Tote Meisen im Nistkasten

Nestlinge werden leblos aufgefunden

In der Brutzeit erreichen den NABU immer wieder Meldungen von Kohl- und Blaumeisenbruten sowie auch von anderen Vogelarten in Nistkästen, bei denen die fast flüggen Nestlinge plötzlich alle tot im Nest liegen. Viele Menschen fragen verständlicherweise nach den Ursachen. Diese Frage ist im Einzelfall nicht immer eindeutig zu klären, aber es gibt einige mehr oder weniger wahrscheinliche Erklärungen dafür.

Ein häufiger Grund für den Verlust einer Brut ist der Tod eines Elternteils. Gerade in der zweiten Hälfte der Nestlingsperiode müssen die heranwachsenden Jungvögel intensiv gefüttert werden. Fällt plötzlich ein Altvogel aus, schafft es der verbleibende Alleinerziehende meistens nicht allein, die hungrigen Schnäbel zu stopfen, und die Jungen verhungern. Oft spielt auch die Witterung eine Rolle. Regen und Frost können eine tödliche Kombination sein. Die anfangs noch nackten oder später nur wenig befiederten Jungvögel kühlen aus, wenn durch Altvögel mit durchnässtem Gefieder die Feuchtigkeit in der Bruthöhle zunimmt. Sie werden lethargisch und sterben. Gerade im Frühling sind bis zu den Eisheiligen im Mai immer wieder Frostnächte möglich.

Gifte können ein weiterer Grund sein. Die Altvögel suchen im weiteren Umkreis nach Raupen und anderem Kleingetier. Werden dort Giftstoffe in Gärten und Anlagen eingesetzt, könnten die Altvögel ihre Jungen mit vergifteter Nahrung füttern. Während die Altvögel das meistens noch überleben, ist die Dosis für die Jungen tödlich. Besonders Insektizide, wie sie z. B. gegen Buchsbaumzünsler oder Eichenprozessionsspinner eingesetzt werden, konnten in Jungvögeln nachgewiesen werden. Eine weitere Gefahrenquelle können für die Vögel ausgelegte Tierhaare von Hunden und Katzen sein, die zuvor mit Schädlingsbekämpfungsmitteln behandelt wurden.

Vogelnester sind ein kleiner Mikrokosmos für sich, in dem auch lästige Parasiten wie Vogelflöhe, Milben, Vogelzecken etc. wohnen. Blutsaugende Parasiten können Jungenvögel blutarm machen und bis zum Tod schädigen. Unter Vögeln kursieren auch Krankheitserreger, an denen sie erkranken und versterben können. Beispiele sind das Blaumeisen-, Amsel- und Grünfinkensterben.

Da viele Menschen eine Ganzjahresfütterung im Garten betreiben, kann ungeeignetes Futter auch nachteilig für Jungvögel sein. Immer wieder wird von Nestlingen berichtet, die mit Sonnenblumenkernen oder Erdnüsse „gestopft“ sind und diese weder verdauen noch ausscheiden können und daran versterben. Diese Jungvögel betteln auch nicht mehr nach Futter, was zur Brutaufgabe durch die Altvögel führen kann. Wer Gartenvögel ganzjährig füttern will, sollte die Vor- und Nachteile bedenken und muss unbedingt auf Hygiene und geeignetes Futter achten.

An Futterplätzen und Vogeltränken treffen sich unnatürlich viele Vögel, dadurch können dort Krankheitserreger leicht weiterverbreitet werden. Damit die Angebote nicht schaden, müssen Grundregeln der Hygiene beachtet und eingehalten werden.

Mehr zu Hygiene am Futterhaus finden Sie hier:

Bei der Suche nach Nistmaterial verwenden Vögel leider auch Abfälle, die sie in der Umwelt oft leicht finden. Solch ungeeignetes Nistmaterial wie Fäden, Schnüre, Verpackungsreste etc. können zu tödlichen Verschnürungen und Strangulationen bei Jungvögeln führen.

Klimabedingt können auch Nahrungsmangel zusammen mit Trockenheit zu Problemen mit der Nahrungsversorgung führen. Außerdem konnten Studien zeigen, dass der Klimawandel mit immer milderen Wintern und wärmeren Sommern zu einer Entkopplung von Zug- und Fortpflanzungszyklen in der Vogelwelt führen, die selbst verbreitete Arten wie die Kohlmeise betreffen. Der Bruterfolg sinkt, wenn den Nestlingen nicht zur rechten Zeit das Optimum an Nahrung zur Verfügung steht. Tendenziell brüten Standvögel wie die Meisen heute zwei bis drei Wochen früher.

Aufschluss über die genaue Todesursache kann letztendlich nur eine veterinärmedizinische Untersuchung toter Vögel geben. Dazu kann man tote Vögel mit einer über die Hand gestülpten Plastiktüte greifen, sie einfrieren und an entsprechende Institute weiterleiten, wie das örtliche Veterinäruntersuchungsamt. Sollten Sie tote Jungvögel im Nistkasten vorfinden, entfernen Sie das Nest samt toten Vögeln und entsorgen es im Hausmüll. Beim Herausnehmen des Nestes kann es stauben und im Nistmaterial können Flöhe oder auch Ameisen sein. Schützen Sie sich ggf. mit Einmalhandschuhen und besonders vor dem Staub z. B. durch Abstand und/oder eine Staubmaske und verpacken Sie das Nest in eine Plastiktüte, die Sie anschließend verschließen. Benutzte Nester können bedenkenlos entfernt werden, da die Vögel für die nächste Brut eine neue Nestgrundlage bauen.

Auch wenn das Schicksal im Einzelfall tragisch ist und in vielen Fällen sogar durch entsprechendes Handeln vermeidbar wäre, können Singvögel Verluste sicherlich teilweise kompensieren. Kleine Singvogelarten wie Meisen, Rotkehlchen oder Heckenbraunellen haben alljährlich zahlreiche Nachkommen, brüten oft zweimal pro Saison und machen bei Brutverlusten oft zeitnah ein Ersatzgelege. Vögel erleiden auch regelhaft Verluste durch verschiedene Beutegreifer. Eine Gefährdung der Bestände durch Brutverluste resultiert zumindest bei häufigen, weitverbreiteten Arten in der Regel nicht.

Text: Stefan Bosch, NABU-Fachbeauftragter für Vögel

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