgebiete und die passenden Trittsteine dazwischen gesichert werden, denn es steht schlecht um den Charaktervogel des Schwarzwaldes. Schätzte man den Bestand 1995 noch auf rund 500 balzende Hähne, sind es nach der letzten Roten Liste der Vögel Baden-Württembergs noch höchstens 150 bis 300 Hähne (Stand: Januar 2022).
Schwerverdauliches
Zwei Kilogramm Beeren, am liebsten Heidelbeeren, vertilgt ein ausgewachsener Auerhahn an einem Tag. Aber nicht nur Beeren, auch Knospen, Blüten und Blätter werden verzehrt. Wie viele pflanzenfressende Vögel nimmt das Auerhuhn kleine Steinchen auf, die als Magensteinchen helfen, die schwerverdauliche Nahrung aufzuschließen. Im Winter besteht die magere Kost vor allem aus Kiefernnadeln. Ein Aufschrecken der Vögel in dieser Zeit zehrt stark an ihren Energiereserven. Wiederum gilt es Störungen durch Wanderer und Langläufer zu vermeiden. Während die erwachsenen Tiere sich fast ausschließlich von Pflanzen ernähren, brauchen die Küken für ihre Entwicklung große Mengen Insekten, besonders Waldameisen. Die finden sie in einem lichten Wald mit einer üppigen Kraut- und Strauchschicht.
Der Auerhuhnwald - wie von Caspar-David Friedrich gemalt
Licht ist der Wald, den das Auerhuhn bewohnt. Alte Bäume wechseln mit Jungen, so dass Sonnenlicht durch ein lockeres Kronendach dringt und eine üppige Bodenvegetation erlaubt. Waldstücke wechseln mit Lichtungen, die als Balzplätze, aber auch als Start- und Landeplätze für den großen Vogel dienen. Nadelbäume wechseln mit Laubbäumen. Einzelstehende Buchen werden gerne zum Schutz vor Feinden als Schlafbäume genutzt. Kiefern liefern die Hauptnahrung im Winter. Im Sommer sind es die Beerensträucher, deren Blätter und Zweige darüber hinaus zahlreiche Insekten besiedeln, die Nahrung der Küken. In dem dichten Gebüsch und Unterholz finden die Tiere, die besonders in der Brutzeit gefährdet sind, reichlich Deckung.
Diesen einmaligen Lebensraum zu erhalten sollte das Bestreben Aller - Jäger/-innen, Forstleute, Wander/-innen und Naturschützer/-innen - sein. Besondere Verantwortung für die Erhaltung des Auerhuhns trägt die Forstwirtschaft, denn sie ist es, die durch passende Bewirtschaftungspläne genau diese Auerhuhnwälder schaffen und erhalten kann. Hier ist die große Aufgabe, die Holznutzung so zu regeln, dass das Auerhuhn seinen idealen Lebensraum findet. In den Schutzgebieten des Natura-2000-Netzes ist dieses Ziel zwingend zu erreichen.
Literaturhinweis:
Aktionsplan Auerhuhn