Jedes Jahr pflegt das Team des NABU-Vogelschutzzentrums Mössingen rund 1200 Vögel gesund – darunter auch besonders streng geschützte Arten. Helfen Sie uns dabei!
Wissenswertes über Elster, Eichelhäher & Co.
Rabenvögel sind besser als ihr Ruf
Dennoch sind Rabenvögel oft wenig beliebt: Ihre Rufe können lästig sein. Sie treten häufig in Scharen auf und scheinen sich ungehemmt zu vermehren. Vor allem Elstern ernähren sich im Sommer unter anderem auch von Eiern und Jungvögeln anderer Arten, indem sie deren Nester leeren.
Trotzdem sind die landläufigen Vorurteile gegenüber den schwarzen Gesellen meist nicht gerechtfertigt, wie zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen eindrucksvoll belegen. Rabenvögel verdienen Schutz wie alle anderen Vogelarten auch. Für Ausnahmegenehmigungen zu ihrem Abschuss gibt es keine vernünftigen Argumente oder ökologische Grundlagen.
Bestandsentwicklung: Die immer wieder behaupteten oder befürchteten Übervermehrungen finden nachweislich nicht statt. Viele Untersuchungen belegen stabile und konstante Bestände. Jeder Lebensraum kann nur einer begrenzten Zahl Quartiere, Brutplätze und Nahrung bieten. Einer Überbevölkerung arbeiten zahlreiche regulierende Mechanismen innerhalb der Art entgegen.
Beispiel Elsternbestände: Hier gibt es europaweit Verschiebungen, die Bestände nehmen im angestammten Lebensraum, der offenen Feldflur, ab. Elstern siedeln sich bevorzugt in Städten und Siedlungen an, wo sie uns mehr auffallen und leichter und häufiger beobachtet werden können. Der Grund für die Verstädterung liegt in einer Vielzahl einschneidender, vom Menschen verursachter Entwicklungen, etwa der intensiven Landwirtschaft oder der Rodung von Hecken und Baumgruppen. Im Gegensatz zur Feldflur bieten unsere Siedlungen den Elstern eine optimale Lebensraumalternative: ein gutes Nahrungsangebot – dazu gehören Komposthaufen, Abfälle zum Beispiel auf Schulhöfen, aber auch kurzgeschorene Rasenflächen, weil die Elster dort auf Nahrungssuche einfacher vorankommt. Zudem Schutz vor Feinden wie dem Habicht oder der Rabenkrähe, die gerne Elsternnester leert, und hohe Birken und Fichten im Vorgarten als Brutplätze. Doch auch in neu besiedelten Gebieten kann der Bestand der Elstern nur bis zu einer natürlichen Grenze anwachsen, aber nicht überhand nehmen. Dies zeigt sich sowohl in wissenschaftlichen Studien als auch in den Ergebnissen der NABU-Aktion „Stunde der Gartenvögel“. Die Ergebnisse der großen Gartenvögel-Zählung liegen über Jahre hinweg konstant bei etwa einer Elster pro Garten. Dabei handelt es sich um einen Durchschnittswert, der aus allen Gärten, Parks und Anlagen ermittelt wurde und bedeutet nicht, dass in jedem Garten eine Elster lebt. Ein kontinuierlicher Anstieg ist nicht nachweisbar.
Rabenvögel und andere Singvögel: Rabenvögel ernähren sich nahezu ausschließlich von Sämereien und Kleingetier. Ohne diese Hauptnahrungsquellen könnten sie nicht überleben. Sind zur Brutzeit im Frühjahr Eier und Jungvögel erreichbar, erweitern Rabenvögel ihr Nahrungsspektrum. Auch wenn das Ausräumen eines Singvogelnestes ein dramatisches und für die betroffene Vogelfamilie tödliches Ereignis ist: Rabenvögel rotten keine anderen Vogelarten aus. Wenn deren Bestände abnehmen, hat das viele andere Gründe, zum Beispiel die gravierenden Veränderungen des Lebensraumes.
Aus ökologischer Sicht muss man jedoch darauf schauen, ob der Verlust einzelner Individuen Folgen für den Fortbestand einer Art in der Fläche hat. Hierfür gibt es beim vermeintlichen „Elstern-Problem“ in den meisten wissenschaftlichen Studien keine Anhaltspunkte. Bei den Beständen von Sommerbrutvögeln ließ sich in vielen europäischen Städten keine generelle Abnahme infolge von Rabenvögeln feststellen. Abnahmen waren bei Buch- und Grünfink feststellbar, dagegen blieben die Bestände von Rotkehlchen, Zaunkönig, Gimpel, Amsel, Kleiber oder Ringeltaube konstant oder nahmen trotz Anwesenheit vieler Elstern sogar zu.
