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Mehr ...Die Amsel - Verstädterung des Waldvogels
Von Stadtamseln und Landeiern
Ein Großteil der Menschheit lebt in Städten – Tendenz steigend. Uns folgen die Tiere in die Städte; häufig gezwungener Maßen, weil der Fortschritt des Menschen ihre Lebensräume dezimiert; manchmal aber auch, weil sie in der Stadt bessere Bedingungen vorfinden als in ihren angestammten Lebensräumen.
Ursprünglich bevorzugt die Amsel das beschauliche Leben in dichten Wäldern. Vor 150 Jahren zogen einige Amseln jedoch in die Stadt und setzten damit einen Verstädterungs-Trend in Gang, der bis heute anhält. Auch wenn die Amsel Eurasien, Nordafrika, Australien und Neuseeland bevölkert, ist die Verstädterung der Amsel in Europa und Japan am stärksten ausgeprägt.
Beide Populationen – die in der Stadt und die im Wald – haben sich im Laufe der letzten Jahrzehnte positiv entwickelt. Doch der lange Zeitraum von 150 Jahren, in dem die Amsel ein Doppelleben führt – sowohl als Stadtamsel als auch als Waldvogel, macht es möglich, Unterschiede und langfristige Veränderungen im Verhalten der Tiere zu beobachten.
Allgemein bewohnt die Amsel gerne Gebiete mit ausreichend Gehölzen wie Auwälder, Fichtenforste, Bruchwälder. In der Stadt leben die bekannten Vögel in Parks, Anlagen, Siedlungen mit Friedhöfen, Villenvierteln und Gartenstädten.
Vorteile des Stadtlebens
Was die Amsel in die Stadt lockte, waren wahrscheinlich die Vorteile, die sich im Bezug auf die Nahrungssuche ergaben. Möglicherweise folgten die Amseln den, von den hell erleuchteten Städten angezogenen Insekten. Neben einem großen und abwechslungsreichen Nahrungsangebot bietet das Stadtleben Rasenflächen und Gärten, die die Nahrungssuche erleichtern. Höhere Durchschnittstemperaturen und Bewässerungsanlagen erleichtern den Vögeln zudem das Überleben in Kälte- bzw. Trockenperioden. Parks, Gärten und Grünstreifen bieten die nötigen Gehölze. Ideale Amselbrutplätze sind waagrechte Äste in Bäumen, die ausreichend Sichtschutz bieten. Stadtvögel nutzen aber auch Balkone, Fenstersimse, Leuchtreklamen oder Mauerspalten oder Kletterpflanzen.
Stress und Hektik in der Stadt
Doch jede Medaille hat auch eine Kehrseite. Das Leben in der Stadt ist nicht nur für den Menschen, sondern vor allem auch für die Tiere mit Stress und zusätzlichen Gefahren verbunden. So werden in der Stadt weniger Eier gelegt und der Bruterfolg fällt meist niedriger aus. Auch ist die Sterberate sowohl unter Jungtieren als auch erwachsenen Amseln höher als bei den Waldamseln: Viele Tiere fallen Verkehr, Katzen, dem Anprall mit Fensterscheiben und Umweltgiften mit Schwermetallen wie z.B. Blei zum Opfer.
Das Kunstlicht in Städten beeinflusst sowohl den Tages- als auch den jahreszeitlichen Rhythmus der Vögel. Durch die Dauerbeleuchtung in der Stadt sind Stadtamseln länger wach, tagsüber aktiver und beginnen in den frühen Morgenstunden, noch vor Sonnenaufgang zu singen. Doch Stadtamseln fangen nicht nur den wirklich frühen Wurm – sie brüten auch eher im Jahr, da sie früher geschlechtsreif werden und der Testosteronspiegel der Amselhähne früher im Jahr ansteigt als bei ihren Artgenossen im Wald.
Die ständige Geräuschkulisse und der Verkehrslärm in der Stadt, zwingen die Amseln dazu, gegen die Störgeräusche anzusingen. Deshalb singen urbane Amseln lauter, in höheren Tonlagen und wahrscheinlich in kürzeren Strophen.
Die Hektik der Stadt hat bewiesener Maßen einen hohen Einfluss auf den Menschen. Und auch die Tiere, die an unserer Seite leben, sind diesem Stress ausgesetzt.
Selektion und Anpassung
Die Präsenz des Menschen, eine hohe Haustierdichte, hohe Lärm- und Lichtpegel sowie starker Verkehr gelten als potenzielle Stressfaktoren. Nicht alle Tiere sind dem Stress und der Hektik der Stadt gewachsen – nur die coolen Typen überleben in der Stadt. Denn eine gewisse Lässigkeit im Umgang mit den vielfältigen Gefahren der Stadt ist notwendig, um nicht ein Leben im ständigen Alarmzustand zu führen. So kommt es, dass Stadtamseln in Stresssituationen weniger Stresshormone als Waldamseln ausschütten. Auch sind sie weniger neugierig und haben ein variables Fluchtverhalten. Vermutlich selektiert das Stadtleben Individuen, die besser mit urbanem Stress zurechtkommen.
Langfristig gesehen, hat sich die Amsel in ihren 150 Jahren Stadtleben an das Leben in der Stadt angepasst: Die Stadt hat einen mikro-evolutionären Prozess angestoßen, denn neben den Verhaltensveränderungen vollzogen sich auch genetische Veränderungen.
Amseln und einige andere Tierarten haben den Schritt in die Verstädterung geschafft und sich mit neuen Gegebenheiten arrangiert. Aber viele andere, vor allem auf bestimmte Lebensräume angewiesene Tierarten, wie Kranich, Blaukehlchen oder Feldlerche schaffen diesen Anpassungsschritt nicht und benötigen mehr denn je unsere Hilfe vor Ort.