Kleine Singvogelarten haben sich im Laufe der Evolution an Verluste durch Beutegreifer angepasst. Ohne entsprechende Strategien wären sie längst ausgestorben. So haben sie eine sehr hohe Nachwuchsrate, die „natürliche“ Fressverluste quasi „einplant“ und ausgleicht. Verlorene Bruten können auch durch ein Nachgelege ersetzt werden, während Rabenvögel nur eine Jahresbrut haben. Gut zu wissen: Viele Nestleerungen in Gärten und Anlagen gehen auch auf das Konto von Eichhörnchen, Mardern und Katzen.
Bestandsregulierung: Immer wieder wird der Ruf nach einer „Regulierung“ der Rabenvogelbestände laut. Gegen die Verfolgung spricht ein breites Spektrum an Argumenten:
- Grundsätzlich hat jedes Lebewesen ein Existenzrecht, auch wenn es sich von anderen Arten ernährt. Fressen und Gefressenwerden sind normale Vorgänge in der Natur.
- Es gibt keine harten ökologischen Fakten, die für eine Dezimierung von Rabenvögeln sprechen.
- Häufige, weit verbreitete Tierarten können nicht mit Falle oder Flinte reguliert werden. Um effektive Bestandsdezimierungen zu erreichen, müssten wohl zehn- bis hunderttausende Individuen erlegt werden. Mancherorts durchgeführte „Hatzen“ auf Rabenvögel führen vor allem zu einer Erhöhung der Fluchtdistanz: Die Rabenvögel sind weiterhin da, aber nicht mehr so offensichtlich.
- Untersuchungen zeigen, dass die Elsternbestände in Gebieten, in denen die Jagd verboten wurde, nicht zunehmen (vgl. Bestandsentwicklung). In Revieren mit intensiver Bejagung versuchen sie dagegen, durch mehr Nachkommen die jagdbedingten Verluste auszugleichen.
- Eine Bejagung in bewohnten Bereichen ist aus rechtlichen und Sicherheitsgründen nicht vertretbar.
- Elstern bauen immer mehrere Nester, brüten aber nur in einem davon. Nicht jedes Elsternnest wird also zur Brut benutzt. Zählungen im Großraum Stuttgart haben ein Verhältnis belegter zu vorhandenen Nestern von 1:10 ergeben.
- Im Herbst kommen vor allem Saatkrähen in großer Zahl aus ihren nordöstlichen Brutgebieten zu uns, um hier zu überwintern. Die winterlichen Vogelscharen entsprechen nicht dem örtlichen Bestand, auch wenn die Saatkrähe auch bei uns im Land zunehmend Innenstädte mit kleineren Kolonien besiedelt.
- Viele Rabenvogelarten bilden vom Herbst bis ins Frühjahr Massenschlafplätze, an denen sich allabendlich zahlreiche Individuen aus einem großen Einzugsgebiet treffen. Gemeinsames Übernachten hat nämlich Vorteile: Man ist sicherer, erfährt von guten Nahrungsplätzen und man kann einen Partner bzw. eine Partnerin finden. Die hohen Zahlen am Schlafplatz sind nicht mit dem örtlichen Bestand gleichzusetzen.
Rabenvögel als „blutrünstige Mörder“?: Rabenvögel kümmern sich im Naturhaushalt um die Beseitigung von Aas. Sie sind ökologische Müllabfuhr und Recyclinginstitution in Personalunion. Deshalb kamen sie schon im Mittelalter als Galgenvögel in Verruf. Finden sich heute Raben, Elstern oder Krähen an einem Kadaver ein, wird ihnen oft auch die Tötung des gefressenen Tieres unterstellt. Um Kadaver zu öffnen, müssen die Verwerter den After und die Augenhöhlen als „Einstieg“ nutzen (daher rührt die Redensart, dass Krähen die Augen aushacken). Immer wieder geraten Kolkraben und Krähen in Verdacht Jungtiere gezielt zu töten, was jedoch nur in Ausnahmefällen und keineswegs generell zutrifft.“
Rabenvögel als „Nützlinge“: Im Naturkreislauf übernehmen alle Arten bestimmte Aufgaben. Rabenvögel fressen zum Beispiel Aas und üben mit der Beseitigung toter Tiere eine wichtige ökologische Funktion aus (s. o.). Eichel- und Tannenhäher begründen neue Wälder, indem sie Eicheln bzw. Zirbennüsse im Boden verstecken. Aus diesen vergessenen Nahrungsdepots sprießen neue Waldbäume. Elstern bauen mehr Nester als sie zum Brüten benötigen. Die leerstehenden Elsternnester nutzen dann gerne andere Arten wie Turm- und Baumfalke und Waldohreule, die selbst keine Nester bauen. Auch Land- und Forstwirtschaft profitieren von Rabenvögeln: Diese ernähren sich vorwiegend von Raupen, Mäusen, Maikäfern und Drahtwürmern – und tragen damit zur natürlichen „Schädlings“bekämpfung bei.